Forderungen gegen Streaming-Nutzer:Pornoanbieter verschicken Tausende Abmahnungen

Forderungen gegen Streaming-Nutzer: Angeschaut und abgemahnt: Redtube-Nutzer

Angeschaut und abgemahnt: Redtube-Nutzer

Wer urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik aus dem Internet runterlädt, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Wer sie sich nur ansieht, kam bislang glimpflich davon. Doch nun landen bei Tausenden Nutzern des Streaming-Portals Redtube Anwaltsschreiben im Briefkasten. Was bedeutet das?

Von Matthias Huber

Wer per Filesharing Filme und Musik tauscht, muss schon seit längerem damit rechnen, teure Post von den Anwälten der Rechteinhaber zu bekommen. Verhältnismäßig sicher war man aber, wenn man sich die Videos nur per Streaming auf einer Webseite anschaute, ohne sie herunterzuladen und in P2P-Netzwerken bereitzustellen. Bis jetzt.

Die Regensburger Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C) verschickt zur Zeit wohl eine große Anzahl von Abmahnungen an Nutzer, die sich angeblich bestimmte Pornofilme auf der amerikanischen Video-Plattform Redtube angesehen haben. Sie sollen jetzt 250 Euro bezahlen, um einen teuren Gerichtsprozess zu vermeiden. Rechtsanwalt Christian Solmecke, spezialisiert auf Filesharing-Abmahnungen, schätzt die Zahl der Betroffenen auf mehr als 10.000.

U+C vertritt häufig die Rechte von Firmen aus der Pornobranche - bisweilen auch mit fragwürdigen Methoden. So plante die Kanzlei im vergangenen Jahr, die Namen Zahlungsunwilliger zusammen mit den entsprechenden Filmtiteln im Internet zu veröffentlichen. Ein Essener Gericht verhinderte diesen "Pranger".

Worum genau es geht, ob die Abmahnungen überhaupt rechtens sind und was Sie tun sollten, ehe Sie die beigefügte Unterlassungserklärung unterschreiben und die Abmahngebühren bezahlen - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist der Unterschied zwischen Abmahnungen gegen Filesharer und gegen Streaming-Nutzer?

Filesharing-Abmahnungen basieren in der Regel darauf, dass der Nutzer nicht nur die betreffende Datei - also einen Film oder ein Lied - herunterlädt. Er stellt mindestens für die Dauer des Downloadvorgangs auch Teile davon für andere Nutzer bereit, die sie in dieser Zeit ebenfalls herunterladen können. Filesharer bieten also gleichzeitig auch - bewusst oder unbewusst - Inhalte an. Daraus ergeben sich die hohen Schadenersatzforderungen und damit auch entsprechende Abmahnsummen gegen Menschen, die sich urheberrechtsgeschützte Inhalte über Filesharing besorgt haben.

Wer allerdings streamt, bietet im Normalfall keine Inhalte an. Deshalb ist die von den Rechtsanwälten geforderte Summe mit 250 Euro im Vergleich mit typischen Filesharing-Abmahnungen eher gering - lediglich 15,50 Euro sind davon als Schadenersatz bezeichnet, der Rest entfällt auf Anwaltsgebühren und nicht näher erklärte "Aufwendungen für die Ermittlung der Rechtsverletzung".

Wer muss mit einer Abmahnung rechnen?

Nutzer, die sich über die Videoplattform Redtube Videos aus den Filmen "Miriam's Adventures", "Hot Stories", "Amanda's Secret", "Dream Trip" oder "Glamour Show Girls" angesehen haben. Allerdings ist unter der in der Abmahnung benannten URL in mindestens einem Fall der beanstandete Filmtitel überhaupt nicht ersichtlich.

Sind diese Abmahnungen dann rechtens?

Das ist nach Ansicht mehrerer Anwälte fraglich. Damit es sich überhaupt um eine Urheberrechtsverletzung handelt, muss der Nutzer die Filme aus einer "offensichtlich illegalen" Quelle bezogen haben. Rechtsanwalt Udo Vetter schreibt dazu im Lawblog: "Redtube ist Teil des Erotikkonzerns Manwin, der unter anderem auch die weltweit größte Streamingseite Youporn betreibt. Eine große Zahl der Videos wird offensichtlich von den Produzenten selbst eingestellt, da neben den Filmen oft auch gleich Banner und Links auf die Bezahlseiten der Anbieter führen." Deshalb könne ein Nutzer laut Vetter Redtube "definitiv" nicht als illegales Angebot erkennen. Auch Solmecke sieht in Redtube eher eine "Promotion-Plattform für die Porno-Industrie". Ein Gerichtsurteil, das diese Sicht der Dinge bestätigt, steht aber noch aus.

Ist ein Stream rechtlich überhaupt mit einem Download vergleichbar?

