Gamescom Köln:Rumschippern in der Karibik

Gamescom Köln: Szene aus "Watch Dogs"

Szene aus "Watch Dogs"

Ob mit aufgemotzten Autos durch die Wüste oder mit blitzschnellen Zweimastern durch die Karibik. Auf der Gamescom in Köln sind Spiele wie "Watch Dogs", "Mad Max" und "Assassin's Creed 4" die Stars. Die Neuheiten im Gamescom-Blog.

Von Matthias Huber, Köln

Microsoft und Sony, Electronic Arts und Activision: Auf der Gamescom in Köln, der weltgrößten Computerspielmesse, versammelt sich in dieser Woche jeder, der in der Branche was zu sagen hat. Es geht um die neuen Spielkonsolen Playstation 4 und Xbox One und die großen Blockbuster wie "Call of Duty" oder "Assassin's Creed 4", aber auch unbekanntere Spiele werden hier erstmals den etwa 275.000 Besuchern vorgestellt. Die interessantesten Titel im Überblick - der Artikel wird im Laufe der Gamescom stetig ergänzt.

Watch Dogs

"Pack die Waffe weg, sonst ruft jemand die Polizei", raunt Ubisoft-Leveldesigner Falko Poiker dem jungen Mann mit dem Playstation-Controller zu. Der drückt ein paar Knöpfe und die Figur auf dem Bildschirm vor sich lässt die Pistole wieder unter dem weiten Mantel verschwinden. Virtuelle Passanten suchen dennoch das Weite, sehen sich immer wieder nach dem Kerl um, der hier mitten in Chicago eine Waffe zieht.

Und wirklich, Waffen ziehen ist im Chicago von "Watch Dogs" nur manchmal nötig. Denn der Hacker Aiden Pearce, den der Spieler steuert, hat ja ein Smartphone - und keine Angst, es zu benutzen. Schon lange, bevor Edward Snowden der Welt klargemacht hat, wie leicht persönliche Daten im Internet abgegriffen werden können, stellte Ubisoft dieses Spiel vor. Ein Spiel, in dem es nur gläserne Menschen gibt.

Gamescom Köln: Pistole geht auch: Szene aus "Watch Dogs"

Pistole geht auch: Szene aus "Watch Dogs"

Das Open-World-Spielprinzip erinnert an die erfolgreiche "Grand Theft Auto"-Reihe. Aber Aiden Pearce ist darin so etwas wie ein digitaler Superheld. Dem Befehl seines Smartphones gehorcht die gesamte Infrastruktur. Wird er von der Polizei verfolgt, kann er Ampeln auf Grün schalten und hinter sich Verkehrschaos verursachen. Oder die Bahnschranken herunterlassen.

Jede Figur, der er auf der Straße begegnet, kann er "hacken", also Informationen über sie abfragen. Alter, Beruf, Vorlieben, Chatprotokolle. Darin können Belanglosigkeiten stehen, oder Kontodaten - sehr nützlich, um die eigene Kasse aufzufüllen. Oder aber Aiden belauscht auf diesem Weg, dass jemand einen Mord plant. Und kann nun versuchen, diesen Plan zu verhindern. Abhören als Spielprinzip - und, politisch pikant, potentiell für einen guten Zweck.

Manchmal handelt es sich bei den harmlos aussehenden Passanten in Wahrheit um andere Spieler, die im Mehrspielermodus unerkannt das virtuelle Chicago durchstreifen. Wird man selbst so gehackt, erhält man auf seinem Bildschirm eine Warnung. Jetzt gilt es den Täter ausfindig zu machen und zu stoppen. Ehe er an die persönlichen Daten kommt. Die der Spielfigur. Nicht die des Spielers. Versprochen.

X: Rebirth

Überlegen Sie es sich gut, ob Sie das Transportraumschiff wirklich angreifen und plündern wollen. Es hat zwar wertvolle Rohstoffe gelagert. Aber die sind knapp - und auch der Treibstoff für Ihr Schiff wird aus Ihnen gewonnen. Gut möglich, dass auch Sie also bald unter höheren Spritpreisen zu leiden haben, weil Sie die Nachschubversorgung abgeschnitten haben.

