Süddeutsche Zeitung

Smartphone-Programme:Apps: Kleine Programme, große Geschäfte

Handy-Apps kosten oft nur wenige Cent und bringen den Entwicklern trotzdem Millionen. Doch nicht jeder hat Erfolg in der neuen Software-Ökonomie - längst ist die Konkurrenz am Markt riesig.

Thorsten Riedl

Wie viele wutentbrannte Vögel braucht es, um dieses Schwein aus seiner Hütte zu fegen? Nur zwei? Was für ein Glück, das gibt Bonuspunkte beim Handy-Spiel Angry Birds.

Auf ein Katapult setzt der Spieler die Vögel, zielt - und trifft mit etwas Geschick beim ersten Schuss das Schwein. Die Schlacht spielt sich mit den Fingern ab, auf modernen Handys mit berührungsempfindlichem Bildschirm.

So einfach das Prinzip von Angry Birds, so erfolgreich das Spiel: Vergangene Weihnachten hatten 50 Millionen Menschen Angry Birds auf ihr Telefon geladen. Inzwischen laufe das Spiel auf 75 Millionen Handys, berichtet Mikael Hed, Chef vom Spieleentwickler Rovio.

Von einem solchen Erfolg träumen im Moment viele. Geschichten wie die von Angry Birds machen die Runde, in der Entwickler über Nacht zum Millionär werden - dank kleiner Programm für das Handy.

Und wer hat's erfunden? Apple. Wieder einmal hat der kalifornische Computerhersteller einen eigentlich schon vorhandenen Markt von hinten aufgerollt und zum Milliardengeschäft gemacht.

Durchbruch mit dem App-Store

Ähnlich wie bei den Musikspielern, die es schon lange vor dem ersten iPod gab, der Möglichkeit Musik mit iTunes aus dem Netz zu laden oder dem Mobiltelefon iPhone, das fast 20 Jahre nach den ersten etablierten Handys modernen Standards auf den Markt kam.

Auch Software, die sich nachträglich auf ein Mobiltelefon laden lässt, gibt es schon lange. Vor Apple musste der Handy-Nutzer dazu spezielle Web-Seiten ansurfen, die Programme auf seinen Computer laden, das Handy mit dem Rechner verbinden, die Daten übertragen, die Mobilsoftware installieren - und mit etwas Glück ging bei diesem abendfüllenden Prozedere nicht allzu viel schief.

Im App-Store von Apple, der auf jedem iPhone bereits vorinstalliert ist, dauern Kauf und Installation nur noch Sekunden. Und statt Dutzende Euro werden wenige Cent fällig - trotzdem ist die App-Ökonomie inzwischen ein Milliardengeschäft, an dem auch andere mitverdienen wollen.

Zehn Milliarden Downloads

Dank des frühen Starts betreibt Apple den größten aller App-Stores. Weit mehr als 350.000 kleine Programme finden sich im Moment dort für alle Probleme des Alltags: ein schnelles Gericht mit Kartoffeln? Noch einmal die Nachrichten vom Abend ansehen? Mit Freunden in Übersee quatschen? "There is an App for that" - dafür gibt es Progrämmchen, so der Slogan von Apple.

Kürzlich gab das Unternehmen bekannt, dass die Schwelle von zehn Milliarden heruntergeladenen Apps erreicht sei. Eine ungeheure Zahl. An jedem verkauften Programm behält Apple 30 Prozent der Erlöse für den Vertrieb ein. Eine Geldmaschine.

Auf fünf Milliarden Dollar schätzen die Marktforscher von Gartner den Umsatz mit Apps im vergangenen Jahr. Zwar bieten Microsoft, Hewlett-Packard, Blackberry-Hersteller RIM, verschiedene Telefongesellschaften, die Handy-Allianz um das Google-System Android oder Firmen, die auf den ersten Blick keinen Bezug zu Handys haben, wie Intel eigene App-Stores. An den Erfolg von Apple reicht aber noch niemand heran.

Zusammen haben alle Rivalen nicht so viele Apps im Angebot wie Apple allein. Aber das Segment wächst: Die Experten von Gartner rechnen 2011 mit einer Verdreifachung des App-Umsatzes auf 15 Milliarden Dollar. Bis 2014 soll sich das noch einmal vervierfachen.

Apple war erst der Anfang. Besonders das freie Betriebssystem Android, das von Google gefördert wird, und an dem jeder mitentwickeln darf, zieht auf dem Mobile World Congress in Barcelona die Besucher in diesem Jahr in Scharen an. Android-Market heißt der Marktplatz auf den Handys mit Android. Über 200.000 Mini-Programme soll es laut inoffiziellen Statistiken für das Google-System schon geben.

Geld verdienen ist mit Android aber ungleich schwerer. Es gibt viele Android-Handys unterschiedlicher Hersteller, die verschiedene Bildschirmauflösungen haben, mal Tastatur, mal keine, mal einen schnellen Prozessor, mal einen lahmen. Solche Besonderheiten müssen die Entwickler beachten, damit ihre Apps laufen.

