Süddeutsche Zeitung

Cloudprojekt Gaia-X:Eine Göttin soll Europas Daten schützen

  • Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam das europäische Cloud-Projekt Gaia-X vorantreiben.
  • Dabei gehe es jedoch nicht darum, eine direkte Konkurrenz zu den Cloud-Riesen Microsoft, Amazon und Google aufzubauen, sagen die Beteiligten.
  • Die europäische Wolke soll stattdessen eine Cloud-Infrastruktur aus kleineren und mittelgroßen Cloud-Anbietern werden, die über einen gemeinsamen Standard verbunden werden.

Von Jana Stegemann, Dortmund

Es ist das Prestigeprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums und daher hat es einen großen Namen bekommen: Gaia-X. Dahinter steht die Vision für einen europäischen Cloudservice, der Daten souverän sichern soll - unabhängig von amerikanischen Konzernen. Noch befindet sich das ehrgeizige Projekt zwar in der Planungsphase, schon Ende 2020 soll aber der Livebetrieb mit ersten Firmen starten. Aktuell ist jedoch noch Vieles ungeklärt, wie sich auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Dortmund zeigte.

Gaia, so heißt die personifizierte Erde in der griechischen Mythologie. Anja Karliczek nennt Gaia-X "Peter Altmaiers und mein Baby". Die CDU-Ministerin für Bildung und Forschung steht mittags auf der Bühne, von der Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Morgen heruntergestürzt ist. Eigentlich wollte Altmaier die Pläne für die europäische Datenwolke selbst vorstellen, doch nach seinem schweren Sturz musste der Minister alle Termine absagen. Also redete an Altmaiers Stelle Thomas Jarzombek.

Altmaier stürzt nach Eröffnungsrede

Schock am Dienstagmorgen: Nach seiner Eröffnungsrede stürzt Wirtschaftsminister Peter Altmaier beim Gang von der Bühne. Der Minister fällt auf sein Gesicht. Sofort sind Sanitäter zur Stelle, Helfer schirmen den am Boden liegenden Minister mit schwarzen Tüchern ab. Auf Anweisung der Moderatorin wird der Saal geräumt. Mit dem Rettungswagen wird Altmaier in ein Dortmunder Krankenhaus gebracht. Altmaier bricht sich bei dem Sturz das Nasenbein, erleidet eine Platzwunde am Kopf. Um 16.18 Uhr twittert der Minister schon wieder vom Krankenbett: "Außer Prellungen und Platzwunden offenbar nichts Ernstes! Danke an alle!"

Der Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete ist unter anderem Beauftragter des Wirtschaftsministeriums für die Digitale Wirtschaft und Start-ups. "Mit Gaia-X bauen wir die Startrampe für den KI-Airbus", sagt Jarzombek. Die Abkürzung KI steht für künstliche Intelligenz. Gaia-X soll eine virtuelle Wolke werden, keine echte. In dem Projektpapier wird es als "Wiege eines vitalen, europäischen Ökosystems" bezeichnet. Vor seinem Vortrag habe jemand zu ihm gesagt: "Wenn Daten das neue Öl sind, dann müssen wir langsam anfangen, uns die Finger schmutzig zu machen", so Jarzombek weiter.

US-Cloudfirmen dominieren den Markt

Klar ist: Europäische Firmen spielen zurzeit bei Datenclouds keine Rolle. Die großen, wichtigen Clouds gehören fast alle US-amerikanischen Firmen: Nummer eins im Cloudgeschäft ist Amazon mit einem alleinigen Marktanteil von 33 Prozent, dahinter folgen Google und Microsoft. Gemeinsam dominieren die drei Konzerne den Großteil des Cloud-Marktes. Unzählige deutsche und europäische Firmen sind auf ihre Dienste angewiesen, ja abhängig von ihnen.

Das wollen Deutschland und Frankreich nun ändern und haben sich gemeinsam auf das ebenso ambitionierte wie unkonkrete Projekt Gaia-X geeinigt. Dabei will der Staat aber nicht selbst zum Cloud-Anbieter werden, die europäische Wolke soll stattdessen eine Cloud-Infrastruktur aus kleineren und mittelgroßen Cloud-Anbietern werden, die über einen gemeinsamen Standard verbunden werden. Darauf sollen dann große Konzerne genauso wie Mittelständler und Start-ups Zugriff haben. Wie genau das aussehen soll, was es kosten wird? Ungeklärt. An dem Projekt sind Anwender und Anbieter aus der öffentlichen Verwaltung, dem Gesundheitswesen, von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen beteiligt.

Die Datencloud soll unter anderem die Ressourcen europäischer Firmen bündeln und eine "leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Infrastruktur für Europa" schaffen, heißt es in dem 56-seitigen Projektpapier des Wirtschaftsministeriums. "Die Macht über die Daten in Europa soll nicht mehr in den Händen einiger weniger Konzerne anderswo liegen", sagte Karliczek auf dem Gipfel. "Wir wollen europäische Datensouveranität möglich machen; in einer Welt, in der Daten eine Schlüsselressource sind und die Grundlage für Innovationen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in ihrer Rede: "Das digitale Leben ist kein außerrechtliches Leben, unsere Werteprinzipien müssen weiter gelten." Als Projektteilnehmer sind 85 Menschen namentlich aufgeführt: 79 Männer, sechs Frauen. Die europäische Datenwolke, sie scheint auch 2019 noch überwiegend männlich zu sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4660662
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.10.2019/mxm
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.