Facebook:Jetzt sollen auch noch die Gefühle gläsern werden

Cybermobbing

Studien haben ergeben, dass Menschen, die soziale Medien besonders intensiv nutzen, häufiger unglücklich sind. Unklar ist, ob der Effekt auf einer Korrelation oder Kausalität beruht.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Tech-Konzerne wie Facebook wollen wissen, was Nutzer fühlen. Entsprechende Patente gibt es bereits. Das klingt gruselig, kann aber auch praktisch sein.

Von Michael Moorstedt

Manchmal könnte man vielleicht meinen, dass an dieser Stelle nicht die Netzkolumne, sondern eine Art Facebook-Skandaltagebuch seinen Platz hat. Doch das weltgrößte soziale Netzwerk tut eben auch eine Menge dafür, in den Schlagzeilen zu bleiben. Meistens geht es darum, genau zu wissen, wie die Nutzer denken und welche Inhalte sie genau jetzt gerne sehen möchten. Zuletzt wurden dafür mal wieder ein paar reizende Ideen zum Patent eingereicht.

Da wäre zum einen die Möglichkeit, die Emotionen der Nutzer vorherzusagen. Ein entsprechendes Programm analysiert die Tippgeschwindigkeit und -frequenz, den momentanen Standort und weitere Faktoren und ändert dementsprechend das Aussehen des Postings. Der geschriebene Text würde je nach Laune gefettet, mit einem Emoji versehen oder etwa in Versalien (das Online-Äquivalent eines Schreianfalls) gespeichert.

Ein zweites, ähnliches Patent benötigt Zugriff auf die Frontkamera des Smartphones. Eine noch zu entwickelnde Software untersucht das Gesicht des Nutzers auf dessen Gemütszustand hin und postet automatisch ein entsprechendes Smiley. Eine weitere Idee greift ebenfalls auf die Emo-Analyse zurück. Nur geht es dabei nicht um die Inhalte, die man selbst produziert, sondern um jene, die man zu sehen bekommt. Erkennt die Kamera Ärger oder Freude, bietet sie gleich entsprechende Bilder und Videos an.

Tech-Konzerne wollen die Gefühle ihrer Nutzer erfahren

Social Coaching nennen die Fachleute für marketingkonforme Neologismen dieses Konzept. Facebook ist aber nicht als einziges Unternehmen auf diesem Feld tätig, auch alle anderen IT-Großkonzerne, egal ob Google, Apple oder Microsoft, haben ein großes Interesse daran, über die Gefühlswelt ihrer Nutzer bestens informiert zu sein. Der Zweck ist dabei immer der gleiche: Kommunikation zu verstärken, das Nutzerengagement zu erhöhen und dadurch die Verweildauer auf den sozialen Netzwerken und den ihnen angeschlossenen Endgeräten zu verlängern.

Obwohl es sich bei der Facebook-Methode vorerst nur um ein Patent handelt, werden den Menschen ähnliche Technologien wohl schon bald auch in freier Wildbahn begegnen. Da wäre zum Beispiel das Bostoner Start-up Cogito, das eine Software entwickelt hat, mit der Callcenter-Mitarbeiter besser auf die Befindlichkeiten ihrer Kunden reagieren können. Das Programm misst den Grad an Aufregung und Frustration in der Stimme des Anrufers und gibt dann Tipps, wie man besser auf den Gesprächspartner eingehen kann.

Die Technologie kann auch zum Wohl der Nutzer eingesetzt werden

Man muss das nicht toll finden. Wer will schon seine Emotionen permanent von den eigenen Gadgets ausgelesen und interpretiert bekommen? Es ist ja nicht so, als sei die zeitgenössische Technik nicht schon bevormundend genug. Andererseits bietet die größtenteils textbasierte Kommunikation im Internet ja auch mannigfaltige Möglichkeiten zum Missverständnis.

Es gibt allerdings auch Versuche, die Technik nicht nur für möglichst reibungslose Profitmaximierung einzusetzen, sondern tatsächlich zum Nutzen der Anwender. Ausgerechnet Samsung, als supranationales Firmenkonglomerat nicht unbedingt bekannt für seinen Altruismus, hat zuletzt eine App namens Wemogee präsentiert. Diese übersetzt Schrift in entsprechende Emojis und zurück und soll so an Aphasie erkrankten Menschen helfen, SMS-Konversationen auch ohne Text zu führen.

Noch interessanter ist allerdings ein kleines Armband, das ein paar MIT-Forscher vor Kurzem vorgestellt haben. Das Gerät misst die Stimmlage und Sprechfrequenz des Gegenübers und soll psychisch Kranken dabei helfen, die mannigfaltigen sozialen Subtexte zu dechiffrieren, denen man im Alltag so begegnet. Farbige Linien für Ärger, Langeweile oder Freude zittern auf dem Bildschirm vor sich hin. Das Display wird zum EKG für Emotionen.

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