Solche Entscheidungen sind Alltag in "X: Rebirth", dem bereits siebten Vertreter einer Reihe von Weltraumsimulationen, die sich in den vergangenen 15 Jahren eine kleine, aber umso engagiertere Fangemeinde erarbeitet hat. Auch weil der Spieler weit mehr zu tun hat, als nur mit seinem Raumschiff von Sonnensystem zu Sonnensystem zu fliegen und sich Laser-Gefechte mit Weltraumpiraten zu liefern. "X: Rebirth" wird ein komplettes Wirtschaftssystem simulieren. Jeder Gegenstand, jedes Raumschiff, jede Waffe muss aufwändig hergestellt werden, vom Ursprungsrohstoff über eine Reihe von Zwischenstationen in der Verwertungskette. Und jede dieser Zwischenstationen kann durch den Spieler manipuliert werden. Ein Angriff auf eine Fabrik sorgt ebenso für Knappheit wie das Kapern eines Transportschiffs.

Ob der Spieler lieber als Weltraumpirat, Söldner oder Händler in diesen Wirtschaftskreislauf eingreift, ist ihm überlassen. Jeder Schaden, der im vom Spiel berechneten Universum entsteht, muss irgendwie wieder repariert werden. Und das ist nicht umsonst. Jede Tat hat Konsequenzen. Und jede der spektakulären Weltraumschlachten kostet virtuelles Geld.

Es gibt Spieler, die mit einem der früheren "X"-Spiele mehrere Tausend Spielstunden verbracht haben und dabei Dinge erlebt haben, die auch die Entwickler nicht vorhersehen konnten. "Wir bauen unsere Spiele von unten auf", sagt Egosoft-Chef Bernd Lehahn, "wir setzen nur die Grundlage, ab da entwickelt sich alles unter Einflussnahme des Spielers". Einen ähnlichen Ansatz, der die Simulation eines Weltraum-Wirtschaftssystems komplett in die Hände des Spielers legt, verfolgt auch das Multiplayer-Spiel "Eve Online", wo vor kurzem 4000 Spieler das größte Weltraumgefecht der Geschichte bestritten. "Aber Eve gibt es erst seit relativ kurzer Zeit", sagt Lehahn. "Wir machen das seit fast 15 Jahren."

Diablo 3: Reaper of Souls

Selbst der Himmel ist gefallen, im dritten Teil des Action-Rollenspiels von Blizzard. Nur der auserkorene Held konnte die Welt vor der Zerstörung bewahren. Doch der Seelenstein, der den Höllenfürsten Diablo beherbergt, ist nicht vernichtet - und jetzt, im Erweiterungspaket "Reaper of Souls" greift der Tod selbst nach der Macht, die ein Pakt mit Diablo verspricht.

Schon Diablo 3 ist nicht gerade durch eine ausgefeilte, subtile Geschichte aufgefallen. Die hektische Klickorgie bezog ihren Reiz eher aus einem geschickten Abwechseln zwischen rhythmischer Wiederholung und wohldosierten Belohnungen für den Spieler. Auch "Reaper of Souls" wird daran nichts ändern, weder erzählerisch noch spielerisch.

Fans von Diablo 3 haben aber wohl auch kaum etwas anderes erwartet. Die Jagd nach immer wertvolleren Gegenständen, die sie bei den Leichen der tausendfach erschlagenen Gegner finden können, dürfte auch in der Unterwelt ihren Reiz ungebrochen ausüben. Immerhin hat Blizzard die erreichbare Höchststufe für Spielerfiguren angehoben und eine neue Charakterklasse - den Kreuzrittern - spendiert. Das süchtigmachende Spielprinzip selbst geht also unverändert in die Verlängerung.

Mad Max

Die Zivilisation ist zerstört, Rohstoffe sind aufgebraucht - und die letzten verbliebenen Benzin-Reserven zum heiß umkämpften Gut geworden. Das ist die Welt von "Mad Max", die George Miller erstmals 1979 für seinen gleichnamigen Kinofilm mit Mel Gibson in der Rolle des Titelcharakters entworfen hat. 2014 erscheint ein neuer Film der Reihe - und ein Spiel für Playstation 4 und Xbox One.