Dazu kommen Beschwerden über das Abrechnungssystem von Google. Wer über den Android-Market verkaufen will, muss Google Check-out nutzen, doch das läuft nicht in allen Ländern. Und selbst dort, wo es Check-out offiziell gibt, bieten es nicht alle Telefongesellschaften an.

So sind die Angry Birds auf Google-Handys kostenlos zu haben. Bei Geräten von Apple kostet die günstigste Version 0,79 Euro. "Der Standardpreis wird in Zukunft kostenlos sein - der Premiumpreis 0,79 Euro", so Rovio-Chef Hed. Geschenkt gibt es trotzdem nichts. Werbeeinblendungen sollen die ausgefallenen Verkaufserlöse ersetzen. "Anzeigen sind ein ausgezeichnetes Geschäftsmodell für erfolgreiche Apps", erklärt er weiter.

Einige Millionen Dollar bringen die Angry Birds jeden Monat durch Werbung ein, heißt es. Die Spieler würden ohnehin fast so viel Zeit wie vor dem Fernseher mit der App verbringen, sagt Hed. "Die größte Herausforderung lautet: Masse."

Die Welt, ein Spielplatz

Die schiere Masse steht auch hinter dem Erfolg von Foursquare. Vor zwei Jahren wurde das soziale Netz gegründet. Die Nutzer checken sich über ihr Alleskönner-Handy und die Foursquare-App an realen Orten ein: in der Schule, im Restaurant, am Flughafen.

Für das Einloggen in der echten Welt gibt es virtuelle Abzeichen: einen Newbie-Badge für das erste Nutzen von Foursquare, das Superuser-Abzeichen für 30 mal Einloggen an einem Ort in einem Monat oder das Fitness-Logo für zehn Besuche im Fitness-Studio. "Wir machen die Welt zum Spielplatz", sagt Foursquare-Mitgründer Dennis Crowley.

Außerdem schafft es Foursquare die Gewohnheiten seiner Nutzer zu ändern. Wer wäre schon zehnmal im Monat ins Studio gelaufen, wenn er nicht das tolle Abzeichen dafür bekommen hätte? Geschäfte bieten Kunden inzwischen Rabatt, wenn sie sich per Foursquare einloggen - und auf diese Weise bei ihren Freunden für den Laden werben.

Foursquare hat eine Fülle an Daten über seine inzwischen sechs Millionen Mitglieder, die es zu Geld machen will. Das junge Unternehmen weiß, wer sich wann wie lange mit wem wo aufgehalten hat. Das sind nützliche Informationen beispielsweise für Händler oder Restaurant-Besitzer, die sich das einiges kosten lassen.

Auch wenn Geschichten wie die von Angry Birds und Foursquare die Runde machen: Auf eine erfolgreiche App kommen Tausende Programme, die bei den Handy-Besitzern durchfallen - selbst umsonst greift niemand zu. Weil sie den Geschmack nicht treffen, das Marketing nicht stimmt - oder sie in der Menge von hunderttausend Konkurrenzangeboten nicht wahrgenommen werden. "Der App-Store ist ein brutaler Ort", sagt selbst Hed, der es ja geschafft hat. Im App-Goldrausch schaffen es die Meisten nicht bis zum Klondike-River.

Ökonomie der Fehlschläge

Ivan Farneti kennt eine Menge solcher Fehlschläge. Er ist Partner beim Wagniskapitalgeber Doughty Hanson. Mehrere tausend Unternehmen stellen ihm jedes Jahr ihren Geschäftsplan vor, zuletzt viele mit mobilen Ideen "inspiriert von Firmen wie Rovio". Er plädiert dafür, die eigene App zunächst einmal kostenlos anzubieten.

"Das erleichtert die Verbreitung." Wenn die Kunden daran Gefallen finden, lassen sich einfacher Zusatzdienste verkaufen, ein Benachrichtigungsdienst für die Lieblingsfilme bei einer TV-App beispielsweise oder bessere Waffen in einem Spiel. "Das ist den Kunden viel Geld wert", sagt Farneti.

Bei Angry Birds gibt es deshalb den Mighty Eagle gegen Geld, den allmächtigen Adler. Mit ihm wird es möglich, eine Schwierigkeitsstufe weiterzukommen, wenn das Abschießen der Schweine in einem Level partout nicht klappen will. Auf den Erfolg seines Spiels angesprochen, zeigt sich Rovio-Chef Hed noch immer überrascht. Das Unternehmen hat seinen Sitz im finnischen Espoo, in der selben Stadt wie Nokia.

Für den weltweit größten Handyhersteller hatte Rovio früher auch einige Spiele entwickelt. Mit der App für Apple wollte Rovio eigentlich nur die eigene Marke bekannt machen - "und als Nebenprodukt haben wir eine Menge Umsatz erwirtschaftet". Nicht einmal 100.000 Euro hat die Entwicklung der Angry Birds gekostet.

Von den niedlichen Vögeln gibt es nun Spielfiguren in echt, Comics und bald einen abendfüllenden Spielfilm in Kooperation mit einem Hollywood-Studio. Der Traum eines jeden App-Entwicklers.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2011/joku
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