Flightradar, Planefinder und Co.:So orten Onlineportale Flugzeuge in Echtzeit

  • Kurz nach dem Verschwinden der Germanwings-Maschine 4U9525 veröffentlichten Onlineportale wie Flightradar24 oder Radarbox24 bereits die Flugroute und das Höhenprofil des Flugs. Diese Daten gewinnen die Anbieter mit einer speziellen Überwachungstechnik.
  • Diese ADS-B-Technologie erleichtert auch Piloten die Arbeit, bald soll sie Pflicht im europäischen Luftraum werden.
  • Grundsätzlich lassen sich Flugzeuge mit Primär- und Sekundärradar aufspüren.

Von Christoph Behrens und Hakan Tanriverdi

Es dauerte nur kurz, dann setzte das Team von Flightradar24 einen Tweet ab: "Uns erreichen Berichte, dass eine Germanwings-Maschine abgestürzt sein soll". Die Berichte stellten sich als richtig heraus, die Maschine ist tatsächlich abgestürzt. An Bord waren 150 Menschen, darunter 72 Deutsche, überlebt hat keiner (was wir über den Flugzeugabsturz wissen und was nicht, lesen Sie hier).

In den kommenden Stunden veröffentlichten Dienste, die sich auf das Verfolgen von Flugzeugen spezialisiert haben, detaillierte Berichte (zum Beispiel Flightradar24, Flightaware und Planefinder). Sie lieferten Auskünfte darüber, wann sie das Flugzeug zum letzten Mal orten konnten, in welcher Höhe es zu diesem Zeitpunkt flog und wie viele weitere Maschinen der generell als sicher geltenden A320-Reihe aktuell in der Luft waren. Wie können diese Anbieter solche Aussagen treffen?

Primär- und Sekundärradar, ADS-B-Technologie

Grundsätzlich werden Flugzeuge auf zwei Arten verfolgt, mit dem Primär- und Sekundärradar. Beim Primärradar wird vom Boden aus ein elektromagnetischer Impuls verschickt. Dieses Signal wird von der Oberfläche des Flugzeuges reflektiert und zurückgeworfen. Die Zeit, die zwischen Versenden und Empfangen vergeht, zeigt den Standort des Flugzeugs an. Es ist eine passive Funkortung, Piloten können also nicht beeinflussen, ob sie verfolgt werden. Primärradare unterliegen technischen Einschränkungen. Sie können zum Beispiel die Höhe nicht direkt erfassen und nicht unterscheiden, ob sie einen Schwarm Zugvögel oder ein Flugzeug orten.

Der Sekundärradar löst dieses Problem: Die Bodenstation schickt auch bei dieser Technik Signale, sie werden jedoch von einem Transponder beantwortet - die Replik beinhaltet unter anderem Flughöhe oder Identität der Maschine. Laut der Verordnung über die Flugsicherungsausrüstung der Luftfahrzeuge (FSAV) ist jedes Flugzeug dazu verpflichtet, einen Transponder an Bord zu haben, der eine eindeutige Zuordnung erlaubt - ähnlich wie Smartphones, die eindeutige Seriennummern haben. Die Antennen der Radaranlagen am Boden empfangen diese Informationen und schicken sie an die Fluglotsen weiter.

Die Technik, die Webseiten wie Flightradar24 und Radarbox24 einsetzen, unterscheidet sich vom Sekundärradar, das Prinzip ist aber vergleichbar. Die Anbieter nutzen Empfänger am Boden und Sender an Bord von Flugzeugen, um deren Position zu Tausenden in Echtzeit zu bestimmen. Dieses System heißt ADS-B ("Automatic Dependent Surveillance Broadcast"), übersetzt etwa "automatische bordabhängige Überwachung". In Europa sind etwa drei von vier Flugzeugen damit ausgerüstet, in den USA jedes dritte.

Position bis zu fünf Mal pro Sekunde ermittelt

Wie Navigationssysteme von Autos bestimmen Flugzeuge dabei kontinuierlich ihre Position mithilfe von GPS-Satelliten. Diese Information funkt ein kleiner Sender im Cockpit weiter an die Erde, bis zu fünf Mal pro Sekunde. Empfänger am Boden fangen die Signale auf, einfache Geräte gibt es schon für 500 Euro. Selbst eine umgerüstete DVB-T-Antenne kann Signale von Flugzeugen empfangen, berichten Bastler. Flightradar24.com reichen weltweit 4000 der Geräte aus, um Flugbewegungen nachzuvollziehen. Sie sind häufig im Besitz von Privatpersonen. Ein einziges Modul kann einen Radius von rund 350 Kilometern erfassen. 99 Prozent des europäischen Luftraums seien damit abgedeckt, erklären die Anbieter.

ADS-B ist prinzipiell dazu gedacht, der Besatzung von Flugzeugen und der Flugsicherung am Boden die Arbeit zu erleichtern. So können auch Piloten selbst Signale ihrer Kollegen und damit eine Art Verkehrsfunk am Himmel empfangen. Zusätzlich zu Position, Höhe und Geschwindigkeit überträgt ADS-B auch Wetterinformationen oder Flugnummern. Weil das System als sicher gilt, soll es bis 2020 verbindlich in den USA und der EU eingeführt sein. Neue Flugzeuge müssen von 2016 an in Europa damit fliegen.

Noch sind nicht alle Sicherheitsfragen geklärt

Allerdings sind noch nicht alle Sicherheitsfragen geklärt. Im Prinzip könnte jeder mit einem starken Sender das Signal imitieren und das System verwirren. "Man kann so tun, als wäre man ein Flugzeug", erklärt Matthias Wilhelm von der TU Kaiserslautern. Der Forscher hat das Flugüberwachungssystem "Open Sky" mit entwickelt, das ebenfalls auf ADS-B basiert. Hacker könnten zudem Signale gezielt stören und dadurch Flugzeuge auf den Überwachungsbildschirmen verschwinden lassen, sagt Wilhelm. Dass dies in der Praxis mit einfachen Mitteln funktioniert, konnten französische Sicherheitsexperten bereits nachweisen.

Ute Otterbein von der Deutschen Flugsicherung findet Dienste wie Flightradar zwar prinzipiell sehr gut, äußert aber zugleich Einwände: "Es wäre angebracht, wenn der Dienst besser über die Datenbasis informieren würde." Es passiere häufiger, dass Fluglärmgegner sehr genau den Himmel beobachten und die App öffnen, um herauszufinden, um welchen Flug es sich handelt. Da Flightradar vor allem Flugzeuge anzeigt, in denen sich ADS-B-Transponder befinden, erscheinen nicht alle Flüge in der App. Das führe zu erheblichen Irritationen.

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