Freie Internetadressen:Keine Nummer für diesen Anschluss

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Im Internet werden die Adressen knapp. Doch die Anbieter tun nichts, um diesen Missstand zu beheben.

Helmut Martin-Jung

Man kann den Vätern des Internets nicht vorwerfen, sie wären kleinlich gewesen. Zwar waren 1981 gerade einmal 200 Rechner über Datenleitungen zusammengeschlossen.

Etwa 85 Prozent aller möglichen Ziffernkombinationen sind bereits in Gebrauch. (Foto: Foto: iStock)

Dennoch sah der neue Standard für Internetadressen, der damals entwickelt wurde, bereits mehr als vier Milliarden mögliche Kombinationen vor. Aber das weltweite Datennetz übertraf mit seiner rasanten Entwicklung sogar diese kühnen Erwartungen. Die Folge ist: Internetadressen werden knapp.

Etwa 85 Prozent aller möglichen Ziffernkombinationen sind bereits in Gebrauch. Spätestens im März 2012, warnen Internetexperten auf Webseiten mit dramatisch schnell rückwärts laufenden Zählern, seien auch die letzten IP-Adressen vergeben. Ohne die aber ist kein Computer im Netz erreichbar.

Nicht mehr bloß herkömmliche Rechner

Aber wieso gehen diese Adressen aus, wo doch große Teile der Weltbevölkerung weit davon entfernt sind, sich einen Computer überhaupt leisten zu können?

Zum einen sind es nicht mehr bloß herkömmliche Rechner, die eine Internetadresse brauchen, wenn sie sich in das Datennetz einwählen wollen. Auch Mobiltelefone, Videospielkonsolen, sogar manche Autos und Kühlschränke verfügen über Internetzugänge. Und das ist erst der Anfang.

Längst sprechen Fachleute von einem "Internet der Dinge", in dem einmal jeder Joghurtbecher seine eigene Internet-Adresse bekommen soll. Zum anderen wurden die verfügbaren Adressen nicht gleichmäßig aufgeteilt.

Damals noch wenig entwickelte Länder wie China oder Indien bekamen nur vergleichsweise kleine Bereiche zugeteilt - dementsprechend eng sieht es dort nun aus mit verfügbaren Adressen.

Lange war die Umstellung auf einen neuen Standard für IP-Adressen daher vor allem in Asien ein Thema. IPv6, wie dieser neue Standard heißt, bietet 3,4mal 1038 verschiedene Adresskombinationen - so viele, dass für jeden Quadratmillimeter der Erde 600 Billiarden davon zur Verfügung stehen. Das reicht für viele Joghurtbecher. Betriebssysteme wie Windows XP, Vista, Mac OS oder Linux können mit den neuen Adressen schon umgehen. Warum also noch warten?

Viele Geräte, die heute den Verkehr im Internet steuern, können nur mit dem alten System IPv4 etwas anfangen. Die Kosten, sie zu ersetzen, sparen sich viele Anbieter so lange, bis es unausweichlich wird, die neue Technik einzusetzen. Auch viele Geräte für Heimanwender werden dann unbrauchbar, Router beispielsweise, über die mehrere Computer einen DSL-Anschluss nutzen können.

Wie ein einziger Computer

Der Druck, das neue Adressierungssystem schneller einzuführen, könnte aber auch aus einer anderen Ecke kommen. IPv6 bietet nicht bloß eine astronomische hohe Zahl an Adresskombinationen. Geräte, die diesen Standard beherrschen, können sich auch einfach selbst im Netz anmelden - ohne mühsames Fummeln in irgendwelchen kryptischen Einstellungen.

Er ermöglicht zudem, zeitkritischen Anwendungen wie beispielsweise Videotelefonie oder Fernsehen über Internet Vorfahrt auf der Datenleitung einzuräumen. Firmen, die Teile ihrer benötigten Rechenleistung über das Internet beziehen, werden es zu schätzen wissen, stabilere und schnellere Anbindungen zu erhalten als bisher.

Was so ein schnelles IPv6-Netz leisten kann, zeigt das LHC Computing Grid - ein System, das Rechenzentren auf der ganzen Welt verbindet, um die Daten zu speichern, die der Teilchenbeschleuniger LHC in Genf liefern soll, wenn er im Sommer nächsten Jahres seinen Betrieb endgültig aufnimmt.

Glasfaser-Leitungen und das neue Internet-Protokoll erlauben es nicht bloß, nahezu unvorstellbar große Datenmengen zu übertragen und zu speichern. Das Computing Grid verhält sich durch die schnellen Anbindungen nahezu wie ein weltumspannender Computer.

© SZ vom 29.11.2008/mri/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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