Facebook und Instagram:"Heute hast du drei Stunden und elf Minuten auf Facebook verbracht"

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Kritiker werfen Tech-Konzernen vor, Apps bewusst so zu entwickeln, dass Nutzer nicht davon wegkommen. (Foto: Yui Mok/dpa)
  • Facebook und Instagram bekommen eine Funktion, mit der sich die Nutzungsdauer kontrollieren lässt.
  • Nutzer können in den Apps Zeitlimits setzen und sich erinnern lassen, wenn sie die Grenze erreichen.
  • Facebook reagiert auf Kritik, dass soziale Medien bewusst so entwickelt seien, dass sie Nutzer abhängig machten.

Von Moritz Zajonz

Aufmerksamkeit ist das wichtigste Gut in der Tech-Branche. Mehr Aufmerksamkeit bedeutet längere Verweildauer, bedeutet mehr Werbung, bedeutet höhere Einnahmen. Der Facebook-Konzern gibt seinen Nutzern jetzt die Möglichkeit, zu kontrollieren, wie viel Aufmerksamkeit sie Facebook und Instagram schenken: In beiden Apps werden sie bald sehen, wie viel Zeit sie damit verbracht haben, Fotos zu teilen und durch ihre Newsfeeds zu scrollen. Nutzer können eine Grenze festlegen und sich daran erinnern lassen, wenn sie sie überschreiten.

Facebook will mit diesem Schritt demonstrieren, dass die Zeit, die Nutzer in Apps verbringen, nicht nur für das Unternehmen wertvoll sein kann, sondern auch für die Nutzer. Das sogenannte Aktivitäten-Dashboard wird im Laufe der kommenden Wochen für alle Nutzer freigeschaltet.

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Mit der neuen Funktion zur Selbstkontrolle reagiert Facebook auf öffentliche Kritik und eine Debatte, die seit Monaten tobt. Sie dreht sich um Suchtpotenzial und mögliche psychische Folgen von Social-Media-Nutzung. Mehrere Studien hatten ergeben, dass Menschen schlechter gelaunt sind, wenn sie soziale Medien nutzen. Daraufhin hat Facebook eigene Untersuchungen in Auftrag gegeben.

Die Facebook-Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es auf die Art der Nutzung ankomme. Passiver Konsum, also einfach nur den Feed durchscrollen, Likes abgeben und Profile anschauen, senke die Stimmung und mache Nutzer unzufrieden. Dagegen sei es gut für das Wohlbefinden, wenn sie mit ihren Freunden aktiv interagieren, also Posts mit Freunden teilen und sich über gemeinsame Erlebnisse austauschen. Dafür verwendeten die Wissenschaftler den Begriff "meaningful interactions", bedeutsame Interaktionen. Gemeinsam mit "Time well spent" nutzt Facebook ihn seitdem als Werbeslogan.

Vor echten Einschränkungen schreckt Facebook zurück

Damit macht sich Mark Zuckerberg das Motto einer Bewegung von Social-Media-Kritikern zu eigen, die fordern, dass Unternehmen wie Facebook verantwortungsvoller mit der Zeit der Nutzer umgehen sollen. Tristan Harris, ein ehemaliger Google-Mitarbeiter, prägte den Begriff "Time well spent" - Zeit sinnvoll verbringen. Er formte eine gleichnamige Bewegung und gründete eine Organisation.

Inzwischen heißt diese Organisation Center for Humane Technology. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen einen gesünderen Umgang mit ihrem Smartphone entwickeln können. Etliche Ex-Mitarbeiter der großen Tech-Konzerne zählen mittlerweile zu den größten Kritikern ihrer ehemaligen Arbeitgeber. Sie sagen, dass Unternehmen ihre Apps gezielt so entwickelten, dass sie abhängig machen. Dieser sogenannte Techlash ist mitverantwortlich für den Sinneswandel im Silicon Valley, den einige Unternehmenschefs und Gründer zumindest nach außen hin propagieren.

Facebook hätte bei der neuen Funktion auch noch weiter gehen können: Es gibt bereits einige Apps, die Nutzern die Kontrolle über ihren Umgang mit dem Smartphone zurückgeben wollen. Sie ermöglichen es beispielsweise, den Zugriff auf Apps - darunter Facebook - ganz zu beschränken, wenn sich Nutzer konzentrieren wollen oder eine Social-Media-Pause nötig haben. Zu einem so drastischen Schritt ist Mark Zuckerberg offensichtlich nicht bereit.

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