Illegales Filesharing:"Niemand kann darauf hoffen, ungestraft davonzukommen"

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Illegale Film-Webseiten boomen nach wie vor (Symboldbild). (Foto: Francesco Buttitta/imago)

Noch immer schauen viele illegal Filme und Serien. Oberstaatsanwalt Thomas Goger erzählt, wie das Geschäft der Piraterie-Seiten läuft, und was Nutzer zu befürchten haben, die illegal "Game of Thrones" herunterladen.

Von Max Hoppenstedt

Trotz legaler Dienste wie Netflix, Spotify und Amazon Prime sind illegale Streaming-Seiten und illegal kopierte Musik noch immer beliebt bei deutschen Nutzern. Und das Feld ist ein lukrativer Schwarzmarkt für Kriminelle. Täglich werden auf Filesharing-Seiten neue Lieder als Download-Links verbreitet, Streams aktueller Serien und Filmen angeboten oder Liveübertragungen von Sportereignissen gezeigt. Allein die erste Folge der letzten Staffel von "Game of Thrones" soll Daten der britischen Analysefirma Muso zufolge weltweit 55 Millionen Mal illegal gestreamt oder heruntergeladen worden sein.

Auch das Geschäft mit illegalen eBook-Downloads ist lukrativ. Im Fall der darauf spezialisierten Seite "Lesen und Lauschen" stellten Ermittler bei den mutmaßlichen Betreibern Kryptowährungen im Wert von 1,5 Millionen Euro sicher.

Verantwortlich für die Razzia im Juni 2017 waren bayerische Sonderermittler, die von Bamberg aus jeden Tag gegen die Raubkopier-Szene kämpfen. Einer von ihnen ist Thomas Goger, Oberstaatsanwalt und stellvertretender Leiter der 2015 gegründeten Zentralstelle Cybercrime Bayern, eine Sonderstaatsanwaltschaft für Online-Straftaten. Zusammen mit seinen Kollegen hat Goger schon mehrere Verfahren gegen Betreiber von Cybercrime-Plattformen und gegen illegale Streamer geführt. Die Bamberger Staatsanwälte betreiben als einzige in Deutschland ein auf sogenanntes Wirtschaftscybercrime spezialisiertes Dezernat. Seit 2018 verfolgen sie Betrugsfälle, Geldwäsche und vor allem Urheberrechtsverstöße.

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"Ich habe das nicht heruntergeladen, das war jemand aus meiner Familie." Solchen Beteuerungen erteilt der EuGH einer Absage. Die Rechtsprechung kommt den Interessen der Musik- und Filmindustrie entgegen.

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SZ.de: Muss man sich als Nutzer von Piraterie-Webseiten Sorgen machen, von Ihnen und Ihren Kollegen eine Anzeige zu bekommen, wenn man mal einen Song oder einen Film heruntergeladen hat?

Thomas Goger: Erst mal stehen selbstverständlich die großen Fische im Mittelpunkt unseres Interesses. Wir sind nicht für jede raubkopierte DVD auf dem Schulhof zuständig, als Zentralstelle Cybercrime Bayern führen wir Verfahren von besonderer Bedeutung.

Wir kümmern uns vor allem um die Betreiber der Plattformen und deren Server. Aber wir haben auch schon gegen einzelne Nutzer ermittelt. Zum Beispiel gegen solche, die durch sogenanntes Cardsharing illegal Bezahlfernsehen geschaut haben. Auch Kunden, die sich auf Cybercrime-Seiten illegale Angebote gekauft haben, haben schon Post oder Hausbesuche von uns bekommen.

Wie hoch sind die Strafen für Nutzer, die eine Serie illegal gestreamt oder ein Album illegal heruntergeladen haben?

Was einzelne Nutzer strafrechtlich zu erwarten haben, hängt sehr vom Einzelfall ab. Manchmal werden Verfahren auch wegen geringer Schuld eingestellt, das kann zum Beispiel passieren, wenn nur ein Download nachweisbar ist.

Was ich sagen kann: Niemand, der auf diesen Raubkopier-Seiten unterwegs ist, kann darauf hoffen, als kleines Licht ungestraft davonzukommen - auch wenn wir nicht alle ausermitteln können.

Thomas Goger, 43, ist Oberstaatsanwalt und stellvertretender Leiter der 2015 gegründeten Zentralstelle Cybercrime Bayern in Bamberg, einer Sonderstaatsanwaltschaft für Online-Straftaten. (Foto: oh)

Haben Sie kein Verständnis für Nutzer, die nur mal eine Folge ihrer Lieblingsserie billiger schauen wollen und deshalb eine Piraterie-Seite nutzen?

Absolut nicht. Es kommt schließlich auch niemand auf die Idee, Ladendiebstähle mit zu hohen Preisen im Supermarkt zu rechtfertigen. Für mich macht das überhaupt keinen Unterschied, ob man die achte Staffel von "Game of Thrones" illegal herunterlädt oder als DVD im Supermarkt klaut. Vor Gericht hören wir von den Nutzern auch immer mal wieder Aussagen wie: 'Wir haben gedacht, das ist legal.'

Was antworten Sie denen?

