Facebook: Gerüchte um Börsengang 2012:Die 100-Milliarden-Dollar-Wette

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Facebook will alle Grenzen sprengen und mit einer Bewertung von 100 Milliarden Dollar an die Börse gehen. Um diese zu rechtfertigen, muss das Unternehmen die Informationen seiner Nutzer noch stärker vermarkten - und auch den Sprung auf einen Markt wagen, auf dem die Firma eigentlich nur verlieren kann.

Johannes Kuhn

Mehr als Goldman Sachs. Mehr als McDonald's. Mehr als Unilever. Und vor allem: Mehr, als sich Unternehmensgründer Mark Zuckerberg jemals hätte erträumen lassen - jedenfalls wenn man die Unternehmenswerte (PDF-Datei) mit dem vergleicht, was Facebook jetzt zugeschrieben wurde.

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Mehr als 600 Millionen Mitglieder, 500.000 Kommentare pro Minute, erwartete Werbeeinnahmen von vier Milliarden Dollar: Facebook ist zum mächtigen Netz hinter dem Netz geworden, das fleißig Daten einfängt.

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Mit einer Bewertung von 100 Milliarden Dollar, so berichtet es der auf Wirtschaftsthemen spezialisierte Sender CNBC, will Facebook im ersten Quartal 2012 an die Börse gehen - und damit theoretisch etablierte Großunternehmen in Sachen Marktwert sofort hinter sich lassen.

Facebooks Börsengang wird in der Branche bereits länger sehnsüchtig erwartet - und die steigenden Erwartungen schlagen sich auch auf die Marktbewertung nieder. 2006 wurde das soziale Netzwerk erstmals auf eine Milliarde Dollar geschätzt, im Juni 2010 lag die Bewertung schon bei 23 Milliarden Dollar. Schon sechs Monate später schätzte Goldman Sachs Facebook mit 50 Milliarden.

Nun also theoretisch 100 Milliarden. Wie realistisch eine solche Bewertung ist, darüber herrscht bei Analysten Uneinigkeit. Bei der für Juli angepeilten Nutzerzahl von 700 Millionen wäre jedes angemeldete Mitglied damit 142 Dollar wert.

Legt man die Schätzungen von 2010 zugrunde, setzt Facebook pro Mitglied derzeit etwa 3,33 Dollar um (600 Millionen Nutzer, zwei Milliarden Dollar Umsatz). Damit müsste das Netzwerk entweder weiter stark wachsen, für eine lange Bindungsdauer sorgen (nach diesem Modell theoretisch durchschnittlich 42 Jahre) oder den Umsatz pro Nutzer kräftig steigern.

Streit über Nutzerzahlen

Eine Nutzertreue von mehreren Jahrzehnten mag der Vision von Mark Zuckerberg, Facebook als Netzwerk für den ganzen Lebenszyklus zu etablieren, entsprechen - realistisch ist sie allerdings in den schnelllebigen Internet-Zeiten jedoch erst einmal nicht.

Auch auf ein weiteres steiles Nutzerwachstum kann sich Zuckerberg nicht verlassen: Zwar kann das Unternehmen derzeit in Ländern wie Brasilien und Deutschland außergewöhnlich stark zugewinnen, das liegt aber daran, dass es dort lange regionale Konkurrenz gab (Deutschland: VZ-Netzwerke, Brasilien: Orkut), die nun endgültig bezwungen ist.

In den Kernmärkten sieht es jedoch anders aus: Nach einer Analyse der Facebook-Werbedaten durch das Blog Inside Facebook ging in den USA die Zahl der aktiven Mitglieder von Mai auf Juni um fast sechs Millionen auf knapp 150 Millionen zurück, ein ähnlicher Trend zeigt sich in einigen anderen großen Ländern wie Großbritannien.

Zwar hat Facebook die sinkenden Mitgliederzahlen bereits mit Hinweis auf die schwache Datenbasis der Schätzungen offiziell dementiert, doch die Frage nach den Grenzen des Wachstums dürfte sich in vielen Kernmärkten mittelfristig sowieso stellen.

