Filterblasen und Echokammern:Wieso das Internet voll von Verschwörungstheorien ist

3D-printed Facebook and Twitter logos are seen in this picture illustration made in Zenica

In sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verbreiten sich Verschwörungstheorien besonders leicht.

(Foto: REUTERS)

Steckt die CIA hinter 9/11? Haben Flüchtlinge ein Mädchen vergewaltigt? Solche Gerüchte halten sich hartnäckig - weil es im Internet so leicht fällt, sie zu glauben.

Von Sebastian Herrmann

In der Flüchtlingsdebatte schwirren gewaltig viele wilde Gerüchte durch die Gegend. Die erfundenen Geschichten handeln von demolierten Supermärkten, von einem Schweige- und Vertuschungsgebot für die Medien oder wirklich ganz wilden Geschichten, die besser nicht wiederholt werden sollen.

Bei vielen dieser Räuberpistolen fragt man sich: Warum glauben Menschen so etwas? Und weshalb sind zum Beispiel deprimierend viele überzeugt, dass die Nasa die Mondlandung nur inszeniert habe, die CIA hinter den Anschlägen vom 11. September stecke oder ein Pharmakomplott das gerade in Südamerika grassierenden Zika-Virus steuere?

Informationen müssen ins eigene Weltbild passen

Die Antwort auf diese Fragen lautet: Es ist eine Illusion, dass der Mensch erst nüchtern sämtliche Informationen und Fakten evaluiert und auf deren Basis eine informierte Entscheidung trifft. Vielmehr geht es - sehr grob verkürzt - darum, dass sich Informationen gut und richtig anfühlen. Und Verschwörungstheorien verbreiten sich oft gründlicher als harte Fakten - weil sie die psychischen Bedürfnisse ihres Publikums stärker befriedigen. Sie vereinfachen kausale Zusammenhänge, sie vermindern die Komplexität der Wirklichkeit auf ein erträgliches Maß. Die Welt ist schließlich so kompliziert und unübersichtlich, schon die Illusion vom Durchblick wirkt da wie Balsam für das verstörte Selbst.

Die sozialen Medien spielen bei der Verbreitung von Fehlinformationen eine entscheidende Rolle. Das haben gerade Wissenschaftler aus Italien in einer spannenden Studie gezeigt (PDF), die Anlass war, das Thema tiefer recherchieren und aufzuschreiben: Jeder Mensch, so zeigen die Forscher, umgibt sich am liebsten mit Freunden, die die gleichen Ansichten haben. Am Stammtisch will ja auch niemand einen dauernörgelnden Besserwisser neben sich sitzen haben, der ständig widerspricht.

Nein, es fühlt sich einfach großartig an, wenn Informationen zu einem Weltbild passen. Diese Meinungshygiene führt jedoch dazu, dass man nur sehr selten Gegenargumenten ausgesetzt ist. Die italienischen Forscher haben nun nachgewiesen, dass die weltanschaulichen Reservate vollkommen getrennt voneinander existieren: Verschwörungstheoretiker bleiben ebenso unter sich wie Wissenschaftsfans.

Gefühlte Unsicherheit verstärkt die Flucht ins Verschwörungsdenken

Die Homogenität der Gruppen begünstigt jedoch die Verbreitung und Entstehung neuer Gerüchte und Verschwörungstheorien, zeigen die Wissenschaftler. Auch die Algorithmen von Facebook befördern solche Trends. Ein besonders kurioses Beispiel ist das Gerücht, die EU plane ein Verbot von Heilpflanzen, das seit 2010 mehrmals die Runde machte.

Bricht also ein Zeitalter des gefährlichen Unsinns an? Gut möglich. Studien haben gezeigt, dass gefühlte Unsicherheit - etwa eine empfundene Bedrohung von außen - die Flucht ins Verschwörungsdenken verstärken.

Und übrigens: Wenn ein und derselbe Typ in einem Atemzug erzählt, dass Osama Bin Laden heute noch lebt, aber schon tot war, bevor die Amerikaner sein Versteck gestürmt haben, dann ist das zwar absurd, aber erklärbar.

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