Mad Max

Screenshot aus "Mad Max"

(Foto: Warner Bros. Interactive Entertainment)

Die Welt mit ihren rostigen Metallruinen in einer kargen Wüstenlandschaft ist die gleiche geblieben, auch wenn von der Benzin-Knappheit nicht mehr viel zu spüren ist. Denn was in "Mad Max" explodieren kann, das tut es auch. Treibstofftanks werden zu willkommenen Sprengfallen, Autos werden umgeworfen und in Brand gesteckt. Was vom kostbaren Benzin nicht den Flammen zum Opfer fällt, versickert im Wüstensand. Ein Actionspiel eben. Wer will schon seine Zeit damit verbringen, Benzinkanister zu befüllen und durch die Wüste zu karren? Statt Treibstoffreserven ist der Titelcharakter, der weder Mel Gibson noch Tom Hardy, dem Hauptdarsteller des neuen Films, ähnlich sieht, jetzt hinter Autoteilen her. Damit will er das ultimative Fahrzeug bauen, um in der Wüste zu überleben, das "Magnum Opus", "a real wasteland war machine".

Der Spieler wechselt daher ständig zwischen Passagen zu Fuß und im Auto hin und her, Kampfszenen wechseln sich mit Verfolgungsjagden ab. Und zwischendurch darf der Spieler mit den gesammelten Blechteilen sein eigenes Auto aufmotzen: Stärkerer Motor, feuerfester Lack - oder einfach ein Trumm von einem Rammbock am Kühlergrill festschrauben. Das Open-World-Actionspiel sieht in seinen Kampfszenen aus wie "Batman": Konterangriffe und verschiedene Schlagfolgen werden zu immer mächtigeren Kombinationen, besonders gute Aktionen belohnt das Spiel mit einer Zeitlupe oder spektakulären Kameraperspektive.

Interessant ist auch das Konzept des Auto-Rollenspiels: Jede Verbesserung von Max' fahrbarem Untersatz hat auch Nebeneffekte. Besagter Rammbock zum Beispiel macht das Auto schwerer, langsamer, weniger wendig - und verlangt deshalb nach einem stärkeren Motor. Nur Max selbst, der ist, wie schon 1979, mit seinen Fäusten und einer Schrotflinte mehr als zufrieden.

Mad Max

Screenshot aus "Mad Max"

(Foto: Warner Bros. Interactive Entertainment)

Assassin's Creed 4

Man sollte sehr vorsichtig sein, nicht das Wort "Simulation" zu gebrauchen, wenn man über die Schiffskämpfe in "Assassin's Creed 4" spricht. Denn dass der Piratenalltag in etwa so ausgesehen hat, wie es der vierte Teil der populären Computerspielreihe darstellt, ist in etwa so glaubhaft wie dass "Mario Kart" das Leben eines Formel-1-Piloten porträtiert.

Gamescom Köln: Screenshot aus dem Spiel

Screenshot aus dem Spiel

(Foto: Ubisoft)

Die Karibik dieser Zeit war nämlich, glaubt man "Assassin's Creed 4", ein ganz schön hektischer und belebter Ort. So ein Segelschiff, ein stattlicher Zweimaster, fegte geradezu über das Meer, und es bedurfte nur eines beherzten Rucks am Steuerrad, und schon vollzog es eine schnittige Kehrtwende - mit der sich schon auch mal einer heranfliegenden Kanonenkugel ausweichen lässt. Und Kanonenkugeln kommen reichlich geflogen. "Auf hoher See" scheint hier zu heißen, dass man nur in drei von vier Himmelsrichtungen Festland oder angeblich "einsame" Inseln sehen kann. Manche von ihnen bestehen aus kaum mehr als einem Sandhaufen und einer Handvoll Palmen - und einem halben Dutzend menschlicher Bewohner. Auf anderen sind Schiffbrüchige gestrandet, die man retten und der eigenen Besatzung zuführen kann - schwimmen können sie aber offenbar nicht, sonst hätten sie längst selbst den fünfminutigen Ausflug ans Festland unternommen. Oder sich von einem der unzähligen Schiffe mitnehmen lassen, die diese Karibik bevölkern.

