Gamescom 2017:Gemeinsam Schwitzen im Cyberspace

Gamescom 2017: Mittendrin statt nur vorm Bildschirm: Mit Virtual-Reality-Brillen können Nutzer wie diese Gamescom-Besucherin in Spielewelten eintauchen.

Mittendrin statt nur vorm Bildschirm: Mit Virtual-Reality-Brillen können Nutzer wie diese Gamescom-Besucherin in Spielewelten eintauchen.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Viele Entwickler schicken Spieler gemeinsam in die virtuelle Realität. Unsere Autoren haben vier Konzepte ausprobiert und wissen jetzt, dass Computerspiele echter Sport sein können.

Von Caspar von Au und Matthias Huber, Köln

Der große Hype um Virtual Reality (VR) mag vorbei sein. Auf der Gamescom sind die entsprechenden Stände dieses Jahr zwar nicht weniger geworden, aber kleiner und unauffälliger. Trotzdem stellen sich Besucher für einen Kurzbesuch unter dem Headset stundenlang in die Schlange. Vor allem sind es die Spieleentwickler, die unermüdlich weiter mit VR experimentieren. Sie verbessern die Technologie stetig, immer mehr Spiele erscheinen für die drei großen Plattformen Oculus Rift, HTC Vive und Playstation VR.

"Einfach zusammen spielen", lautet das Motto der Gamescom 2017. Das passt zu VR. Vor allem die Interaktion mit anderen Spielern könnte in Zukunft eine große Rolle in der virtuellen Realität spielen. VR als soziales Erlebnis - vor allem Oculus-Manager Jason Rubin glaubt, dass dieser Anwendungsbereich der Wichtigste sein wird. Kein Wunder: Die Vorstellung, seinen Freunden und Bekannten im Cyberspace scheinbar körperlich gegenüberzustehen, fasziniert die Science-Fiction seit Jahrzehnten.

Wir haben auf der Gamescom vier VR-Spiele ausprobiert, bei denen der Mehrspielermodus im Fokus steht. Unser Fazit: In der virtuellen Realität funktioniert nicht unbedingt das am besten, was auf den ersten Blick am vielversprechendsten aussieht.

Space Junkies (Oculus Rift, HTC Vive)

Gamescom 2017: Ego-Shooter im Weltraum - ganz ohne VR-Übelkeit: "Space Junkies" von Ubisoft

Ego-Shooter im Weltraum - ganz ohne VR-Übelkeit: "Space Junkies" von Ubisoft

(Foto: Ubisoft / PR)

Ubisoft experimentiert besonders viel mit der neuen Darstellungsform. Neben dem Horror-Adventure "Transference" sticht "Space Junkies" hervor. Dabei löst das Spielkonzept Zweifel aus: ein rasantes Team-Deathmatch wie in "Quake" oder "Unreal", aber in VR? Für alle, die das rasende Tempo der Vorbilder kennen und erlebt haben, wie Ausflüge in die virtuelle Realität Übelkeit auslösen können, klingt das nach einer Horrorvorstellung.

Aber der erste, vorsichtige Versuch zeigt: Ubisoft hat in den vergangenen Jahren dazugelernt. Auch nach zwanzig Minuten geht es Kopf und Bauch bestens. Das wurde nicht mit reduzierter Komplexität oder lahmem Tempo erkauft. Der Spieler schwebt schwerelos und frei in alle Richtungen durch die kugelförmige Arena. Mit einem Raketenantrieb auf dem Rücken des Raumanzugs kann er kurzzeitig ordentlich Gas geben. Nur die Drehungen nach rechts und links erfolgen nicht stufenlos, sondern in etwa 30-Grad-Schritten. Ansonsten muss Space Junkies keinerlei offensichtliche Zugeständnisse an das neue Medium machen.

Die Gamescom-Demo zeigt die Tugenden guter Online-Shooter: Die Bewegungssteuerung mit den Oculus-Touch-Controllern ist intuitiv. Waffen zieht man aus den Holstern an der linken und rechten Hüfte, ein Lichtschwert - pardon: Solarschwert - aus einer Halterung über der rechten Schulter. Zeigen, Zielen, Abdrücken und Schütteln zum Nachladen, alles erschließt sich wie von selbst.

Und doch verbirgt sich selbst in der rudimentären Spielfassung schon viel Tiefe, sei es durch unterschiedliche Waffen, sei es durch die Tatsache, dass man seinem Teamkollegen Waffen übergeben kann, wenn man vorher die Befestigung vom eigenen Raumanzug löst. Das Ergebnis mag kein neues Spielkonzept sein. Aber es zeigt, dass sich eine bewährte Idee wie ein rasanter und spektakulärer Mehrspieler-Egoshooter auch in VR übertragen lässt - offenbar sogar, ohne um das Mittagessen fürchten zu müssen.

"Space Junkies" erscheint voraussichtlich Anfang 2018 für Oculus Rift und HTC Vive.

