Süddeutsche Zeitung

Facebook:Gefällt mir ganz und gar nicht mehr

  • Facebook soll kritische Organisationen bewusst mit George Soros in Verbindung gebracht haben, den viele Konservative und Rechte antisemitisch angreifen.
  • Das geht aus einer Recherche der New York Times hervor, die unter anderem offenbart, mit welchen Methoden sich Facebook gegen Kritik wehrt.
  • Facebook weist einzelne Vorwürfe in Teilen zurück, lässt den Großteil des Berichts aber unwidersprochen.

Von Simon Hurtz

Tiefe Einblicke in eines der mächtigsten Unternehmen der Welt: Die New York Times hat einen großen Enthüllungsartikel über Facebook veröffentlicht.

Aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Regierungsmitarbeiter und Lobbyisten zeichnen das Bild eines krisengeschüttelten Konzerns, der öffentlich beschwichtigt und intern alles tut, um Kritiker mit teils fragwürdigen Methoden unglaubwürdig zu machen. Der Artikel erscheint zu einem schlechten Zeitpunkt für Facebook. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge sind nur noch die Hälfte der Angestellten optimistisch, was Facebooks Zukunft angeht. Vor einem Jahr waren es 84 Prozent. Knapp ein Dutzend Spitzenmanager haben das Unternehmen seit Jahresbeginn verlassen, darunter die Instagram- und Whatsapp-Gründer.

Facebook weist in einem Blogeintrag einzelne Darstellungen in Teilen zurück, der Großteil der Recherche bleibt aber unwidersprochen. Ein Überblick.

Schmierenkampagnen gegen Kritiker

Im Sommer demonstrierte die Lobbyorganisation "Freedom from Facebook" mit Plakaten, die antisemitische Stereotype bedienten: die Gesichter von Gründer Mark Zuckerberg und Vize-Chefin Sheryl Sandberg auf dem Kopf eines Kraken, der die Welt umspannt. Facebook soll die jüdische Anti-Defamation-League aufgefordert haben, die Proteste als antisemitisch zu verurteilen. Die Strategie ging auf und konservative Medien bezeichneten "Freedom from Facebook" als "extreme Anti-Israel-Organisation".

Unabhängig vom eigenen PR-Interesse, ist es wichtig, Antisemitismus als solchen zu benennen. Doch Facebooks Vorgehen erscheint widersprüchlich: Nachdem der Investor George Soros auf dem Weltwirtschaftsforum Facebook und Google kritisiert hatte, schaltete Facebook in den Angriffsmodus. Facebooks PR-Agentur brachte ein Dokument in Umlauf, das Verbindungen zwischen Soros und "Freedom from Facebook" nachweisen sollte. Sie forderte Journalisten auf, zu untersuchen, wie die Soros-Familie Facebook-kritische Lobby-Organisationen finanzierte. Republikaner und Rechtsextreme greifen Soros und seine Stiftung immer wieder an und verbreiten antisemitische Verschwörungstheorien über den jüdischen Philanthropen.

Facebooks Handeln scheine Teil einer bewussten Strategie zu sein, "um von den Problemen abzulenken, mit dem sich Ihr Unternehmen herumschlägt", schreibt Patrick Gaspard, Vorsitzender der Soros-Stiftung, in einem offenen Brief an Sandberg. "Das ist verwerflich und ein Angriff auf [unsere] Grundwerte." es gehe aber nicht nur um Soros oder die Stiftung. "Ihre Methoden bedrohen die Werte, die das Fundament unserer Demokratie bilden."

Russische Propaganda? Halb so wild!

Kurz nach der US-Wahl nannte es Zuckerberg eine "verrückte Idee", dass Falschnachrichten auf Facebook das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Dabei hatte Facebooks Sicherheitsteam zu diesem Zeitpunkt bereits monatelang gewusst, dass russische Hacker auf der Plattform aktiv waren. Der Bericht der NYT offenbart tiefe Gräben zwischen Sicherheitschef Alex Stamos und Facebooks Führungsteam.

Stamos drängte demnach darauf, die Ergebnisse frühzeitig zu veröffentlichen, Insbesondere Sandberg war offenbar strikt dagegen und fürchtete politische und juristische Konsequenzen. In einem internen Treffen soll sie ihn vor anderen Spitzenmanagern sogar angeschrien haben. Im Laufe des vergangenen Jahres haben zahlreiche Führungskräfte Facebook verlassen, im Spätsommer ging auch Stamos. Was genau ihn dazu bewogen hat, ist unklar.

