Gefälschte Online-Profile:Münchhausen 2.0

Flunkerflug durchs Web: Ein bisschen Schwindeln gehört in Social Networks fast zum guten Ton. Doch es geht auch richtig kriminell: Profile werden erfunden - oder gar gekapert.

Sie wollten nur einem Freund helfen - und waren am Ende um einige Hundert Euro ärmer. Der vermeintliche Freund hatte die vier Internetnutzer aus Korbach in Hessen laut Polizei über das Chatprogramm ICQ gebeten, ihm Geld zu leihen. Das Quartett erwarb "Paysafecards" und teilte die Transaktionsnummern der Guthabenkarten dem Bittsteller mit. Was die vier nicht wussten: Sie hatten es mit einem Betrüger zu tun, der die ICQ-Daten ihres Freundes ausspioniert und dessen Identität angenommen hatte. Das ist alles andere als ein Einzelfall - wobei es längst nicht immer um Geld geht.

"Man liest mittlerweile nahezu jede Woche, dass ein Missbrauch von Accounts erfolgreich war", sagt Günther Ennen. Betrüger nutzen laut dem Leiter der Sicherheitsberatung beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn das große Vertrauen aus, das insbesondere viele Nutzer sozialer Netzwerke wie StudiVZ oder Facebook an den Tag legen.

Facettenreiche Geschichte

Oft muss ein Betrüger, der ein Profil gekidnappt hat, laut Ennen - wie im Fall der vier Hessen - lediglich eine Notlage vortäuschen und die vernetzten Freunde um finanzielle Hilfe bitten. Doch der Experte rät Nutzern, die eine solche Bitte erhalten, mit dem entsprechenden Freund außerhalb des Netzwerks Kontakt aufzunehmen. So lässt sich am ehesten abklären, ob dieser tatsächlich hinter der Bitte steckt - oder ob ein Fremder mit seinem Netzwerk-Profil hantiert.

Hinter einem Profil-Diebstahl müssen nicht unbedingt finanzielle Interessen stehen: "Das ist eine sehr facettenreiche Geschichte", sagt Heiko Rittelmeier aus Bad Kissingen, der die Webseite computerbetrug.de betreibt. Denkbar ist zum Beispiel, dass Täter mit gesammelten Daten eine falsche Web-Identität ihrer Opfers aufbauen und diese dadurch in ein neues, völlig falsches Licht rücken. "Im Internet sollte man nur das von sich preisgeben, was man auch ohne Bedenken einem Fremden an der Haustür erzählen würde."

Nicht immer nehmen Betrüger andere Identitäten an, häufig erfinden sie auch Personen, sogenannte Fakes. Besondere Vorsicht ist daher in Netzwerken bei fremden Nutzern geboten, die nur wenige Fotos von sich preisgeben. "Bei extrem attraktiven Kontakten, die auch auf Nachfrage keine weiteren Fotos von sich zeigen, handelt es sich oft um Fakes", warnt Felicitas Heyne, Diplom-Psychologin von der Initiative SaferDating aus Herxheim in der Pfalz. Die Initiative verfolgt das Ziel, die Partnersuche im Netz sicherer zu machen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Fragen Identitätsfälscher im Netz enttarnen können.

Skepsis ist geboten

Ein wirksamer Schutz vor Fakern gerade bei der Partnersuche sei es auch, dem Gegenüber viele Fragen zu stellen und sich die Antworten zu notieren. Zeigen sich Widersprüche, ist Skepsis geboten. "Gibt der Kontakt zum Beispiel an, in Leipzig zu wohnen, kann mir aber keine Weggeh-Tipps geben, ist das verdächtig", sagt Felicitas Heyne. "Und natürlich ist es sinnvoll, im Internet zu suchen und zu schauen, was man so über seine neue Bekanntschaft findet."

In diesem Zusammenhang kann sich auch ein Besuch der englischsprachigen Seite fakersbusted.com lohnen. Dort gibt es eine zuletzt bereits 800 Bilder umfassende Sammlung mutmaßlicher Fake-Profile.

Doch wirklich ausgebuffte Profil-Fälscher dürften mit derartigen Tricks nicht so schnell zu enttarnen sein. Sie sind Heyne zufolge am ehesten daran zu erkennen, dass sie irgendwann versuchen, sich aus den unterschiedlichsten Gründen Geld zu leihen: "Von der kranken Oma bis zur Begründung, sie wollten sich gerne mit ihrem neuen Kontakt treffen, hätten aber kein Geld für die Fahrt, ist alles dabei."

Das eigene Ich aufpolieren

Ein Umstand spielt den Betrügern in die Karten: "Fallen Leute darauf rein, schämen sie sich meist zu sehr, um Anzeige zu erstatten", sagt die Diplom-Psychologin. Um sicherzugehen, sollte man bei allen Internet-Kontakten, an denen man ernsthaftes Interesse hat, deshalb irgendwann auf ein persönliches Treffen bestehen. "Sträubt sich die Person mehrere Male, hat sie scheinbar was zu verbergen."

Wer befürchtet, einem Fake aufgesessen zu sein, hat in den meisten sozialen Netzwerken eine Melde-Funktion zur Verfügung. "Wir treten dann mit dem gemeldeten Profilinhaber in Kontakt und lassen uns gegebenenfalls eine Kopie des Personalausweises schicken, um die Identität zu überprüfen", so Dirk Hensen von VZ-Netzwerke in Berlin - das Unternehmen betreibt zum Beispiel StudiVZ. Enttarnte Fake-Profile würden sofort gelöscht.

Nicht in jedem Fall sind es allerdings verwerfliche Absichten, die die Fälscher antreiben: "Gerade in sozialen Netzwerken oder Chats geht es darum, das eigene Ich aufzupolieren", sagt Heiko Rittelmeier. Hinzu komme eine gewisse Lust daran, Macht über andere zu haben, sagt Felicitas Henye. "Das ist wie in einem Krimi, wo Sie der Regisseur sind und als einziger wissen, wie das Ganze ausgehen wird."

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