Süddeutsche Zeitung

"Science"-Studie zu Fake-News :Die Lügen der hyperaktiven Cyborgs

  • Forscher haben untersucht, wie sich Fake News während der US-Wahl 2016 auf Twitter verbreiteten.
  • Sie warnen vor "Cyborgs" - teilautomatisierten Kanälen, die von Menschen betrieben werden.
  • Um das Problem einzudämmen, schlagen sie unter anderem vor, Twitter solle die Zahl der URLs beschränken, die sich auf Politik beziehen, und die ein Nutzer pro Tag posten kann.

Von Max Muth

Fake-News sind ein politisches Problem. Nach Überraschungen wie der Brexit-Abstimmung und der US-Präsidentschaftswahl 2016 wurde spekuliert, ob über soziale Medien verbreitete Lügen, die als Nachrichten getarnt waren, entscheidenden Einfluss auf die beiden Abstimmungen hatten. Seitdem wurde viel zum Thema geforscht und geschrieben. Wie groß das Problem tatsächlich ist, blieb aber unklar.

Am Donnerstag hat nun das Wissenschaftsmagazin Science eine Studie zur Verbreitung von Fake News auf Twitter veröffentlicht. Durchgeführt wurde sie von Politik- und Datenwissenschaftlern der Universitäten Harvard, Buffalo und Northeastern. Um herauszufinden, wie stark die Wähler von diesen Nachrichten beeinflusst wurden, haben die Wissenschaftler mehr als 16 000 Twitter-Accounts untersucht, die während der US-Wahl 2016 aktiv waren, und die registrierten US-Wählern zugeordnet werden konnten. Dadurch konnten die Forscher zum einen sicher sein, dass sie es mit echten Personen zu tun hatten. Zum anderen kannten sie über die Wählerregistrierungen auch Angaben über Geschlecht, Alter und Hautfarbe der Twitter-Nutzer. So konnten sie prüfen, ob diese Merkmale einen Einfluss auf Verbreitung und Konsum von Fake News haben.

Die Ergebnisse bestätigen die Erkenntnisse mehrerer Studien, die in den vergangenen zwei Jahren veröffentlicht wurden. Demnach stammt ein Großteil der auf Twitter verbreiteten falschen Nachrichten von einigen wenigen, überwiegend rechten Nachrichten-Portalen. Von denen sind wiederum sieben Portale für mehr als 50 Prozent der geteilten Falschnachrichten verantwortlich, darunter die berüchtigten Seiten Infowars und Daily Caller.

Cyborgs statt Social Bots

Eine weitere Erkenntnis: Fast 80 Prozent der Fake-News-Artikel werden von nur wenigen hyperaktiven Nutzern geteilt und konsumiert. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass es sich bei diesen "hyperaktiven" Accounts zwar nicht um "Social Bots", also automatisierte Programme, aber um teilautomatisierte "Cyborgs" handelt. Auch die Demographie spiele eine Rolle: Demnach steigt die Wahrscheinlichkeit, viele Fake News zu konsumieren und zu teilen, mit der konservativen Einstellung und dem Alter.

Was also tun gegen Fake News? Die Forscher empfehlen, bei den "hyperaktiven Verbreitern" anzusetzen, so könnte Twitter etwa die Zahl der politischen News-Artikel, die ein Nutzer teilen kann, auf 20 pro Tag beschränken. Das würde weniger als ein Prozent der beim Thema Falschnachrichten "unproblematischen" Nutzer betreffen. Eine Simulation der Studienmacher zeigt: Weil die "hyperaktiven" Verbreiter für eine so große Menge der geteilten Fake News verantwortlich sind, würde deren Zahl schon durch eine solche Regel bereits um 32 Prozent sinken.

Ebenfalls helfen könnten nach Ansicht der Wissenschaftler Warnhinweise, wenn Nutzer Artikel von bekannten Fake-Schleudern teilen oder retweeten wollen. Etwas ähnliches hat Facebook bereits eingeführt. Wer dort eine Nachricht teilen will, die schon von einer durch Facebook autorisierten Fact-Check-Organisation (wie dem deutschen Recherche-Portal Correctiv) widerlegt worden ist, wird auf den angezweifelten Wahrheitsgehalt des Inhalts hingewiesen. Ob das bisher einen positiven Effekt gehabt hat? Dazu schweigt Facebook.

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