Klar ist, dass Facebook die Öffentlichkeit nur widerwillig und spät informiert hat - zu spät, wie das Unternehmen mittlerweile selbst eingesteht: "Wir waren zu langsam, die russische Einmischung zu erkennen", sagt das Unternehmen. Das ist vorsichtig formuliert: Mehr als ein Jahr lang versuchte Facebook, die russische Desinformationskampagne kleinzureden, obwohl es zumindest ein Teil der Angestellten besser wusste. Erst im Oktober 2017 gab das Unternehmen nach massivem öffentlichen Druck zu, dass 126 Millionen Facebook-Nutzer russische Propaganda zu Gesicht bekommen hatten. Ob das Einfluss auf ihre Wahlentscheidung hatte, lässt sich nicht belegen. Aber es zeigt, dass Facebook die Kontrolle über die eigene Plattform verloren hat.

Öffentliche Reue, versteckte Angriffe

Der Cambridge-Analytica-Skandal kostete Facebook viel Vertrauen. Mehrere große Kampagnen sollten Nutzer überzeugen, dass ihre Daten sicher seien und Facebook künftig verantwortungsvoller damit umgehen wolle. "Wir haben verstanden", verkündete das Unternehmen öffentlich. Zuckerberg stellte sich den Fragen der Kongressabgeordneten und gelobte Besserung.

Doch intern schaltete der Konzern auf Attacke. Bereits einige Monate zuvor hatte Facebook die republikanische PR-Agentur Definers angeheuert. Sie ist darauf spezialisiert, Strategien aus politischen Kampagnen auf Unternehmens-PR zu übertragen. Ein Ziel sei es, dass "positive Inhalte über dein Unternehmen und negative Inhalte über deine Konkurrenten veröffentlicht werden", sagte Tim Miller, Definers-Chef und ehemaliger Sprecher von Jeb Bush.

Diese Strategie setzte Facebook konsequent um. Kaplan drängte Sandberg, den Bush-Vertrauten Kevin Martin als Cheflobbyisten zu holen. Das sollte Facebooks Draht nach Washington verbessern und das Verhältnis der Republikaner zum Konzern stärken. Außerdem intensivierte Facebook die Zusammenarbeit mit Definers: Auf der konservativen Seite NTK Network erschienen Dutzende Artikel, die Google und Apple wegen angeblich unlauterer Geschäftspraktiken angriffen und Facebook gegen Vorwürfe verteidigten, zu wenig gegen russische Desinformation unternommen zu haben.

Das war kein Zufall: NTK ist eng mit Definers verbunden, einige der Artikel sollen sogar von Definers-Mitarbeitern geschrieben worden sein. In einem Statement bestreitet Facebook, dass es die Agentur angewiesen oder dafür bezahlt habe, diese Texte zu verfassen. Ganz glücklich scheint Facebook mit der Zusammenarbeit aber nicht gewesen zu sein: Das Unternehmer löste den Vertrag mit Definers auf, unmittelbar nachdem die NYT nun ihre Recherche veröffentlichte.

Zuckerberg gönnt Apple keinen Erfolg

Es ist nur ein einziger Satz, der in Klammern steht und höchstens einen Randaspekt ausmacht - aber er ist vielsagend. Nachdem die Cambridge-Analytica-Affäre bekannt wurde, profilierte sich Apple-Chef Tim Cook auf Zuckerbergs Kosten. Im Gegensatz zu Facebook interessiere sich Apple nicht für die Daten seiner Nutzer, Privatsphäre sei ein Menschenrecht, sagte er.

Dieser Angriff soll Zuckerberg wütend gemacht haben, schreibt die NYT. Er soll seine Manager angewiesen haben, nur noch Android-Smartphones statt iPhones zu verwenden. Schließlich habe das Google-Betriebssystem viel mehr Nutzer als iOS. Das sei längst bekannt gewesen, sagt Facebook nun. Man habe Mitarbeiter seit langem ermuntert, Android-Geräte zu nutzen. Das Unternehmen bestreitet aber nicht, dass Zuckerberg diese Aufforderung nach Cooks Äußerungen nochmal wiederholt hat.

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