Gamescom Köln:Computerspiel mit Oscarbesetzung

Beyond: Two Souls

Eine Szene aus "Beyond: Two Souls".

(Foto: Sony)

Batman schlägt sich zum dritten Mal durch Gotham City, "The Elder Scrolls" wird zum Online-Rollenspiel und Ellen Page und Willem Dafoe sind die Hauptdarsteller in "Beyond: Two Souls". Die Neuheiten der weltgrößten Spielemesse in Köln im Gamescom-Blog.

Von Matthias Huber, Köln

Microsoft und Sony, Electronic Arts und Activision: Auf der Gamescom in Köln, der weltgrößten Computerspielmesse, versammelt sich in dieser Woche jeder, der in der Branche etwas zu sagen hat. Es geht um die neuen Spielkonsolen Playstation 4 und Xbox One und die großen Blockbuster wie "Call of Duty", aber auch unbekanntere Spiele werden hier erstmals den etwa 275.000 Besuchern vorgestellt. Die interessantesten Titel im Überblick. Hier die Vorstellung der Spiele "Watch Dogs", "Mad Max", "Assassin's Creed 4", "X: Rebirth", "Diablo 3: Reaper of Souls" und "Rocksmith 2014" hier entlang, zu "Everquest Next", "Silent Enemy" und "Heartstone - Heroes of Warcraft".

The Elder Scrolls Online

Immerhin gibt es keine leuchtend gelben Fragezeichen, die über den Köpfen mancher Nichtspielerfiguren schweben. Als Molla, eine in Lumpen gekleidete Frau, im Zickzack auf die Figur des Spielers zurennt, zieht dieser erst einmal vorsichtshalber seine Waffe. Sie könnte ja einer der zahllosen Banditen-Banden angehören, die sich auf dieser kleinen Insel vor Skyrims Küste niedergelassen haben. Doch dann beginnt sie, aufgeregt auf den Helden einzureden.

Auf dieser kleinen Insel spielen sich die ersten Stunden im Leben eines Helden von "The Elder Scrolls Online" ab. Eine dieser klassischen Startgegenden, wie man sie aus Online-Rollenspielen (Massively Multiplayer Online Role Playing Games, kurz MMORPGs) wie "World of Warcraft" zur Genüge kennt. Es gibt hier einen kleinen, heruntergekommenen Militär-Außenposten, ein paar Banditen-Banden und für den Spieler verhältnismäßig harmlose Wildtiere. Wölfe, zum Beispiel. Jede Menge Wölfe. Genau das richtige, um den ersten Umgang mit dem virtuellen Schwert zu üben.

Außerdem hat irgendein Fluch die Freunde von Molla befallen, und sie in "Skeever", Biber-ähnliche Viecher, verwandelt. Ob man sie nicht retten könne, fragt sie den Spieler. Die unglücklichen Gestalten sind auf der ganzen Insel verstreut, die Fußwege dauern jeweils ein paar Minuten - und werden immer wieder von lästig knurrenden Wölfen, derer sich der Spieler zu entledigen hat, unterbrochen. Bei einem der Skeever angekommen, genügt ein Mausklick, und er verwandelt sich zurück. Bedankt sich artig. Erklärt aber auch nicht, warum sich dafür jetzt ausgerechnet der Spieler auf den Weg machen musste. Es wird doch auch noch andere Helden hier geben.

Vom Feinsten

Kurz: "The Elder Scrolls Online" ist wesentlich näher an einem gewöhnlichen MMORPG als an einem Rollenspiel im "Elder Scrolls"-Universum. Die Missionen bieten - zumindest in der einstündigen Demo, die es auf der Gamescom in Köln anzuspielen gab - Genre-Standardkost, notdürftig in kleine Geschichtchen verpackt. Schnell stellt sich eine mechanistische Spielweise ein, bei der man mit seiner Figur nur noch die auf der Übersichtskarte markierten Punkte abläuft und zwischendrin gelegentlich das Schwert schwingt, von der ineffizienten Unterbrechung eher genervt als amüsiert.

Allerdings ist zu bedenken, dass "The Elder Scrolls Online" frühestens Anfang 2014 erscheinen soll. Mehr als genug Zeit, um am Design der Missionen noch viel zu verbessern. Und die Fülle an Aufgaben, die offene Welt, die Vielzahl an Nichtspielerfiguren: All das ist "Elder Scrolls" vom Feinsten, und lädt zum hemmungslosen Erkunden und Sich-Verlieren in einer gewaltigen Fantasy-Welt ein. Aber um diese Stärken hervorzuheben, muss noch einiges passieren.