Auch da sind sich die Gerichte nicht ganz einig. Grundsätzlich müssen für einen funktionierenden Stream mindestens Dateischnippsel auf dem Computer des Nutzers vorübergehend abgelegt werden - also findet technisch eine Vervielfältigung statt. Allerdings sieht das Urheberrecht durchaus eine Ausnahmeregelung für "flüchtige" Kopien vor, die einen "wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens" darstellen. Ob diese Ausnahme aber nur gilt, wenn die Datei nicht aus einer "offensichtlich rechtswidrigen" Vorlage stammt, ist nach Ansicht von Solmecke auch nicht abschließend geklärt.

Woran erkennt man illegale Inhalte?

Beim neuesten Kinofilm mag das für den Nutzer noch zumutbar sein. Denkt man diese rechtliche Situation allerdings zu Ende, wird es schnell undurchsichtig. So gibt es auch auf Youtube viele Tausend Videos, die Inhalte zeigen, die nicht von den Urhebern freigegeben wurden - zum Beispiel, weil im Hintergrund eines niedlichen Katzenvideos ein nicht lizensierter Popsong zu hören ist. Gleichzeitig ist es aber gut möglich, dass der Rechteinhaber über die auf Youtube eingebundene Werbung sogar an jedem Stream verdient, falls sein Beitrag zum Inhalt des Videos erfasst und angemeldet ist. Deshalb sind viele dieser eigentlich urheberrechtsverletztenden Videos von den Rechteinhabern geduldet. Für den Nutzer, der sich solche Videos ansieht, ist es aber unmöglich nachvollziehbar, ob ein Video rechtens ist oder nicht - erst recht, wenn es nicht einmal eindeutig beschriftet ist.

Wie kommen U+C an die Kontaktdaten der Nutzer?

Über die IP-Adressen. Mit dieser Liste wurde vor dem Landgericht Köln ein Auskunftsersuchen gestellt - und offenbar problemlos "durchgewunken", so Solmecke. Trotz der unklaren Rechtslage. Ein Grund dafür könnte seiner Ansicht nach möglicherweise in der Formulierung des Schriftstücks liegen. So habe Solmecke ein Auskunftsersuchen vorliegen, das "beinahe wortgleich" mit den für Filesharing-Abmahnungen üblichen Anträgen lautet - lediglich taucht darin die Bezeichnung "Downloadportal" auf. Allerdings, so Solmecke, sei es noch nicht gelungen, den Antrag einem konkreten Fall aus der aktuellen Reihe von Abmahnungen zuzuordnen. Er stamme aber von einem Anwalt, der dafür bekannt sei, "oft mit U+C zu kooperieren" und weise außerdem ein Aktenzeichen in direkter Nachbarschaft der Fälle aus der eigenen Mandantschaft auf. "Es liegt also nahe, dass die Ersuchen in unseren Fällen gleichlautend formuliert sind." Mehr dazu im Blogpost von Solmecke.

Woher haben U+C die IP-Adressen?

Da gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: So erlaubt beispielsweise die Redtube-Software, dass direkt in die Seite auch Videos von einem anderen Webserver eingebettet werden. Der wäre dann in der Lage, die IP-Adressen zu speichern, ohne dass der Nutzer überhaupt mitbekommt, ein Video von einer anderen Plattform anzusehen. Eine andere Möglichkeit wäre, bei Redtube gezielt unter bestimmten Schlagwörtern Werbeplätze zu buchen und über die Banner-Skripte die IPs der Nutzer auszuwerten. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wären all diese Methoden zwar fragwürdig - auf die Rechtmäßigkeit der Abmahnung hat das aber keinen Einfluss.

Was ist zu tun, wenn man eine solche Abmahnung erhält?

"Erstens: Nicht die beigefügte Unterlassungserklärung unterzeichnen. Zweitens: Nicht bezahlen", rät Solmecke. Die Unterlassungserklärung, die U+C vorschlägt, beinhaltet beispielsweise den konkreten Filmtitel - es würde für den Unterzeichner also lebenslang jedes Mal dann eine Vertragsstrafe fällig werden, wenn er einen Videoschnippsel aus diesem Film streamt. Auch, wenn er gar nicht erkennen kann, woher er stammt. Außerdem schließt die Unterlassungserklärung mögliche legale Streamingangebote explizit nicht aus - würde also selbst dann gelten, wenn man in Zukunft den betreffenden Film von offizieller Quelle bezieht. Deshalb sollte man fristgerecht nur eine modifizierte und "entschärfte" Unterlassungserklärung abgeben - gegebenenfalls in Rücksprache mit einem Rechtsanwalt.

Auch sollte man nicht vorschnell die geforderten 250 Euro überweisen, ehe nicht die Rechtmäßigkeit der Forderung erwiesen ist. Sonst könnte es unter Umständen schwierig werden, das Geld später zurückzufordern. U+C gibt als Zahlungsempfänger nämlich nicht die eigene Kontoverbindung an, sondern direkt den angeblichen Rechteinhaber, eine Firma namens "The Archive AG", mit Sitz und Kontoverbindung in der Schweiz. Vetter sagt dazu: "Das wird es nicht leichter und vor allem billiger machen, eventuell zuviel gezahltes Geld wieder zu bekommen."

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