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Facebook-Chef Zuckerberg wirft deshalb ein Auge auf den schwierigen chinesischen Markt: Gerüchten zufolge soll Facebook bereits eine Abmachung mit der chinesischen Suchseite Baidu getroffen haben. Demnach wird das soziale Netzwerk nicht in China auf den Markt kommen, sondern gemeinsam mit dem dortigen Partner ein eigenes Portal bauen, das auch den chinesischen Zensurregeln angepasst sein dürfte.

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Ein solcher Schritt will allerdings wohlüberlegt sein: Eine Zusammenarbeit mit der chinesischen Zensur dürfte Facebook einen schweren Imageschaden zufügen, unter dem wiederum die Mitgliedszahlen im Rest der Welt leiden könnten.

Als simplere Option bietet sich die Steigerung der Werbeeinnahmen bei bestehenden Nutzern an: Für 2011 rechnen Analysten mit einem Umsatz von vier Milliarden Dollar, vor allem durch personalisierte Werbung. Der Umsatz von 3,33 Dollar je Mitglied wird weiter steigen, liegt allerdings auf absehbare Zeit erst einmal weit entfernt von den 24 Dollar, die Google pro Nutzer erzielt.

In diese Sphären vorzudringen, scheint jedoch nicht komplett unmöglich: Da wäre der soziale Graph, also die Kenntnis über Verbindungen und Vorlieben von Nutzern. Mit jeder Aktion eines Mitglieds bei Facebook wächst der vermarktbare Informationsbestand des Unternehmens, der eine gezielte Schaltung von Werbung nach Einzelinteressen ermöglicht. Derzeit verbringen Facebook-Nutzer durchschnittlich etwas mehr als sechs Stunden pro Monat auf der Seite - das ist der höchste Verweildauer-Wert, den es derzeit im Web gibt.

Weil Facebook längst kein geschlossenes Portal mehr ist, sondern viele Seiten und Anwendungen per Gefällt-mir-Knopf oder Login-Möglichkeit Mitgliedern auch anderswo die Möglichkeit zur Interaktion geben, hinkt auch der Vergleich mit MySpace, das einst ob der mangelnden Attraktivität der Seite sehr schnell sehr viele Nutzer verlor.

Was passiert, wenn Hacker zuschlagen?

Allerdings zeigt das MySpace-Beispiel, dass soziale Netzwerke eine sehr fragile Konstruktion sind. Der Facebook-Aktivitätsstrom, der bislang die Nutzer fesselt, könnte bald nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen. Die Vermarktung der eigenen Informationen könnte die Mitglieder Facebook-müde machen und ihre Haltung zur Privatsphäre überdenken lassen. Und da sind auch noch die Regierungen, die möglicherweise mit neuen Regelungen zur Privatsphäre Facebook einen Strich durch die Rechnung machen können.

Schließlich könnte ein Hackerangriff, der private Informationen über Nutzer an die Öffentlichkeit bringt, als Reaktion zu einem Massenexodus der Mitglieder führen - die LulzSec-Hacker scheiterten zwar jüngst mit einem Angriff, gaben aber an, dass das Netzwerk verwundbar sei.

Vorsicht vor der Blase

Ob Überfliegerhoffnung oder Niedergangsphantasie: Die Branche wartet erst einmal auf die offizielle Ankündigung des Börsengangs, weil Facebook in diesem Zuge genauere Informationen über das bilanzielle Innenleben des Unternehmens veröffentlichen muss. Dies wird sowieso bald unvermeidlich: Weil Facebook voraussichtlich in diesem Jahr die Marke von 500 Anteilseignern erreichen wird, werden öffentliche Quartalsberichte sowieso Pflicht.

Anders als zu Zeiten der New Economy dürften die Börsenpläne dann auch ganz genau unter die Lupe genommen werden, wie das Beispiel Groupon zeigt: Der vielgepriesene Online-Gutschein-Anbieter hatte in seinen Unterlagen zum Börsengang bei den prognostizierten Geschäftsaussichten wesentliche Kosten einfach herausgerechnet - das Fazit vieler Branchenbeobachter lautet deshalb inzwischen: Finger weg, Blasengefahr!

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