Im jetzigen Zustand des Spiels stellt sich dagegen schnell Ratlosigkeit ein. Warum sollte man das spielen? Wozu ein Multiplayer-Spiel, wo doch "Skyrim" schon all die "Elder Scrolls"-Stärken in einem wunderbaren Einzelspielermodus vorführt. Und die MMORPG-Spielelemente, die "Elder Scrolls Online" einsetzt, stammen noch aus den "World of Warcraft"-Anfangstagen von vor mittlerweile acht Jahren. Sie wirken heutzutage nur noch wie billige Tricks, um das Spielerlebnis unnötig in die Länge zu ziehen und den vorhandenen Inhalt zu strecken. Blizzard hat sie aus gutem Grund schon vor Jahren aus "World of Warcraft" entfernt.

Batman: Arkham Origins

Batman ist nicht gleich Batman. Da gibt es den aus dem Kino, gespielt von Christian Bale. Er ist eher hager und athletisch. Wenn er von seinen nächtlichen Streifzügen als dunkler Ritter Gotham Citys zurückkehrt, dann hat er blaue Flecken und Wunden. Und die Gestalten, mit denen er sich rumschlägt, sind zwar Schwerverbrecher - aber doch fest in der Realität verankert. Und dann gibt es den Batman aus den gleichnamigen Computerspielreihe, die vor einigen Jahren mit "Batman: Arkham Asylum" begann

Er ist groß und breitschultrig, ein rechter Schrank. Sein Gotham City, die Stadt, in der er lebt, ist ein neon-gothischer Albtraum aus Graffitti und Industrieruinen. Und überall wimmelt es von Verbrechern: Bunt maskierte Schlägertrupps von ähnlicher Statur wie der Titelheld, die nur darauf warten, sich mit der Spielfigur Straßenkämpfe zu liefern. Und die Schurken, die bekannten Figuren aus dem Batman-Universum, sind verrückte Wissenschaftler und Mutanten. Und trotzdem gehören die beiden bisherigen Batman-Spiele "Arkham Asylum" und "Arkham City" zum Besten, was auf der aktuellen Konsolengeneration erschienen ist

"Arkham Origins" ist das dritte Spiel in dieser Reihe. Wie schon seine Vorgänger agiert Batman meist aus dem Schatten. In Fabrikhallen und alten Gemäuern versteckt er sich im Dachgebälk und schaltet die Gegner einzeln im Schutz der Dunkelheit aus. Oder er stürzt sich in den Kampf, reiht Faustschläge und Fußtritte zu immer stärkeren Kombinationen aneinander und weicht dazwischen immer wieder den Knüppeln und Messern der Angreifer aus. Das zwar einsteigerfreundliche, aber auf den zweiten Blick überraschend komplexe Kampfsystem, der sogenannte "Freeflow-Combat", war schon einer der Höhepunkte in den Vorgängern, und wirkt in "Arkham Origins" noch etwas raffinierter.

Aber es bleibt ein wenig die Frage, wozu es wirklich ein neues Spiel braucht. "Batman: Arkham Asylum" und "Arkham City" haben seinerzeit so ziemlich alle Preise abgeräumt, die es abzuräumen gab. Da ist es selbstverständlich, dass auch der dritte Teil nur noch in Nuancen vom bewährten Prinzip abweichen wird - und den Entwicklern auch kaum vorzuwerfen. "Arkham Origins" liefert mehr vom selben, und das ist auch gut so. Wer die Vorgänger mochte, wird auch von Batmans Anfangsjahren nicht enttäuscht werden. Nur spielerische Innovationen sehen anders aus.

Talisman

Die Vorlage stammt schon aus dem Jahr 1983, aber ist unter Fantasy-Fans heute noch Kult. Im Brettspiel "Talisman" jagen bis zu vier verschiedene Helden mit Pfeil und Bogen, Schwertern und Magie nach einem Schatz, und treffen dabei auf allerlei Monster und Fallen. Sie sammeln Ausrüstungsgegenstände in Form von Spielkarten, und duellieren sich per Würfelwurf. Und ab Ende dieses Jahres passiert all das auch auf dem PC.

Eigentlich können Computerspiele ja mehr als ein Brettspiel. Die Spielregeln verschwinden hinter einer lebendig gestalteten Welt voller handelnder Figuren, und all das erscheint in bestechender Grafik und mit spektakulären Effekten auf dem Bildschirm. Für "Talisman" aber ist die Reduktion Programm. Der Computer übernimmt kaum mehr als die Rolle eines Schiedsrichters, der den Spielablauf verwaltet. Wie effektiv das ist, zeigt folgender Vergleich: Ein Spiel der Pappvariante von "Talisman" kann durchaus drei oder vier Stunden dauern, die digitale Version kommt dagegen mit 45 bis 60 Minuten aus - ohne die komplexen Spielregeln zu kürzen.

