Süddeutsche Zeitung

Geld verdienen mit Privatvideos:Beruf: Youtube

Youtube beteiligt Filmemacher seit kurzem an den Werbeeinnahmen, die ihre Videos abwerfen. Doch nur wenige verdienen so richtig Geld. Die Plattform hofft dennoch, dass der Ausblick auf Gewinn die User zum Hochladen animiert. Denn: Mehr Videos bedeuten mehr Geld - vor allem für Youtube.

Von Pia Ratzesberger

Simon Desue ist allein zuhause. Er zündelt mit einem Blatt Papier, kriecht wie eine Schlange durch den Hausgang und kämpft mit einem Stoffaffen im Bananen-Kostüm. Was die Massen eben so interessiert. Übers Internet sehen dem 21-Jährigen bei seinen Kaspereien über drei Millionen Menschen zu.

Simon Desue ist einer der wenigen Deutschen, die ihren Lebensunterhalt mit Filmchen auf der Videoplattform Youtube bestreiten. Jede Woche lädt Simon ein neues Video hoch, dabei geht es um Justin Bieber, Poledance oder Verführungsratschläge. Der schräge Klamauk scheint beim Publikum anzukommen. Fast 500.000 Nutzer haben Simons Kanal abonniert. Das sind 64mal so viele Fans, wie die Tagesschau auf Youtube versammelt. "Als ich vor vier Jahren anfing, mit Youtube Geld zu verdienen, war es ein Mini-Job. Dann wurde es schnell mehr", sagt Desue.

Die Geschäfte von Privatnutzern auf Youtube haben sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. War die Beteiligung an den Werbeeinnahmen der Google-Tochter zuerst nur wenigen ausgewählten Nutzern mit sehr hohen Klickzahlen vorbehalten, öffnete Youtube im vergangenen Jahr sein Partnerprogramm für alle. Seitdem kann jeder Youtube-Nutzer seine Videos mit einem Klick "monetarisieren", wie es heißt: Der Filmemacher erlaubt Youtube Werbeanzeigen in oder neben den hochgeladenen Videos zu schalten und wird selbst an diesen Einnahmen beteiligt.

Auf den Inhalt der Anzeigen hat der Hobby-Produzent dabei keinen Einfluss, kann aber bestimmen, ob die Werbebanner zum Beispiel vor Beginn des Videos oder währenddessen eingeblendet werden. Vorausgesetzt die Kurzfilme zeigen selbstgemachte Inhalte, denn durch eine Überprüfung sichert sich Youtube im Vorfeld gegen Urheberrechtsverletzungen ab - selbst wer nur einen Popsong nachträllert, braucht die schriftliche Genehmigung des Künstlers.

Wie viel private Videoproduzenten mit der Werbung verdienen, ist unter anderem von den Klicks, Abonnentenzahlen und natürlich dem Preis der geschalteten Anzeigen abhängig. Die genauen Summen sind Geschäftsgeheimnis. Einen exakten Preis für jeden Zuschauer gibt es nicht, auch wenn in Internetforen viel darüber spekuliert wird. Klar ist, dass nicht jeder, der seine Videos monetarisiert, auch sofort an ihnen verdient: Erst ab Einnahmen von 70 Euro wird überhaupt Geld ausgezahlt. Und selbst wenn dieser Betrag überschritten ist - Youtube zum Beruf zu machen, das schaffen nur wenige. Die Plattform hofft aber, dass der Ausblick auf Gewinn die User zum Hochladen animiert. Und mehr Videos bedeuten mehr Geld - für Youtube.

Doch je weiter das Unternehmen sein Partnerprogramm vorantreibt, desto mehr verändert es auch seine Nutzerschaft. Die wenigsten derjenigen, die wie Simon von ihren Videos leben können, sind noch Einzelkämpfer, die aus dem heimischen Wohnzimmer heraus Filme ins Netz laden. Simon ist wie viele andere bei einem Netzwerk unter Vertrag, der Tube-Agency. Für die beschränkt sich das Geschäft mit Youtube nicht mehr allein auf Werbeeinnahmen. Die Agentur vermittelt den Künstlern auch Auftritte außerhalb der Netzwelt, schließt eigene Verträge mit Unternehmen, deren Produkte anschließend Eingang in die Videos finden und vernetzt die Videoproduzenten miteinander. "Trotz der Konkurrenz der Künstler sind sie heute auf die gegenseitige Unterstützung angewiesen", sagt Jan Rode, Geschäftsführer von Tube-Agency.