Kurz: "Assassin's Creed 4" mag so aussehen, als könnte romantische Freibeuter-Stimmung aufkommen. Aber dafür wird im Open-World-Spiel wohl kaum Zeit bleiben. Ist eine Region erst einmal durch einen Blick vom nächstgelegenen Aussichtsturm erforscht, füllt sich die ins Spiel integrierte Karte mit Markierungen für Dutzende kleinere und größere Sehenswürdigkeiten. Und zwischen all dem gibt es auch noch eine Handlung, der der Spieler folgen kann. Man kann kaum ein paar Schritte gehen, ohne über eine Flaschenpost oder Schatzkarte zu stolpern.

Die Vielfalt ist schon auf den ersten Blick gewaltig: Das eigene Schiff kann mannigfach aus- und aufgerüstet werden, es gibt den actionreichen Seekampf und die aus den Vorgängern bekannten Auftragsmorde zu erfüllen. Die Haifischjagd mit Harpune drängt sich als Freizeitbeschäftigung auf, ebenso wie untergegangene Schiffe auf ihre Erkundung per Tauchausflug warten. Und mit einer eigenen Flotte, die sorgfältig geleitet werden muss, können Handelsrouten erschlossen werden. Nur welches dieser Handvoll fast völlig voneinander unabhängiger Spiele könnte auch ohne das ganze unentschlossene Beiwerk funktionieren?

Gamescom Köln: Screenshot aus "Assassin's Creed 4"

Screenshot aus "Assassin's Creed 4"

(Foto: Ubisoft)

Rocksmith 2014

Mit "Guitar Hero" und "Rock Band" hat das angefangen: Warum noch echte Instrumente spielen, wenn man mit ein paar albernen Plastikklampfen auch Musik machen kann. Oder wenigstens vorgegaukelt bekommt, dass man das tut. Vor zwei Jahren machte "Rocksmith" den Schritt zurück von dieser Entwicklung, erlaubte dem Spieler, echte E-Gitarren anzuschließen, und verkaufte sich als etwas unentschlossener Hybrid aus Musikspiel und Gitarren-Lernprogramm.

Der Nachfolger, "Rocksmith 2014", soll jetzt wirklich als Gitarrenkurs funktionieren. Dafür haben die Entwickler - von denen nach eigenen Angaben "die meisten" selbst Gitarrenlehrer sind - etwa 100 verschiedene Lektionen ins Spiel gepackt. Und auch der zuvor etwas undurchsichtige Schwierigkeitsgrad, der das Niveau des Spielers analysierte und sich daran anzupassen versuchte, kann jetzt sehr fein eingestellt werden. Der Spieler kann jederzeit selbst entscheiden, ob er zum Song nur einzelne Noten beisteuert, oder sich an das komplette Arrangement wagt - und dafür vielleicht lieber die Abspielgeschwindigkeit zurückdreht.

Wirklich beeindruckend erscheint aber, was "Rocksmith 2014" mit dem "Session Mode" für erfahrene Gitarrenspieler bereithält. Hier lässt sich aus einer dreistelligen Zahl verschiedener Instrumente eine virtuelle Begleit-Band zusammenstellen - die in Echtzeit auf die Improvisationen des Spielers reagieren soll. Schlägt er seine Gitarre härter an, nimmt auch das Schlagzeug an Intensität zu. Und beginnt er ein komplexes Solo, lassen es Bassist und Keyboarder etwas ruhiger angehen.

Eine echte Band und das Üben im Proberaum wird auch diese virtuelle Jam-Session nicht ersetzen. Aber als Belohnung für den erfolgreich absolvierten Gitarrenkurs, den "Rocksmith 2014" bieten will, taugt sie allemal. Ein Lernprogramm wie dieses ist zwar immer noch eine sehr mechanische Herangehensweise an das Musikmachen. Aber mit all den integrierten Mini-Spielen, Highscores und bekannten Rock- und Pop-Songs zum mitspielen dürfte sie so manchen begeistern können, dem der Musikunterricht beim Profi einfach zu dröge ist.

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