Skyworld (Oculus Rift, HTC Vive)

Screenshot Gamescom 2017 Skyworld

Brettspiel-Gefühl als Echtzeit-Strategie: Das VR-Spiel "Skyworld"

(Foto: Vertigo Games / PR)

Die Erde in "Skyworld" ist eine Scheibe, eine recht kleine dazu. Zwei Königreiche konkurrieren um den begrenzten Platz. Regiert werden sie von jeweils einem schwebenden Kopf (mit Krone) und einem schwebenden Händepaar - so werden die Spieler dargestellt. Sorgfältig planen und bauen die zwei Spieler ihr Reich auf, um den Gegner anschließend auf dem Schlachtfeld vernichten zu können. Ein bisschen wie "Die Siedler von Catan", ein bisschen wie "Civilizations": Das Spiel kombiniert rundenbasierte und Echtzeit-Strategie, Brettspiel-Charme mit klassischen Videospiel-Elementen. Und das Konzept geht wunderbar auf.

Zwar kann der vom Spieler gesteuerte Avatar nicht laufen, dafür aber den Tisch mit der Hand greifen und drehen, um alle Ecken des Spielfelds zu begutachten. Clevere Kniffe wie diese ziehen sich durch das ganze Spiel. Nur selten drückt man Knöpfe auf den Controllern. Um ein neues Schwert zu schmieden, muss der Spieler selbst anpacken. Seine Spielfiguren zieht er mit der Hand über das Spielfeld. Skyworld ist kein Spiel, das einen mit aufwendiger Grafik zum Staunen bringt - dafür aber mit seiner ungewöhnlichen und doch intuitiven Steuerung.

"Skyworld" erscheint voraussichtlich bis Ende 2017 für Oculus Rift und HTC Vive.

Bravo Team (PSVR)

bravo team gamescom

Eine Szene aus dem VR-Spiel "Bravo Team"

(Foto: Sony Interactive Entertainment / PR)

Hinter den Autowracks lauern vermummte Gestalten. Der Spieler steht auf, begibt sich für einen kurzen Moment aus seiner Deckung und feuert eine Salve auf die Sturmhaube vor sich. Der Terrorist sinkt zu Boden. In dem Koop-Shooter "Bravo Team" bekämpfen sich zwei Spieler als Soldaten einer Antiterroreinheit über eine Brücke. Alle Gegner müssen erschossen werden, so lautet der Befehl. Der sogenannte VR-Aim-Controller soll ein Gewehr simulieren, das Erlebnis noch realistischer machen.

Das gelingt mit Bravo Team überhaupt nicht. Weil der Spieler nicht selbst laufen kann, bewegt er sich per Knopfdruck von Deckung zu Deckung, von Autowrack zu Autowrack vorwärts. Aufstehen, Gegner erschießen, nächste Deckung. Das lineare Spielprinzip langweilt schon nach wenigen Sekunden.

Das Spiel profitiert nicht von der virtuellen Realität, vielmehr krankt es daran. Im Gegensatz zu anderen VR-Spielen gibt es in Bravo Team nichts, was man erkunden könnte. Die umständliche Steuerung macht die Immersion vollends kaputt. Einzig die Kommunikation zwischen den beiden Spielern bietet zumindest eine interessante taktische Komponente. Es bleibt zu hoffen, dass Entwickler Supermassive Games bis zur Veröffentlichung noch deutlich nachbessert.

"Bravo Team" erscheint voraussichtlich bis Ende 2017 exklusiv für Playstation VR.

Sparc (PSVR)

´Sparc" ist schweißtreibender Sport in virtueller Realität

´Sparc" ist schweißtreibender Sport in virtueller Realität

(Foto: dpa-tmn)

Das ungewöhnliche Spiel dürfte all jene Eltern freuen, die ihre zockenden Kinder gerne häufiger auf dem Sportplatz sähen. Und es könnte einige Skeptiker verstummen lassen, die behaupten, dass Computerspiele kein Sport seien. Denn wer sich in ein "Sparc"-Duell wagt, schlüpft besser vorher in Trainingsklamotten.

Man muss sich Sparc als eine Art Völkerball im Universum des Disney-Films "Tron" vorstellen. Zwei Spieler stehen sich in einer korridorförmigen Duell-Arena gegenüber. Jeder Spieler bekommt einen Ball, den er mit den Bewegungscontrollern greifen, fangen und auf seinen Gegner werfen kann. Schießt er den Gegner ab, gibt es einen Punkt. So lang man den eigenen Ball in der Hand hält, ist auf dem Handrücken ein Schild verfügbar, mit dem man das gegnerische Geschoss abwehren kann. Ist der eigene Ball gerade unterwegs, muss man stattdessen ausweichen oder versuchen, den gegnerischen Ball mit einem Faustschlag abzuwehren.

Klingt einfach? Ist es auch - zumindest das grundsätzliche Prinzip. Allerdings zeigt sich schnell, dass viel taktisches und körperliches Geschick erforderlich ist. Bälle können beim Werfen beispielsweise mit einem Spin versehen werden, der sie von den Wänden des Arena-Korridors in unerwartete Richtungen abprallen lässt. Und dann kommt noch die eigene Kondition als zusätzliche Herausforderung hinzu. Ob Sparc nach vielen Stunden noch abwechslungsreich genug ist, erscheint nach dem ersten Spielen zweifelhaft. Zumindest zeigt es: Auch Online-Computerspiele können, VR sei Dank, echter Sport sein.

"Sparc" erscheint am 29. August exklusiv für Playstation VR.

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