Denn wenn zum Beispiel Y-Titty, ein Comedy-Trio mit mehr als 1,6 Millionen Abonnenten, seinen Fans einen anderen Kanal empfiehlt, gewinnt dieser in der Regel sofort tausende neue Zuschauer. "Kanäle, die unserem Netzwerk beitreten, können ihre Klick- und Abozahlen relativ schnell vergrößern", sagt Christoph Krachten, Geschäftsführer von Mediakraft, dem größten deutschen Youtube-Netzwerk, das mit seinen 200 verschiedenen Kanälen über 110 Millionen Abrufe im Monat generiert.

Auf die Frage, in welcher Höhe sich die Youtube-Einnahmen der Künstler bewegen, verweisen sowohl Mediakraft als auch die Tube-Agency auf die strengen Verträge mit Youtube. Über die Verteilung des Geldes wird auch hier nicht gesprochen. Youtube verrät auf seiner Homepage lediglich, dass seit dem Programmstart in den USA 2007 mehr als eine Million Filmschaffende aus über 30 Ländern mit ihren Videos Geld verdienen - aber nicht in welcher Höhe.

Der Brite Howard Davies-Carr, der mit seinem Video "Charlie bit my finger - again!" unverhofft Berühmtheit erlangte, gab im vergangenen Jahr an, mit seinen Kurzfilmen bisher mehr als 158.000 US-Dollar eingenommen zu haben. 2007 hatte er ein Video von seinen beiden Söhnen hochgeladen, in dem der einjährige Charlie dem älteren Harry in den Finger beißt. 522 Millionen Menschen haben die Szene gesehen. Mehr als eine Milliarde Klicks schaffte die 26-jährige Amerikanerin Jenna Marbles. Ihre Videos heißen: "Was Mädchen in der Früh im Bad machen", Meine Lieblingstanzschritte" oder "Ich hasse es, erwachsen zu sein". Der Stoff, aus dem Kassenknüller sind.

Solche Zufallserfolge bleiben eine Ausnahme. "In Deutschland kann man die Kanäle, die damit reich werden, noch an einer Hand abzählen", sagt Philipp Bernecker, einer der drei Geschäftsführer der Berliner Firma Divimove. Doch das könne sich bald ändern, schließlich biete die Videoplattform Unternehmen viel genauere Zielgruppen-Werbung als das Fernsehen. "Und die Werbebudgets steigen", sagt Bernecker. Ähnlich sieht das Christoph Krachten von Mediakraft: "Wir legen gerade die Basis für ein kontinuierliches Wachstum. Die Youtube-Generation wird natürlich älter, aber niemand wird sagen: Oh, jetzt bin ich 30 Jahre alt. Jetzt möchte ich keine Videos mehr im Internet schauen, sondern nur noch Fernsehen auf einer alten Röhre".

Die Aussicht auf eine schnelle Karriere im Netz zieht trotzdem noch vor allem junge Leute an, die sich bei Unternehmen wie Divimove oder Mediakraft bewerben. Ähnlich wie Produktionsfirmen in der Musikbranche wählen diese anhand der eingeschickten Videos Kandidaten aus.

Doch Unterhaltsamkeit allein reicht nicht. Die Filmemacher müssen massentauglich sein oder zumindest in ihrer speziellen Nische viele Zuschauer erreichen - so abseitig diese auch sein mag. Ein Beispiel ist ein Kanal, den Divimove erst vor kurzem in sein Portfolio aufgenommen hat: Drei Jungs, die professionell Fußball spielen - am Computer. Bernecker hält deren Entwicklung für vielversprechend, denn offenbar wollen ihnen viele beim Spielen zusehen: "Die drei haben innerhalb von kurzer Zeit schon 11.000 Abonnenten gewonnen." Vielleicht wird's ja noch was mit der Profi-Karriere.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2013/bero
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