Gamescom Köln:Gestalten am Wegesrand

Hearthstone - Heroes of Warcraft

Szene aus "Hearthstone - Heroes of Warcraft"

(Foto: Blizzard)

Bei "Everquest Next" tifft "Minecraft" auf "World of Warcraft": Das neue Spiel von Sony soll den Thron der Multiplayer-Rollenspiele erobern. Bei "Silent Enemy" verarbeitet der Chefentwickler seine Erfahrungen als gemobbter Teenager. Und auch der Held der "Witcher"-Reihe kehrt zurück. Vier weitere Neuheiten im zweiten Teil des Gamescom-Blog.

Von Matthias Huber, Köln

Microsoft und Sony, Electronic Arts und Activision: Auf der Gamescom in Köln, der weltgrößten Computerspielmesse, versammelt sich in dieser Woche jeder, der in der Branche was zu sagen hat. Es geht um die neuen Spielkonsolen Playstation 4 und Xbox One und die großen Blockbuster wie "Call of Duty", aber auch unbekanntere Spiele werden hier erstmals den etwa 275.000 Besuchern vorgestellt. Die interessantesten Titel im Überblick (für die Vorstellung der Spiele "Watch Dogs", "Mad Max", "Assassin's Creed 4", "X: Rebirth", "Diablo 3: Reaper of Souls" und "Rocksmith 2014" hier entlang).

Everquest Next

"Minecraft" trifft auf "World of Warcraft": Bei Sony Online Entertainment ist man es offenbar leid, dass Multiplayer-Rollenspiele (MMORPGs) immer nur die eine oder andere Variation des bewährten Dungeons-and-Dragons-Spielprinzips darstellen. Also muss endlich etwas Neues her, um "World of Warcraft" mit seinen immer noch über sieben Millionen Abonnenten vom MMORPG-Thron zu stoßen. "Everquest Next" soll diese neue Impulse bringen.

Dabei ist keine der vorgestellten Ideen für sich genommen neu. Man habe das Reisen und Herumlaufen etwas spannender machen wollen, heißt es vom Anbieter, also vollführen die Figuren jetzt allerlei artistische Kunststückchen - ein wenig Freerunning- und Parcours-Elemente. Der Spieler wird nicht mehr in seiner gewählten Charakterklasse feststecken. Bislang war es in MMORPGs üblich, dass man eine neue Figur spielen musste, wenn man seinen Magier zum Krieger umschulen wollte. Bei "Everquest Next" sind nach und nach alle Fähigkeiten erlernbar, mit ein und demselben Helden. Schon vor einem Jahr machte "The Secret World" vor, wie ein Rollenspiel ohne Charakterklassen aussehen könnte.

Es soll außerdem weltumspannende Missionen geben, an denen sich Hunderte Spieler beteiligen und die mehrere Wochen dauern. Zum Beispiel, um in der Fantasy-Welt eine neue Stadt zu errichten. Dafür müssen Materialien herangeschafft werden und der Baugrund gegen Ork-Überfälle verteidigt werden. Anschließend gibt es eine neue Stadt, offen auch für all jene Spieler, die sich bisher nicht an ihrer Erbauung beteiligt haben. Blizzard zeigte bereits in frühen "World of Warcraft"-Tagen, wie solche Massen-Missionen ablaufen. Und dass auch "Everquest Next" vom üblichen Fantasy-Kreaturen-Arsenal wie Elfen, Zwerge, Orks und Goblins bevölkert werden wird, versteht sich von selbst.

Neu ist höchstens, dass diese Ideen erstmals in einem Spiel zu vereint werden und derWeg, den "Everquest Next" dabei geht. Die ganze Welt soll zerstörbar sein, unter den Zaubersprüchen der Spieler und der wuchtigen Schläge der Monster zerbersten und in sich zusammenbrechen. Diese Trümmer geben den Blick frei auf andere Welten wie unterirdische Höhlen, die erst freizulegen sind. Und was zerstört werden kann, kann auch neu geschaffen werden.

Dafür bringt Sony Online Entertainment bereits in diesem Jahr "Everquest Next Landmark" auf den Markt. "Everquest Next" selbst erscheint frühestens 2014. ""Landmark" ist eine Art "Minecraft" für "Everquest". Spieler bevölkern die rohe, ungeschliffene Welt und errichten darin alles, was ihnen gefällt. Prunkvolle Schlösser oder verlassene Tempel. Ihre Kreationen können sie anderen Spielern anbieten, gegen bares (und echtes) Geld. Und die besten Gebäude und Landschaftsmerkmale möchte Sony schließlich in "Everquest Next" übernehmen. Ein Spiel, um ein anderes Spiel zu bauen. Das ist tatsächlich so noch nicht versucht worden. "Wir haben wirklich überhaupt keine Ahnung, was die Spieler machen werden", sagt Everquest-Chefentwickler Dave Georgeson. "Aber wir können es kaum erwarten, in all diesen Schöpfungen zu stöbern."

