Frog-Design:Der Frosch entwirft Schneewittchen

Die Firma Frog hat das "Snow White" des Apple-Rechners und auch das Windows-Logo für Microsoft XP entworfen. Wie gutes Design gelingt.

H. Martin-Jung

Das Gebäude ist so, wie man sich den Sitz einer Designfirma vorstellt. Ein Teich mit klarem Wasser - "Vorsicht, da wär ich beim ersten Mal fast reingetreten" - im Eingangsbereich, ein Bildschirm im Aufzug zeigt ein Aquarium, sanftes Blubbern dringt aus einem verborgenen Lautsprecher. Über das etwas verwinkelte Treppenhaus geht es in die Büroräume. Nahezu alles ist offen hier, Licht flutet durch das Loft-ähnliche Gebäude gleich hinter dem Bahnhof des Schwarzwaldstädtchens Herrenberg. Die Belegschaft: international, und das ist auch gut so.

Frog-Design: Vor 40 Jahren gründete Hartmut Esslinger die Gestaltungsfirma Frog Design in einer Garage in Altensteig, Schwarzwald. Frog schuf unter anderem das Design der Lufthansa-Flotte und entwickelte die Designsprache für Apple.

Vor 40 Jahren gründete Hartmut Esslinger die Gestaltungsfirma Frog Design in einer Garage in Altensteig, Schwarzwald. Frog schuf unter anderem das Design der Lufthansa-Flotte und entwickelte die Designsprache für Apple.

(Foto: Foto: oh)

Frog Design arbeitet für Kunden aus der ganzen Welt, beispielsweise lassen sich nahezu alle großen Hersteller von Mobiltelefonen von Frog beraten. Und alle haben ähnliche Probleme.

Menschen, die ihre Produkte benutzen sollen, stehen meist ratlos davor, Fahrkarten-Automaten sind ihnen wie Bücher mit sieben Siegeln. Die immer verzweigteren Menüs computerisierter Autos und multifunktionaler Handys machen Menschen das Leben nicht einfacher, sondern zwingen sie dazu, sich den Maschinen anzupassen und nicht umgekehrt. Aber wie macht man es richtig? Was ist das, gutes Design?

Software für ein afrikanisches Krankenhaus

Der Auftrag war eigentlich klar umrissen. Ein Krankenhaus in Südafrika wollte, dass die Software für eine Webseite überarbeitet würde, mit der man Buch führte über Aids-Kranke. "Aber das brauchten die Leute gar nicht", sagt Cees van Dok. Er ist Kreativdirektor bei Frog Design und erzählt, wie am Ende alles ganz anders kam.

Die Teams stellten im Gespräch mit den Verantwortlichen im Krankenhaus fest: Viel mehr würde es nutzen, die Menschen erst überhaupt dazu zu bringen, sich untersuchen zu lassen. Bei weiteren Recherchen kam heraus, dass 64 der 86 Millionen Einwohner Zugang zu einem Handy haben. Also schickte man eine SMS an alle Handybesitzer. Sie enthielt eine Nummer, die man wählen konnte, um einen kostenlosen Rückruf zu erhalten.

Die Zahl der Anrufe bei den Beratungshotlines schoss nach oben. Im nächsten Schritt entwarfen die Designer ein Selbsttest-Kit, das auch Analphabeten problemlos benutzen können. "Hätten wir bloß die Website neu gemacht, hätte es niemandem geholfen", sagt van Dok.

Design ist nicht bloße Verpackungskunst

Seit Anfang der siebziger Jahre Frog-Gründer Hartmut Esslinger als erster Designer überhaupt die Geräte des deutschen Herstellers Wega mit ihren revolutionären Trinitron-Bildröhren in ein futuristisches Kunststoffgehäuse gesteckt und damit den Ruf des Unternehmens begründet hatte, erregte die Firma immer wieder Aufsehen damit, Design nicht als bloße Verpackungskunst zu verstehen, sondern sich auch Gedanken um das gesamte Produkt zu machen. Das hatte zum Beispiel den japanischen Sony-Konzern schwer beeindruckt, der Wega mitsamt Design und Trinitron aufkaufte.

Apple-Chef Steve Jobs war nach Europa gekommen, um Ideen hiesiger Designer für seine neuen Computer zu bekommen, die ersten bezahlbaren Rechner mit grafischer Benutzeroberfläche. Aber was Esslinger ihm vorschlug, war etwas anderes. Das als "Snow White" bekannt gewordene berühmte Apple-Design, das bis heute immer nur variiert, aber nie ganz verlassen wurde, sollte ganz bewusst amerikanisch sein, es sollte kalifornische Leichtigkeit widerspiegeln und den technischen Geräten etwas Freundliches geben.

