Gefundenes iPhone:Polizeibesuch beim Nerd

Lesezeit: 2 min

Der Technik-Blogger Jason Chen überlistete Apple und präsentierte vorab das neue iPhone. Jetzt hat die Polizei sein Haus durchsucht - und tritt damit eine Grundsatzdebatte los.

J. Boie

Wenn man mit seiner Ehefrau essen war und gemeinsam nach Hause kommt, erwartet man nicht unbedingt, dass die Haustür eingetreten ist und in der Garage Polizeiautos stehen. So erging es aber dem amerikanischen Blogger Jason Chen.

Gizmodo-Autor Jason Chen: Weltweite Berühmtheit durch den iPhone-Fund. (Foto: Screenshot: YouTube.com)

Nachdem er zu Hause ankam, wurde ihm befohlen, die Arme über den Kopf zu halten, dann durchsuchten ihn Polizisten nach Waffen oder spitzen Gegenständen. Während er beim Dinner saß, hatten sie nicht nur seine Haustür eingetreten, sondern auch begonnen, sein Hab und Gut zu durchsuchen.

Chen, der in der Nähe von San Francisco wohnt, erlangte in den vergangenen Tagen weltweite Berühmtheit. Er verdient sein Geld damit, für das amerikanische Technikblog Gizmodo zu schreiben.

5000 Dollar für ein iPhone

Auf der Spezialisten-Webseite wird über neueste Trends berichtet, vor allem im Computer- und Handybereich. Chen gelang am 19.April der Coup, das bislang geheim gehaltene nächste Handy von Apple, das neue iPhone, vorzustellen.

Er soll es für 5000 Dollar von einer bislang unbekannten Privatperson gekauft haben. Diese wiederum hatte das iPhone in einem Biergarten in Redwood City gefunden, wo es von einem 26-jährigen Apple-Ingenieur vergessen worden war.

Für Gizmodo war der Report äußerst prestigeträchtig. Apple setzt alles daran an, Details seiner Geräte bis zur offiziellen Veröffentlichung geheim zu halten. Chen hat das Gerät, das wohl erst im Sommer präsentiert werden soll, an Apple zurückgegeben - jedoch erst, nachdem er Fotos und Details publiziert hatte.

Außerdem zwang er Apple zuzugeben, dass das iPhone dem Konzern gehöre. So konnte Chen die Vermutungen anderer Technikblogger widerlegen, es handele sich bei dem Gerät gar nicht um einen iPhone-Prototypen. Damit blamierte er auch Apple.

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22 Gegenstände nahmen die Polizisten vergangenen Freitag mit, darunter zwei Apple-Laptops, ein IBM-Notebook, ein paar Handys, Festplatten und Digitalkameras. Was bei einem Nerd eben zu Hause so rumliegt. Im Gegenzug ließen die Beamten einen guten Ratschlag zurück: Chen solle sich die Kosten für die eingetretene Tür ersetzen lassen.

Was die Beamten nicht ahnen konnten: Mit ihrer Aktion, die richterlich genehmigt war, traten sie eine Kultur- und Rechtsdebatte los: Darf die Staatsgewalt bei Bloggern eine Hausdurchsuchung durchführen? Und muss Chen seine Quelle, von der er das iPhone kaufte, preisgeben oder nicht? Beides läuft auf die Frage hinaus, ob Blogger den selben Schutz wie klassische Journalisten genießen.

Und damit wird auch die Debatte, ob Blogger Journalisten sind, weiter geführt - mit dem Unterschied, dass dieses Mal nicht die Internetszene über sich selber urteilt, wie das bislang vor allem der Fall war. Dieses Mal werden Gerichte Antworten finden müssen.

Sie könnten sich an der Arbeitsweise der betroffenen Blogger orientieren: Es gibt - gemessen an der Gesamtzahl aktiver Blogger - nur sehr wenige, die wie Journalisten arbeiten, die im Idealfall sauber recherchieren, Fakten prüfen und Quellen schützen (dürfen).

Ähnliche Arbeitsbedingungen

Jason Chen gehört zu ihnen. Er hat zwar einerseits Geld für den iPhone-Prototypen bezahlt und sich damit zumindest fragwürdig verhalten, denn mit der Veröffentlichung richtete er aus Sicht Apples wirtschaftlichen Schaden an. Andererseits arbeitet er inhaltlich und redaktionell just wie ein Redakteur bei einem klassischen Technikmagazin.

So sieht das auch die Electronic Frontier Foundation, eine Lobbygruppe, die sich im Fall Gizmodo zu Wort gemeldet hat. "Sowohl Bundes- als auch Staatsgesetze schützen Reporter und Journalisten. Beide Gesetze könnten durch die Hausdurchsuchung bei Chen verletzt worden sein." Bei der Exekutive in Kalifornien ist man sich nicht länger sicher, ob die Hausdurchsuchung rechtens war.

Auf Anfrage des Technikmagazins Techcrunch sagte der Staatsanwalt Stephen Wagstaffe, nach einer Stellungnahme von Chens Anwalt prüfe man, ob die Gesetze zum Schutz von Journalisten nicht doch in Chens Fall gelten würden. Die Entscheidung wird Präzedenzcharakter haben. Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 28.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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