Süddeutsche Zeitung

Facebook-Reaktionen:Bei Facebook zählen Herzen jetzt mehr als Likes

  • Die fünf Reaktionen zählen bei Facebook ab sofort mehr als der Standard-Like.
  • Wer mit "Love", "Haha", "Wow", "Traurig" oder "Wütend" reagiert, erhöht also die Chance, in Zukunft mehr vergleichbare Inhalte zu sehen.
  • Alle fünf Emotionen sollen gleich stark gewichtet werden.
  • Für Facebook haben die Reaktionen einen großen Vorteil: Das Unternehmen erfährt noch mehr über die Nutzer, als wenn diese einfach nur liken.

Von Simon Hurtz

Hochzeiten und Babyfotos sind die neuen Katzenbilder. Wenn ein alter Schulfreund heiratet oder die Arbeitskollegin am Tag der Geburt die süße, kleine Kinderhand fotografiert, regnet es Facebook-Herzen. Selbst längst vergessene Bekannte tauchen wieder im Newsfeed auf, sobald sie sogenannte Lebensereignisse mit ihren Freunden teilen - und die reagieren ungewöhnlich oft mit "Love", statt den Beitrag einfach nur mit "Gefällt mir" zu markieren.

Das hat Facebook erkannt und will die Klicks mit Emotion ab sofort stärker gewichten als den Standard-Like. "Wir haben herausgefunden, dass Menschen, die eine Reaktion hinterlassen, ein noch stärkeres soziales Signal senden, als wenn sie den Post nur liken", sagt ein Sprecher. Das ist auch für Nutzer wichtig: Wer über ein Statusupdate lacht, ein Video gerne anschaut oder ein Foto als besonders beeindruckend empfindet, der sollte das mit den entsprechenden Emojis würdigen. Das erhöht die Chance, in Zukunft mehr dieser Inhalte zu sehen.

Menschen sind Gewohnheitstiere, deshalb dominiert der Standard-Like

Vor einem Jahr hat Facebook den Like-Button um fünf Reaktionen ergänzt: "Love", "Haha", "Wow", "Traurig" oder "Wütend". Seitdem haben Nutzer mehr als 300 Milliarden Mal auf eines der Icons geklickt, die unter den Beiträgen zu sehen sind. Dennoch dominieren bei fast allen Inhalten die normalen Likes. Das dürfte zwei Gründe haben: Gewohnheit und Bequemlichkeit.

Sieben Jahre haben Facebook-Nutzer ausschließlich gelikt, und so schnell wird man diese Routine nicht los. Außerdem erfordert der blaue Daumen weniger Aufwand als eine Gefühlsreaktion. Um ein Herz zu verteilen, müssen Nutzer den Like-Button kurz mit dem Cursor markieren (Desktop) bzw. gedrückt halten (mobile App), bevor die fünf Emotionen als Auswahlmöglichkeiten erscheinen. Das sind zwar nur Sekundenbruchteile, aber bereits die geringe koordinative Herausforderung kann entscheidend sein, wenn man in einer vollen U-Bahn steht und das Smartphone mit einer Hand bedient.

Facebooks Schicksal entscheidet sich am Algorithmus

Der Facebook-Algorithmus ist die Erfolgsformel des sozialen Netzwerks. Hunderttausende unterschiedliche Relevanzkriterien bestimmen, welche Inhalte in der Timeline auftauchen: Ist es ein Text-, Foto- oder Videobeitrag? Stammt der Inhalt von einer Freundin, mit der man häufig Nachrichten schreibt? Wie alt ist das Posting? Niemand weiß, welche Signale Facebook auswertet und wie diese zusammengesetzt werden.

Fest steht nur: Nutzer sehen nur einen Bruchteil der Inhalte, die Freunde und gelikte Seiten teilen. Die Milliardenfrage für Facebook lautet: Ist es der richtige Bruchteil? Wer zunehmend Inhalte sieht, die ihn nicht mehr interessieren, verliert schnell das Interesse an Facebook, das wiederum die Möglichkeit verliert, ihm Werbung anzuzeigen. Dementsprechend wichtig ist es für das Unternehmen, den Algorithmus ständig zu verbessern, um seine bald zwei Milliarden Nutzer bei Laune und auf der Webseite zu halten.

Genauso wenig, wie Google jemals seinen vollständigen Suchalgorithmus offenlegen wird, dürfte Facebook daran interessiert sein zu verraten, wie sich der Newsfeed zusammensetzt. Dementsprechend vage heißt es, dass Reaktionen einen "etwas höheren Stellenwert als Likes" bekommen sollen, "wenn es darum geht zu beurteilen, wie viel der jeweilige Inhalt der Person bedeutet."

Ein Programm soll Facebook verwirren - das birgt soziale Risiken

Obwohl "Love" im ersten Jahr öfter verwendet wurde als "Haha", "Wow", "Traurig" und "Wütend" zusammen, sollen alle Reaktionen gleichbehandelt werden, was die Auswirkungen auf den Newsfeed angeht. Natürlich landen diese Informationen trotzdem bei Facebook, das damit noch genauere Persönlichkeitsprofile erstellen kann.

Der Künstler Ben Grosser hält das für bedenklich und hat deshalb "Go Rando" entwickelt, eine Browser-Erweiterung, die Facebook unbrauchbare Daten liefern soll. Ein Zufallsgenerator wählt bei jedem Klick auf "Gefällt mir" eine der sechs Möglichkeiten (normales Like oder die fünf Emotionen). Dieses Gefühlschaos verwirrt Facebook mit Sicherheit - die mitlesenden Freunde aber auch: "Wir werden Eltern!" - Sad! Viel Spaß beim Diskutieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3400662
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.