Jobs war zunächst skeptisch, aber als er in den Ausstellungsraum am Firmensitz in Cupertino kam und die 25 Modelle sah, die Esslingers Leute gebaut hatten, soll er nur noch gesagt haben: "Ja, das ist es."

Auf der nächsten Seite: Wie Frog die geheimen Wünsche der Konsumenten herausfindet.

Trendwatcher, Fachjournalisten und Blogger

Blogger als Trendwatcher

Um herauszufinden, was die Kunden wollen, nutzt die Design-Firma sogenannte Trendwatcher, zum Beispiel Fachjournalisten oder Blogger, vor allem aber verlässt sie sich auf Gespräche mit künftigen Nutzern. Einfach abgreifen kann man deren Ideen und Wünsche freilich nicht, sagt die gelernte Psychologin Elizabeth Roche, van Doks Stellvertreterin. "Die Menschen wissen ja oft selber nicht, was sie wirklich wollen."

Um die geheimen Wünsche der Konsumenten herauszufinden, "muss man immer nach dem Warum hinter dem Warum fragen". Aus den Einzelmeinungen der vielen Befragten destilliert das Team dann die zentralen Fragen heraus. Stets sitzen dabei alle an einem Tisch - Designer ebenso wie Techniker. "Die Techniker zeigen uns die Regeln, damit wir sie brechen können", sagt Frog-Designer Curt Collingsworth.

Möglichst früh in diesem Prozess werden Prototypen der künftigen Produkte gebaut, die man in die Hand nehmen kann oder Animationen entwickelt, die zeigen, wie ein Bedienungsvorgang zum Beispiel einer Software ablaufen könnte. An einem runden Tisch treffen sich Firmenmitarbeiter und Testpersonen in Sitzungen, die einen, manchmal auch zwei Tage dauern. Je näher die Produkte ihrer Fertigstellung rücken, umso konkretere Aufgaben bekommen die Testpersonen. Beispielsweise heißt es dann bei einem Mobiltelefon: "Schicke eine SMS an die Person, die dich gerade angerufen hat."

Erst wenn nach vielen Iterationen geklärt ist, dass die Nutzer mit dem Bedienungskonzept problemlos zurechtkommen, wird das Produkt schließlich in Serie gebaut. "Das Wichtigste dabei ist", sagt Cees van Dok, "dass auf allen Stufen eines Projekts immer alle zusammenarbeiten." Vor allem gelte das für die Designer und die Techniker. Technik, das bedeutet in jüngerer Zeit vor allem Software. Sie ist es, über die Nutzer mit der Hardware in Verbindung treten. Ist sie schlecht gestaltet, nutzt auch die beste Hardware nichts.

Der TouchSmart verkauft sich gut

Manchmal müssen aber sowohl Hard- als auch Software neu entwickelt werden. Der Computerhersteller HP beauftragte Frog mit einem Design für einen Wohnzimmer-PC. Ein Gerät, das seinen Platz wohl unterm Fernsehgerät finden würde, dachten die Entwickler von HP, das leise sein müsste und doch leistungsstark. Und hübsch aussehen sollte es natürlich obendrein. Das Team von Frog aber tat, was es immer tut: Es befragte Menschen, die zu den Nutzern des künftigen Produktes gehören könnten.

Es kam schließlich heraus, dass viele Nutzer gar keinen Kasten unter dem Fernseher wollten, sondern ein Gerät, das im Wohnbereich steht, aber einen großen Bildschirm hat, der mit den Fingern bedient werden kann. So ein Gerät gab es bis dahin noch nicht außerhalb von Labors und teuren Speziallösungen. Der TouchSmart verkauft sich gut, andere Hersteller ahmen das Konzept mittlerweile nach.

Bei aller ausgefeilten Methodik - vieles von dem, was die Designer entwickelt haben, wird schließlich doch nicht gebaut. Und manche Produkte sind einfach zu komplex, um dafür eine wirklich einfache Lösung zu stricken. Frog Design arbeitet beispielsweise auch für den Software-Konzern SAP, dessen mächtige Controlling-Software in vielen Firmen eingesetzt wird. "Das Programm", sagt Cees van Dok, "ist so kompliziert wie eine Stadt. Die kann man nicht einfach umreißen."

Gegründet 1969 in einer Garage in Altensteig, Schwarzwald, von Hartmut Esslinger hat sich das Unternehmen zu einer Design- und Beratungsfirma mit derzeit etwa 400 Mitarbeitern entwickelt, die in neun Studios weltweit arbeiten. Frog schuf unter anderem das Design der Lufthansa-Flotte, gestaltete das Windows-Logo für Microsofts XP und entwickelte die Designsprache für Apple. Heute gehören vor allem Mobilfunkfirmen zu den Kunden von Frog Design.

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