Süddeutsche Zeitung

Facebook-Protest:Iranischer Geistlicher löst Busenbeben aus

Ein Kleriker macht leichtbekleidete Frauen für Naturkatastrophen verantwortlich. Nun startet eine US-Studentin eine freizügige Gegenaktion.

Johannes Kuhn

Es begann mit einer gewagten Behauptung. Beim Gebet in einer Moschee in Teheran fand der iranische Geistliche Kasem Sedighi eine einfache Erklärung für Erdbeben: Unzüchtig gekleidete Frauen steckten hinter den Naturkatastrophen, von denen das Land immer wieder heimgesucht wird.

"Viele Frauen, die sich nicht züchtig kleiden", sagte er vor Gläubigen, "führen Männer auf den falschen Weg, zerstören ihre Keuschheit und verbreiten Unzucht in der Gesellschaft, was zu Erdbeben führt."

Als Tausende Kilometer weiter die US-Studentin Jen McCreight von der absurden Äußerung erfuhr, reagierte sie mit Sarkasmus. In ihrem Blog bot sie ein Experiment an: Alle Frauen sollten am 26. April so leichtbekleidet wie möglich auf die Arbeit kommen, um wissenschaftlich zu beweisen, dass Brüste kein Beben verursachen können. "Mit der skandalösen Kraft unseres Körpers sollten wir ein Erdbeben hinbekommen", schrieb sie, "wenn nicht, wird Sedighi sicherlich eine rationale Erklärung liefern können, warum nichts passiert ist."

185.000 Facebook-Nutzer sind dabei

Die Idee des Boobquake-Tags wurde von verschiedenen Medien und Blogs aufgegriffen, McCreights Facebook-Gruppe traten innerhalb weniger Stunden Tausende Mitglieder bei. Inzwischen haben mehr als 185.000 Menschen - überwiegend Frauen - erklärt, am Montag leichtbekleidet auf der Arbeit zu erscheinen.

Die 22-Jährige, die sich als überzeugte Atheistin bezeichnet, zeigte sich vom Erfolg der Aktion wenig überrascht. "Wenn ich mich ernsthaft mit ihm (Sedighi, d. Red.) auseinandergesetzt hätte, hätte ich wahrscheinlich niemals eine Reaktion erhalten", erklärte sie in einem Interview, "aber unbeschwerter Spott erschien eine gute Taktik."

Inzwischen hat die Studentin auch Boobquake-T-Shirts herstellen lassen (Slogan: "Wer sagt, dass Wissenschaft langweilig sein muss"), der Erlös soll karitativen Zwecken zugutekommen. Auf der Facebook-Seite und Twitter haben inzwischen Frauen begonnen, Dekolleté-Bilder von sich zu veröffentlichen. Auf Twitter werden derzeit pro Minute mehrere hundert Nachrichten mit dem entsprechenden Schlagwort (#boobquake) gezählt.

Über Sinn und Unsinn des Brustbebens gehen die Meinungen allerdings auseinander: Während einige Frauenrechtlerinnen wie Meredith Haaf vom deutschen Feminismus-Blog Mädchenmannschaft die Aktion loben, hat sich auf Facebook bereits eine Gegenbewegung formiert.

Golbarg Bashi, Exil-Iranerin und Dozentin an der Rutgers University in New Jersey, hat die Gruppe "Brainquake" ("Hirnbeben") ins Leben gerufen. Darin fordert sie Frauen auf, statt ihres Körpers lieber Lebensläufe, Preise und erreichte Ziele zu veröffentlichen.

"Frauen und junge Mädchen sind jeden Tag dazu gezwungen, nackte Haut und mehr zu zeigen, um Gehör zu erhalten, wahrgenommen zu werden oder im Beruf voran zu kommen", schreibt Bashi. Die Frauen in Iran würden nicht durch ihre Körper, sondern durch ihre Kreativität und Intelligenz Widerstand gegen das dortige Regime leisten. An der Brainquake-Aktion beteiligen sich derzeit allerdings nur etwas mehr als 700 Menschen.

In Taiwan bebte tatsächlich die Erde

Bereits vor wenigen Monaten hatte eine ähnliche Aktion für Diskussionen gesorgt: Um auf Brustkrebs aufmerksam zu machen, hatten Frauen in ihrer Facebook-Statusmeldung die Farbe ihres BHs veröffentlicht. Auch damals hatte im Netz der Begriff "Slacktivism" die Runde gemacht. Das Wort bezeichnet eine Mischung aus Slackertum und Aktivismus und steht für bequeme Symbolgesten per Mausklick, die keine realen Folgen auf politische oder soziale Entwicklungen haben.

In diesem Fall könnten die Kritiker die Macht des Slacktivismus allerdings unterschätzt haben: Am Montagvormittag wurde aus Taiwan tatsächlich ein Erdbeben gemeldet, bei dem es nach bisherigen Informationen zu keinen größeren Schäden gekommen ist.

Die Reaktionen in der Boobquake-Gruppe auf Facebook lassen erahnen, wie groß das Hintergrundwissen zur Aktion zu sein scheint: Dort feiern zahlreiche Mitglieder, dass die Kraft der Brüste die Erde zum Beben gebracht habe.

Doch genau darum ging es eben nicht: Ein Erdbeben am Boobquake-Tag - einen besseren Beweis für seine absurde These hätte sich der frauenfeindliche Kleriker Kasem Sedighi nicht wünschen können.

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