Für den Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Linke) ist das ein Dammbruch: "Aus bürger- und datenschutzrechtlicher Perspektive ist das Vorhaben brachial. Fingerabdrücke und Gesichtsbilder würden mit Personendaten in einer einzigen Datei gespeichert, diese wären dann durchsuchbar."
Die Sprecherin der Kommission widerspricht: "Die Datenbanken werden immer noch getrennt voneinander sein." Auch Referatsleiter Stephan Brandes sagt: "Es gibt Leute, die glauben, dass wir alle Daten aus allen Richtungen in einen großen Big-Brother-Datentopf werfen. Aber das bedeutet 'Interoperabilität' gar nicht." Es gehe lediglich um eine Suchfunktion. Allerdings steht im Vorschlag der Kommission relativ deutlich, ein "gemeinsamer Container für Identitäts- und Biometrie-Daten von Drittstaats-Angehörigen" sei einzurichten.
Was macht die Polizei mit ihrem neuen Werkzeug? Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist einer der wenigen Wissenschaftler, die sich mit der komplizierten Materie beschäftigt haben. Der Politikwissenschaftler sagt: Unklar bleibe, "ob die Verhältnismäßigkeit stimmt und wie der rechtlich schwammige Begriff von 'schweren Verbrechen' dann konkret ausgelegt wird". Denn nur für die Aufklärung solcher Verbrechen ist die Suchfunktion eigentlich vorgesehen.
Das Meijers-Komitee, ein europäisches Expertengremium für Immigration und Kriminalität, attestierte dem Plan im Februar Mängel. Es sei unklar, wie mutmaßlich Kriminelle und Unschuldige in diesem System voneinander getrennt werden sollen. Nur damit EU-Bürger sich sicherer fühlten, würden Drittstaatler besonders stark durchleuchtet - selbst wenn es keine Anzeichen dafür gebe, dass sie kriminell sind. Der Abgeordnete Hunko sagt: "Mich besorgt die Macht, die EU-Lisa als Hüterin des neuen zentralen 'Datentopfes' erhält." Vor einer Woche hat der Europäische Rat EU-Lisa das Mandat zur Umsetzung der Interoperabilität erteilt. Das unsichtbare Netz über Europa ist wieder etwas dichter geworden.