Friedrichs Internet-Grundsatzrede:Wie ein Innenminister Netzpolitik simuliert

Kein Digital Native, sondern eher digital naiv. In seiner Grundsatzrede zur Netzpolitik beschwört Innenminister Friedrich die Rückbesinnung zum Analogen und beweist damit vor allem eines: Der CSU-Mann hat keine Lust, sich mit den Folgen der globalen Digitalisierung auseinanderzusetzen.

Mirjam Hauck und Johannes Kuhn

Viele Freunde hat Hans-Peter Friedrich unter Internet-Aktivisten bislang nicht gefunden. Wenn der CSU-Politiker in den ersten neun Monaten seiner Amtszeit über das Netz sprach, herrschte meist der Eindruck vor, er halte es für eine Bedrohung.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Wen will ich, wen schalte ich ab

(Foto: dapd)

Seine Forderung nach Aufhebung der Anonymität im Netz, seine Kritik am Chaos Computer Club im Zug der Staatstrojaner-Affäre und der gebetsmühlenartig wiederholte Wunsch, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen - all dies erinnerte eher an die Internet-Skepsis eines Wolfgang Schäuble, als an die konservative aber durchaus netzaffine Haltung seines direkten Vorgängers Thomas de Maizière (beide CDU).

De Maizière war es auch, der die Messlatte für netzpolitische Grundsatzreden hoch gelegt hatte: Im Juli 2010 hatte er in seiner Berliner "Lokschuppenrede" 14 Thesen zur Netzpolitik formuliert, die von der Rolle des Staates bis zur Netzneutralität zumindest schon einmal angedeutet hatten, wie eine konservative Internet-Politik durchdekliniert werden könnte.

Im Rahmen des Demokratie-Kongresses der Konrad-Adenauer-Stiftung erhielt Friedrich nun die Möglichkeit, in einer Grundsatzrede seine Vision einer Netzpolitik für die kommenden Jahre auszubreiten. Es sei bereits an dieser Stelle verraten: Er versuchte nicht einmal ansatzweise, diese Chance zu nutzen.

Rückbindung zur analogen Welt

In einem Grundton, der zwischen Nachdenklichkeit und Kulturpessimismus schwankte, versuchte der Franke die Bedeutung des Internets für die Gegenwart an eigenen Beobachtungen festzumachen: So sei seine 78-jährige Schwiegermutter begeistert, über Skype mit den Enkeln zu kommunizieren, auch bei einem Auslandsaufenthalt des Sohnes habe das Netz wertvolle Dienste geleistet.

Gleichzeitig jedoch verändere die Online-Welt auch das Sozialleben der Menschen. "Im Netz kann ich wählen: Wen will ich, wen schalte ich ab", stellte der Minister fest und klagte, dass die vernetzten Kinder von heute zwar zu Freunden in aller Welt Kontakt hielten, oft aber nicht einmal die Gleichaltrigen in der eigenen Straße kennen würden.

Es werde zudem immer schwieriger, die Vielfalt der Informationen aus dem Netz richtig einzuordnen. "Oft wird man vom eigentlichen Kern der Wahrheit weggeführt, statt hingeführt", betonte Friedrich und wies auf die Rolle des Internets zur Selbstbestätigung von Extremisten hin. Ergo: Orientierung könne deshalb nur in einer Rückbindung zur analogen Welt stattfinden.

Nichts als Floskeln

Man mag bereits bezweifeln, ob eine strikte Trennung von On- und Offline-Welt im Jahre 2011 noch zeitgemäß ist. Einzig: Der Rückbezug zum Analogen blieb in Friedrichs Rede (wie so vieles) nur ein Allgemeinplatz, weil aus ihm keine konkreten politischen Schlüsse folgten.

Aussagen zur Netzneutralität? Zur konkreten Definition der Freiheit im Internet? Zur Rolle des Staates bei der Regulierung des Netzes? Zum Handlungsrahmen nationaler Behörden in der globalen Online-Welt? Zu den weitergehenden Folgen der Digitalisierung der Welt für die politische Willensbildung? Nichts von Belang war aus dem Mund des Ministers zu hören, nichts jenseits einer dünnen Paraphrasierung des Status quo.

Mit floskelhaften Absichtserklärungen wie dem Wunsch, Menschen Hilfsmittel zur Artikulation im Internet an die Hand zu geben, lavierte sich Friedrich durch eine Rede, die weit hinter die von de Maizière gesetzten Maßstäbe zurückfiel.

Keine Lust auf digitale Themen

Dass sich Friedrich nicht um das Amt des Innenministers gerissen hatte, ist bekannt. Nach seiner Rede bleibt der Eindruck, der Christsoziale verspürt noch weniger Lust, sich ernsthaft mit den digitalen Aspekten seines Aufgabenfeldes auseinanderzusetzen.

Einzig vermeldenswert bleibt, dass kommende Woche ein Internet-Zentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet wird. Das Netz als streng zu beobachtende Heimstatt dunkler Gestalten, es bleibt das beherrschende Thema der Friedrich'schen Internetpolitik.

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