Süddeutsche Zeitung

Facebook, Whatsapp, Instagram:Das Imperium zuckt mit den Schultern

  • 121 Milliarden Dollar hat Facebook am Donnerstag an Börsenwert verloren, eine der größten Kapitalvernichtungen in der US-Börsegeschichte an einem Tag.
  • Grund für den Absturz sind die neusten Quartalszahlen, mit denen Facebook seine Investoren warnte, dass das Umsatzwachstum nicht mehr wie bisher ausfallen werde.
  • Grund für eine Krise bei dem Konzern ist das aber nicht: Facebook kann auf sein Bilder-Netzwerk Instagram und den Messenger-Dienst Whatsapp setzen.

Von Jannis Brühl

Alex Jones ist ein kräftiger Mann, er hat eine mächtige Stimme und einen wirren Blick, und wenn irgendwann Blut fließen sollte, dann wird er behaupten, dass an seinen Händen keines klebt. In dieser Woche brachte der wildeste der US-amerikanischen Verschwörungstheoretiker per Video auf seiner Facebook-Seite Mark Zuckerberg wieder einmal in Bedrängnis. Jones bedrohte Robert Mueller, Sonderermittler in der Russland-Affäre und Lieblingsfeind der US-Rechten: Er machte Pistolengesten und verleumdete ihn als Chef eines Pädophilen-Rings. Nicht zum ersten Mal wirkten das soziale Netzwerk und sein Chef Zuckerberg unfähig, den Wahnsinn von ihren Kanälen fernzuhalten. Das Jones-Debakel ereignete sich kurz vor der Katastrophe, die sich zwei Tage später an den Börsen abspielen sollte.

121 Milliarden Dollar

hat Facebook an Börsenwert am Donnerstag verloren. Es handelte sich damit um einen der größten Kapitalvernichtungen in der US-Börsengeschichte an einem Tag. Grund dafür waren Zahlen, die der Konzern zuvor zum Umsatz und Nutzerwachstum vorgelegt hatte.

In seinen Quartalszahlen warnte Facebook seine Investoren, dass das Umsatzwachstum nicht mehr wie bisher ausfallen werde - also nur noch extrem gut sei statt unfassbar gut. Der Konzern bleibt trotzdem einer der profitabelsten der Welt. Der Aktienkurs stürzte trotzdem ab, 121 Milliarden Dollar Börsenwert waren zunächst einmal weg. Die Erfolgsstory wirkt nun getrübt. Das ist um so irritierender, als bislang noch kein Skandal dem Börsenkurs des Unternehmens ernsthaft schaden konnte. Trotz dieser dramatischen Zahl sind Sorge oder - je nach Haltung - Häme über eine Krise bei Facebook unangebracht. Zuckerberg hat seit Längerem einen Plan B. Auf den kann er nun bauen.

Der Konzern wird jetzt noch stärker auf sein Bilder-Netzwerk Instagram und seinen Messenger-Dienst Whatsapp setzen als bisher. Das Drei-Applikationen-Modell garantiert die Stabilität von Zuckerbergs Imperium. Dieses ist nicht mehr nur blau wie die Haupt-App Facebook, sondern auch lila und grün, die Farben von Instagram und Whatsapp.

Zuckerberg präsentiert sich gerne als idealistischer Nerd, der sich angeblich nicht einmal mit dem eigenen Anzeigengeschäft auskennt, dem er seine Milliarden verdankt. Aber über die Jahre hat er zwei geschäftliche Entscheidungen getroffen, die sich nun auszahlen. Er erkannte das Potenzial von Whatsapp und Instagram und kaufte beide für ein paar Milliarden Dollar. Mit Facebook als Tempomacher und Kapitalgeber konnten sie noch schneller wachsen. Am Mittwoch präsentierte der Konzern eine neue Kennzahl: 2,5 Milliarden Menschen nutzen demnach jeden Tag eine der drei Konzern-Apps. Das ist zwar einerseits ein PR-Trick, der die Stagnation der Facebook-Nutzerzahlen verschleiern soll, andererseits zeigt sie, wie viele Menschen der Konzern erreicht - weltweit mehr als die Hälfte aller Menschen, die online sind. Facebook bemüht sich stärker als andere IT-Unternehmen, die neuen Internet-Nutzer in ärmeren Ländern früh an sich zu binden. Die kritische Masse hat Facebook längst erreicht. Beide Apps können auch ein Mittel gegen Facebooks mögliches Generationen-Problem sein. Seit Jahren heißt es, die Plattform könne nicht mehr auf die jüngere Generation zählen. Instagram als Plattform der Selbstinszenierung ist bei Jüngeren aber beliebt, Whatsapp bei fast allen Altersklassen.

Der Konzern hat keine Konkurrenz mehr

Der Facebook-Konzern hat die Zeit, sich in Ruhe neu aufzustellen. Konkurrenz hat er keine mehr - die beiden anderen global führenden Kommunikations-Apps gehören ja zum eigenen Laden. Der Gigant sieht also auf den ersten Blick so aus, als würde er wanken, aber in Wahrheit verlagert er nur das Gewicht von einem Bein aufs andere. Für Nutzer von Instagram und Whatsapp bedeutet das, dass sie stärker mit Werbung konfrontiert werden. Bislang ist Facebook dort eher zurückhaltend. Die Whatsapp-Gründer, die Facebook beim Kauf der App übernahm, sind schon von Bord gegangen. Facebooks Strategie passt offensichtlich nicht zu ihren Vorstellungen - Datenschutz auf hohem Niveau und keine zielgerichtete, also überwachende Werbung. Nun hat Zuckerberg freie Hand.

Noch etwas anders fällt auf: Der Börsenabsturz in dieser Woche zeigt, dass der Druck von außen wirkt. In Europa ging die Nutzerzahl deutlich zurück, auch wegen der neuen Datenschutzregeln, die hier seit Mai gelten. Facebook hat viel Geld in die Hand genommen, um Selbstmordvideos, Manipulationen wie jene aus Russland vor den US-Wahlen 2016 oder Holocaust-Leugnungen in Deutschland zu bekämpfen. Nun zeigt sich endgültig das Geschäftsmodell des Konzerns: Die Geldmaschine Facebook war nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Verzichts auf Mindeststandards bei Sicherheit und Kontrolle so profitabel. Jahrelang konnten die Debatten über Datenschutz, Sicherheit und geistige Gesundheit von Nutzern - man denke an live übertragene Folter oder Vergewaltigung - Investoren nicht abschrecken. Das Geld floss, der Kurs stieg.

Nun investiert Facebook in Ethik-Standards: Der Konzern beschäftigt mehr Mitarbeiter, die den Inhalt moderieren, die Volksverhetzung und Enthauptungsvideos aussortieren. Auch baut Facebook den Einsatz künstlicher Intelligenz aus, die dasselbe tut, und stärkt den Schutz der Privatsphäre. Aber die Verteidigung der Nutzer gegen digitale Attacken, Desinformation und Datenklau kostet viel Geld. Das drückt auf den Gewinn - und verschreckt Anleger. Offenbar ist ein Facebook, das ein paar ethische Minimalstandards einhält, nicht in ihrem Interesse. Sie fühlten sich wohler, als Facebook noch eine unkontrollierte Datenschleuder war. Geld verdienen lässt sich mit den Apps aber auch in Zukunft. Allerdings könnten die Kartell-Aufseher zu dem Schluss kommen, dass ein Konzern nicht drei der wichtigsten Kommunikationsmittel der Erde besitzen sollte.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2018/ankl/jab
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