Es wird nicht einmal nötig sein, sich mit seinen Freunden zu einer Partie "Talisman" zu verabreden. Es lässt sich sowohl mit mehreren Teilnehmern am selben PC spielen, als auch via PC, Tablet oder Smartphone online. Und selbst dafür müssen nicht alle Mitspieler gleichzeitig mitmachen. Ähnlich wie beim Briefschach lassen sich auch mehrere Partien parallel starten. Jedes Mal, wenn alle anderen ihren Zug ausgeführt haben, und man wieder an der Reihe ist, erhält man eine Benachrichtigung - das kann auch ein paar Stunden später sein.

Zwar kann der Computer auch bis zu drei Mitspieler steuern, doch "Talisman" will gar nicht so sehr das Gemeinschaftserlebnis eines Gesellschaftsspiels ersetzen. Im Gegenteil: Für Don Whiteford, Chef des verantwortlichen Entwicklerstudios Nomad Games, ist "Talisman" nur der Anfang. "Wir wollen niemandem einen gemütlichen Abend mit Freunden und ein paar Bier wegnehmen", sagt er. "Aber wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, einfacher und deshalb auch öfter ihre Lieblingsspiele zu spielen."

Deshalb hat Nomad Games sich bei der Entwicklung nicht nur darauf konzentriert, "Talisman" umzusetzen. Sondern ein modulares System entwickelt, in dem die Spielregeln eines Brettspiels "ziemlich leicht" umzusetzen sind. Im Fall von "Talisman" war das auch nötig - acht Erweiterungspakete sind für die Papierversion bereits erschienen. Und sie alle sollen in den kommenden zwei Jahren auch ihren Weg in die digitale Variante finden.

Beyond: Two Souls

Wo hört Film auf, und wo fängt Spiel an? Reicht es, wenn es eine Reihe vorab aufgenommener Sequenzen zu sehen gibt, und der Spieler gelegentlich dazu aufgefordert wird, einzelne Knöpfe zu drücken? Anfang der 90er Jahre, als die CD-Rom als Datenträger immer verbreiteter wurde, gab es eine Reihe solcher Spiele. Die "interaktiven Filme" betteten mit echten Schauspielern gedrehte Filmszenen in das Spielerlebnis ein, oder bauten es sogar ausschließlich daraus auf. Nur taugte das Ergebnis in der Regel weder als Film noch als Spiel.

Wie weit das Genre seitdem gekommen ist, zeigt "Beyond: Two Souls". Die Oscar-nominierten Schauspieler Ellen Page ("Juno", "Inception") und Willem Dafoe ("Spider-Man", "Der englische Patient", "Die letzte Versuchung Christi") verleihen den Hauptfiguren Stimme und Aussehen, und sogar ihre Gesichtsregungen wurden digital erfasst und auf die Spielfiguren übertragen. Und der Spieler greift, so scheint es auf den Blick, nur marginal mit einzelnen Knopfdrücken in das filmische Geschehen ein.

Doch hinter "Beyond: Two Souls" steckt mehr Spiel, als direkt ersichtlich ist. Wenn mal wieder auf dem Bildschirm die Aufforderung erscheint, einen bestimmten Knopf zu drücken, dann befindet sich der Spieler an einer von hunderten Weggabelungen, die in die Handlung eingewoben sind. Ist man mit dem Knopfdruck ein wenig zu spät, mag die Geschichte bereits einen jäh anderen Verlauf nehmen. Und auch die Kampfszenen, in denen man auf die Richtung herankommender Schläge zu reagieren hat können weit vielfältiger als nur in Sieg oder Niederlage enden.

"Beyond: Two Souls" wirkt bereits in den zwei Sequenzen, die vorab anspielbar waren, wesentlich komplexer als es die simple Mechanik vermuten lässt. Nur: Dieser Eindruck ist auch der Tatsache zu verdanken, dass auf der Gamescom neben der eigenen Playstation eine weitere steht, auf der ein weiterer Spieler "Beyond: Two Souls" ausprobiert. Dort findet eine ganz andere Handlung statt. Jede Entscheidung hat Gewicht. Aber wird "Beyond: Two Souls" das auch vermitteln können, wenn man nicht gleichzeitig im Augenwinkel die Alternative sieht?

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