Silent Enemy

Man merkt, dass es für Ruben Farrus ein sehr persönliches Anliegen ist. Der Chefentwickler von "Silent Enemy" verarbeitet in seinem Spiel seine eigenen Erfahrungen, die er als Teenager gemacht hat - als Opfer von "Bullys", also Schulhof-Rabauken, die ihm unter Androhung von Prügel sein Pausengeld abgenommen haben.

Was auf den ersten Blick wie ein etwas moralinsaures Therapie-Spiel klingt, ist auf den zweiten Blick ein mutiges Experiment. Der Spieler steuert einen Jungen, der sich durch eine Winterlandschaft bewegt, auf der Suche nach dem Frühling. Dabei löst er ein paar Rätsel und freundet sich mit Hasen und Bären an. Und wird bedrängt von Krähenmenschen, die ihn terrorisieren.

"Gib uns dein Geld", herrschen sie ihn an, und haben sich zu dritt um ihn postiert. Der Spieler muss wählen, auf "Zahlen" oder "Nicht zahlen" klicken. Und, entscheidet er sich entsprechend, dann echtes Geld bezahlen.

Es ist so eine Sache mit Spielen, die nichts kosten. Das Etikett "Free to Play", das solchen Produkten in der Regel angeheftet wird, heißt nur, dass das grundsätzliche Spiel umsonst ist, aber für allerlei Zusätzliches und Wünschenswertes Geld fällig wird. Nur verkauft "Silent Enemy" nichts Wünschenswertes. Wenn man die Krähenmenschen-Bullys bezahlt, bekommt man dafür kaum etwas. Ja, sie lassen einen erstmal in Ruhe, aber es ist dennoch eine Niederlage, die der Spieler hinnehmen muss. Aber: Es trägt das Rollenspiel ein Stück weit in die reale Welt.

"Uns ist klar, dass das für den Spieler ein frustrierendes Erlebnis ist", sagt Farrus. "Aber genau darum geht es ja. Das, wofür diese Ereignisse im Spiel stehen, ist frustrierend. Es hinterlässt Narben, und man muss lernen, wie man damit umgeht." "Silent Enemy" übernimmt also die Rolle des Bullys. Und der Spieler wird irgendwann erkennen, dass er diesem Bully nicht gewachsen ist. Dann muss er selbst um Hilfe bitten. Indem er "Help me" eintippt.

Hearthstone – Heroes of Warcraft

Eines muss man Blizzard lassen. Sie verstehen es wie kaum ein zweites Studio, Spiele zu entwickeln, die einen auf Jahre beschäftigen. Die, das muss man ehrlich zugeben, ein wenig süchtig machen. Ob "World of Warcraft" oder "Diablo", das Prinzip ist immer das gleiche: Zuckerbrot und Peitsche. Der Spieler muss entweder sehr viel Glück haben oder sehr viel Zeit in das Spiel stecken, um Erfolg zu haben. Wie eine Tombola, bei der man für jede Niete immerhin ein kleines Puzzleteil vom Hauptpreis bekommt. Dieses Prinzip treibt "Hearthstone - Heroes of Warcraft" jetzt auf die Spitze.

"Hearthstone" ist ein Sammelkartenspiel, mit digitalen statt gedruckten Spielkarten. Die Spieler bauen sich aus allen Karten, die sie besitzen, einen Stapel zusammen, mit dem sie das bevorstehende Duell online gegen einen anderen Spieler bestreiten. Sie mischen den Stapel, ziehen Karte um Karte und schicken die darauf abgebildeten Monster und Kreaturen in den Kampf. Orks und Goblins, Moonkins und Murlocs: Blizzards "Warcraft"-Universum liefert mehr als genug Fantasy-Stoff, um die 300 virtuellen Karten des Grundspiels zu bestücken.

"Magic - The Gathering" heißt das Vorbild, der populärste Vertreter (realer) Sammelkartenspiele. Und wie bei "Magic" ist es auch bei "Hearthstone" mit dem Grundspiel nicht getan. Das ist nur der Grundstein, den es obendrein gratis gibt. Bezahlen müssen die Spieler erst, wenn sie besser werden wollen und stärkere Karten brauchen. Ein sogenanntes "Booster Pack", das aus fünf zufällig ausgewählten Karten besteht, soll einen Dollar kosten. Ob darunter nützliche Karten sind, entscheidet nur das Glück des Spielers. Sonst muss eben noch eine Packung gekauft werden. Das ist ein Geschäftsmodell, mit dem "Magic" seit Jahrzehnten sehr erfolgreich ist.