Ich frage dann, ob es ihnen nicht komisch vorgekommen ist, dass ein Angebot, was legal, sagen wir mal, 39 Euro im Abo kostet, auf einer der illegalen Seiten nur 2,99 im Monat gekostet hat. Da haben sich die Beschuldigten dann angeblich schon gewundert, aber haben es dann halt trotzdem gemacht.

Auf manchen Plattformen werden Zehn- oder gar Hunderttausende Filme und Songs frei zum Download oder Streamen angeboten. Wer steckt hinter solchen Seiten?

Ein einheitliches Organisationsmodell, das für alle Piraterie-Plattformen gilt, lässt sich nicht erkennen. In den meisten Fällen sind es aber mehrere Personen, die die Plattform technisch am Leben halten, mit neuem Material versorgen und die Zahlungsströme lenken.

Dabei findet sich in vielen Fällen eine technische Infrastruktur, die der von legalen Angeboten in nichts nachsteht. Um zum Beispiel einen illegalen Streaming-Dienst betreiben zu können, ist ja durchaus eine gewisse Netzwerkbandbreite und Serververfügbarkeit erforderlich.

Im Jahr 2014 gelang Kölner Cybercrime-Sonderermittlern ein spektakulärer Schlag gegen die Raubkopie-Plattform Boerse.bz. Trotz Razzien in 120 Wohnungen ging eine Nachfolgeseite mit demselben Namen kurze Zeit später online. Die gibt es bis heute. Wie kann das sein?

Das liegt in der Natur des Internets. Es lässt sich nicht wirklich vermeiden, dass Seiten neu aufgelegt werden und fortgesetzt werden. Oft wollen Nachfolgetäter den eingeführten "Markennamen" einer von den Strafverfolgungsbehörden geschlossenen Plattform für sich nutzen, um die Kunden zum eigenen Angebot zu locken.

Wir merken aber auch, dass zumindest ein Teil der Szene zunehmend verunsichert auf die wachsende Anzahl von Ermittlungserfolgen durch deutsche Cybercrime-Ermittler reagiert. In den einschlägigen Foren und Boards wird zunehmend registriert, dass Staatsanwaltschaft und Polizei im Netz längst nicht mehr zahnlos und ahnungslos agieren.

Wie schaffen Sie es denn, die Täter zu identifizieren und Betreiber von Seiten zu ermitteln?

Zu den Einzelheiten unserer Vorgehensweise möchte ich mich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Ich kann aber allgemein sagen, dass die Tools und Techniken, die von den Ermittlern eingesetzt werden, um das Treiben auf kriminellen Plattformen aufzuklären, vielfältig sind. Was konkret zum Einsatz kommt, hängt dann von den technischen Gegebenheiten der jeweiligen Plattform ab. Hier bei uns arbeiten zudem drei IT-Referenten, die studierte Informatiker sind. Sie bringen ihre Sachkunde in solche Ermittlungsverfahren ein.

Wie ticken die Täter solcher Seiten?

In allen Fällen, die wir ermittelt haben, ging es letztlich nur um die Frage, wie kann man sich bereichern. Der altruistische Anstrich, den sich Täter oft geben, war da meist nur eine Nebelkerze, um das eigene Treiben in der Szene besser verkaufen zu können. Zu einem gut funktionierenden Geschäftsmodell gehört auch immer gutes Marketing.

Glauben Sie, dass die Sperrung einer Website etwas bringt? So wie vor einigen Wochen Vodafone den Zugang zu Boerse.to blockiert hat . Bringt das überhaupt was oder ist das viel zu leicht zu umgehen?

Vielleicht ist es ein Instrument, um zumindest die Gelegenheits-User vom kriminellen Material fernzuhalten - und ein deutliches Signal ist ja auch etwas Gutes. Allerdings muss ich Ihnen auch nicht sagen, dass das Wissen darum, was ein VPN ist, auch kein Hexenwerk ist. Man sollte sich davon nicht zu viel versprechen, aber einen Teil der Kunden kann man damit sicherlich abschrecken.

Haben Sie sich hier nicht ein besonders frustrierendes und zähes Ermittlungsfeld gesucht?

Natürlich ist es sehr unerfreulich für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, dass spektakulären Ermittlungserfolgen in diesem Bereich oftmals sehr schnell eine Wiederauferstehung der Seiten unter neuem Management folgt.

Klar ist, dass der personelle Aufwand immens ist, aber im Hinblick auf den hohen volkswirtschaftlichen Schaden, der durch den illegalen Umgang mit geistigem Eigentum entsteht, ist er mehr als gerechtfertigt.

Was müsste denn Ihrer Ansicht nach geschehen, um die Rechte von Musikern, Filmschaffenden und Autoren besser gegen organisierte Cybercrime-Seiten zu schützen?

In die politische und öffentliche Diskussion um die EU-Urheberrechtsrichtlinie möchte ich mich als Staatsanwalt nicht einmischen. Ich bin aber überzeugt davon, dass eine wirksame Strafverfolgung solcher Angebote einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Rechte der Kreativen leisten kann. Wenn das Entdeckungsrisiko auf Täterseite größer wird als die Gewinnerwartung, wird das entsprechende Angebot langfristig zum Erliegen kommen.

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