Süddeutsche Zeitung

Fünf Jahre Snowden-Affäre:Edward Snowden hat Deutschland verändert

In keinem anderen Land der Welt war die Empörung über die NSA ähnlich groß. Das liegt an deutscher Sensibilität für Datenschutz. Der entscheidende Grund ist aber ein anderer.

Kommentar von Ronen Steinke

Edward Snowden ist Amerikaner. Er hat in Amerika gearbeitet, für einen amerikanischen Geheimdienst. Aber als er diesem Geheimdienst ein paar interne Schulungsunterlagen wegnahm und sie an die Öffentlichkeit brachte, da interessierte das die USA bei weitem nicht so stark wie ein Land, das in diesen Unterlagen eigentlich nur am Rande vorkam: Deutschland.

In keinem anderen Land der Welt hat ein derart großer Anteil der politischen Elite mit Empörung auf Snowdens Enthüllungen reagiert. In keinem anderen Land hat sich die Regierung derart auf Diskussionen über ihre eigenen Fehler eingelassen. Die Snowden-Affäre, wenn man nun mit fünf Jahren Abstand auf ihren Beginn am 6. Juni 2013 zurückblickt, also auf die erste Veröffentlichung im Guardian und der Washington Post, ist am Ende vor allem eine "German affair" geworden: Sie war Gegenstand einer jahrelangen parlamentarischen Aufklärung - in Berlin. Sowie Auslöser einer Geheimdienstreform - in Deutschland.

In den USA, wo die beiden politischen Parteien beim Thema Spionage traditionell zusammenstehen wie eine, ist Washington achselzuckend bis naserümpfend über den jungen Whistleblower hinweggegangen. Der Spionage der NSA wurden keine Grenzen gesetzt, eine kleine Gesetzesänderung der Obama-Regierung im Jahr 2015 verbesserte nur den Rechtsschutz von US-Bürgern. In Großbritannien war es ähnlich: Dort gelobten die Geheimdienste, sich ein bisschen mehr für rechtsstaatliche Kontrollen zu öffnen. Echten Druck übte die Politik nicht aus.

In Deutschland hingegen haben die Regierungsparteien selbst eine Reform vorangetrieben. Sie haben ihren Auslandsgeheimdienst, den im internationalen Vergleich eher kleinen Bundesnachrichtendienst, enger an die Leine genommen, was man durchaus als ein Abstrafen verstehen durfte. In keinem anderen Land der Welt haben sich Snowdens Hoffnungen so weit erfüllt.

Deutsche wollen nicht Vasallen der USA sein

Allein mit der angeblich besonders hohen Sensibilität der Deutschen für Datenschutz ist das nicht zu erklären. Man will nicht Vasall der Amerikaner sein. In den Snowden-Dokumenten meinten viele Deutsche den Beleg dafür zu erkennen, dass Deutschland in der Geheimdienstwelt genau dies weiterhin sei: ein bereitwilliger, ja unterwürfiger Datenlieferant für die NSA, wie es manche empfanden.

Die Snowden-Papiere von 2013 haben der Welt vor Augen geführt, wie gründlich Geheimdienste die weltweite Kommunikation der Bürger durchstöbern. Aber aus Sicht vieler Deutscher zeigten sie auch das angebliche deutsche Duckmäusertum gegenüber Washington. Das hat die politische Debatte hierzulande befeuert. Offen blieb dabei die Frage, ob der deutsche Staat bei seiner Kooperation mit der NSA wirklich als Diener der USA handelte - oder nicht vielmehr als Hilfeempfänger, der regelmäßige freundliche Hinweise auf Terrorpläne bekommt und als Gegenleistung wenig zu bieten hat.

In den USA und in Großbritannien griffen vor allem Liberale und Bürgerrechtler die Snowden-Enthüllungen auf, um daraus politische Forderungen gegen ihre Regierungen zu erheben. Zum Mainstream wurde das nicht, ihre kritische Masse blieb gering. In Deutschland war die politische Resonanz breiter, weil sich aus Snowdens Enthüllungen hier auch ein außenpolitisches Argument münzen ließ: Einen "Verrat" an Deutschland warf der Spiegel auf einer Titelseite deutschen Spitzenpolitikern vor, weil sie sich angeblich zu wenig selbstbewusst gegenüber Amerika verhalten hätten.

Das zog. Aber das hatte mit Datenschutz nicht mehr direkt zu tun.

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