Immerhin: Blizzard wäre nicht Blizzard, wenn nicht auch die nutzlosen Karten zu etwas zu gebrauchen wären. Man kann die zugekauften Karten, wenn man sie nicht braucht, entzaubern - also unwiederbringlich zerstören. Dafür erhält man aber "Arkanstaub", eine Währung, mit der man weitere Karten dazukaufen kann. Nur wird der Staub einer zerstörten Karte umgerechnet gewiss weniger als 20 Cent wert sein.

The Witcher 3: Wild Hunt

Ein paar heruntergekommene Gestalten am Wegesrand. Sie tragen die Uniform irgendeines Landesfürsten. Einer von ihnen wirft gerade eine Seilschlinge über den Ast eines knorrigen Baums. Die Frau, die sich gerade noch verzweifelt gegen den festen Griff eines anderen wehrt, soll wohl bald daran aufgehängt werden. Ein Reiter kommt an, wirft dem Anführer den Kopf einer Kreatur vor die Füße, und lässt sich dafür mit einem Münzbeutel bezahlen. Dann reitet er weiter, während hinter sich die Frau um ihr Leben fleht. Der Reiter hält an, steigt ab. "Das hier geht dich nichts an", ruft einer der Schläger. Es sind seine letzten Worte.

Geralt von Rivia, der knorrige und wahrlich nicht angenehme Held der "Witcher"-Reihe kehrt zurück. "The Witcher 3: Wild Hunt" heißt der neue Titel, der für PC, Playstation 4 und Xbox One erscheinen soll. Und dessen frühe Demoversion, die auf der Gamescom in Köln gezeigt wurde, schon unter Beweis stellt, was die Spiele der polnischen Entwickler CD Projekt seit dem ersten "Witcher" auszeichnet: Die Liebe zum Detail.

Das fängt schon beim subtil eigenwilligen Grafikstil an. Was auf den ersten Blick wie ein weiterer Versuch aussieht, dem Fotorealismus möglichst nahe zu kommen, offenbart bei näherem Hinsehen Mut zur Künstlichkeit. Der Blick, den Geralt in die Landschaft richtet, reicht weit. Und was er da sieht - die fernen Küstenlinien und Silhuetten weit entfernter Dörfer, die undurchdringliche Baumreihe eines dichten Waldes, dessen Gipfel vom tobenden Sturm hin- und hergepeitscht werden - sieht meist ein bisschen wie gemalt aus. Wie das Kulissenbild in einem alten Film. Und dennoch nie wie ein Fremdkörper in dieser Welt, die schon in ihrer frühen Fassung bemerkenswert organisch wirkt. Aus den Holzhütten steigt Rauch auf, ihre Bewohner gehen auf den matschigen Wegen ihrem Tagwerk nach. Und wenn der Spieler als Geralt zwischen ihnen hindurchreitet, dann wirken sie so, als würden sie immer dort stehen, und nicht nur dann vom Computer platziert werden, wenn der Spieler die Szenerie betritt.

Auch das grausame Treiben der Monsterhatz spielt sich nicht nur oberflächlich ab. In der gezeigten Szene soll Geralt ein Dorf von einem bösen Waldgeist befreien. Ein wenig Spurensuche im Wald bringt die Erkenntnis, dass die Schläge dieses Monsters wohl viel zu hart sind, um mit einer Waffe pariert werden zu können. Und dass das Monster nach seinem Tod wohl wieder auferstehen wird, da seine Lebenskraft an einen Dorfbewohner gebunden ist und sich aus diesem regeniert. Der Spieler kann jetzt das Monster töten und die Belohnung kassieren. Oder er findet die infizierte Person im Dorf und liefert sie aus - und tauscht ein unschuldiges Leben gegen die längerfristige Sicherheit.

Es gibt einen Grund, warum die "Witcher"-Reihe unter Fans von Computer-Rollenspielen so beliebt ist. Sie ist altmodisch. Ihre Geschichten sind die Fantasy-Gegenstücke eines harten Krimis. So schön die Spiele aussehen, so beeindruckend ihre Grafikeffekte auch sind - all dieses Blendwerk ordnet sich komplett dem Spiel unter. Für das Team hinter "The Witcher " sind all diese Dinge nur Werkzeuge, um eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die den Spieler wohl viele Stunden beschäftigen wird. Die Spielwelt von "The Witcher 3: Wild Hunt" soll 35 Mal so groß sein wie diejenige des zweiten Teils. Und überall lauern Monster.

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