Süddeutsche Zeitung

Facebook gegen Google:Mark Zuckerberg kämpft gegen den Plus-Hype

Facebook stellt seinen Skype-Chat vor, doch alle reden nur vom Konkurrenten: In der IT-Branche gilt Google Plus als ernsthafter Herausforderer für das Zuckerberg-Imperium. Bald öffnet Google seinen Dienst für die Allgemeinheit - und läutet damit einen Kampf ein, der Jahre dauern könnte.

Johannes Kuhn

Etwas "Geniales" hatte Mark Zuckerberg versprochen; weil der Facebook-Chef jedoch einzig einen Videochat für das Portal vorstellte, herrscht große Ernüchterung. "Als sie angekündigt haben, etwas 'Geniales' zu präsentieren, hatte ich nicht die Definition von 'genial' aus dem Jahr 2005 erwartet", spottete beispielsweise Casey Johnston von der IT-Seite Ars Technica.

Dass Facebook einen Videochat erhält, ist logisch: Bereits jetzt nutzen viele Mitglieder den textbasierten Chat, die Erweiterung auf Bewegtbild-Konversationen war eigentlich bereits viel früher erwartet worden.

Dass der Internet-Telefoniedienst Skype die Technik dafür liefert, passt ebenfalls ins Konzept: Jüngst kaufte Microsoft das Unternehmen für stolze 8,5 Milliarden Dollar - der Windows-Konzern ist aber auch mit 1,6 Prozent an Facebook beteiligt.

Vielleicht hätte die neue Funktion vor einigen Tagen noch für mehr als ein müdes Gähnen gesorgt - doch Facebook ist derzeit nicht mehr das Gesprächsthema Nummer eins in der Branche: Google hat mit seinem Dienst "Google Plus" ein Konkurrenznetzwerk gestartet, dem die Branche durchaus zutraut, dem Marktführer einige seiner etwa 750 Millionen Nutzer abzunehmen.

Bislang befand sich der Dienst in einer Testphase, etwa 500.000 Mitglieder sollen dort unterwegs sein. Weil sich darunter aber sämtliche Internet-Evangelisten und Tech-Blogger tummeln, wird bei Plus und im Netz heftig diskutiert, ob Google Facebook im Bereich der sozialen Netzwerke gefährlich werden kann.

Reizvoll für Early Adopter

In einigen Punkten setzt Googles Netzwerk tatsächlich Maßstäbe. Mit "Hangout" besitzt Plus beispielsweise einen eigenen Gruppen-Videochat, an dem bis zu zehn Personen teilnehmen können. Eine solche Funktion fehlt dem Facebook-Chat erst einmal - auch, weil Skype für solche Funktionen derzeit Geld von Premium-Kunden verlangt.

Vor allem aber erhält die bessere Verwaltung der Privatsphäre über die "Circles", intuitiv einzurichtende Gruppen für verschiedene Freundes- und Bekanntenkreise, bislang viel Lob. Wie bei vielen Funktionen hat sich Google hier an Facebook angelehnt, wo Nutzer ihre Freunde auch in Gruppen einteilen können - allerdings weit umständlicher. Anders als bei Facebook können Google-Nutzer ihre Daten auch komplett mitnehmen, wenn sie die Plattform verlassen.

Das alles macht den Dienst für die Early Adopter sehr reizvoll. Allerdings bleibt noch ungewiss, ob auch der Normalnutzer sein Facebook-Konto gegen einen Dienst wie Google Plus eintauscht, um dort über sein Google-Konto ein neues Kontaktnetz zu knüpfen.

Ebenfalls unklar ist, welche Erwartungen Google an den Dienst hat: Schätzungen zufolge hat das Unternehmen mehr als 550 Millionen Dollar in die Entwicklung des neuen Dienstes gesteckt. Insgesamt, das zeigen auch die geplanten Umbenennungen der Fotodienste Picassa (bald: Google Photos) und Blogger (bald: Google Blogs), dass das Unternehmen stärker an einem einheitlichen Markenbild feilt.

Zudem verändert der "+1"-Knopf, den auch sueddeutsche.de auf seiner Seite verbaut hat, die Google-Suche massiv: Weil jetzt Bekannte oder öffentliche Personen, die eine Seite empfohlen haben, unter den entsprechenden Suchergebnissen angezeigt werden, verändert sich die Gewichtung der Resultate: Der soziale Faktor dürfte Suchmaschinenoptimierungs-Gurus in aller Welt heftige Kopfschmerzen versetzen.

"Google Plus kann Google stärker machen, was wiederum dazu führt, dass Facebook seine Vision nicht so stark ausdehnen kann", glaubt deshalb MySpace-Gründer Tom Anderson in einem Beitrag bei Google Plus.

Followerkönig Zuckerberg

Dem Versuch, Facebook über Gefällt-mir-Knopf und offene Schnittstellen als Netz hinter dem Internet zu etablieren, hat Google zumindest nun erstmals etwas Substantielles entgegenzusetzen - und wildert damit mittelfristig im Markt der personalisierten, interessensbezogenen Werbung, den bisher Facebook klar dominiert.

Ende Juli soll Google den Dienst Berichten zufolge für die Allgemeinheit öffnen*. Ob Plus den Konkurrenten wirklich signifikant schwächen kann, wird sich erst viele Monate später zeigen. Zunächst einmal bleibt Facebook im sozialen Web das Maß aller Dinge: Das Google-Plus-Profil mit den meisten Followern gehört niemand anderem als Mark Zuckerberg.

Mehr im deutschsprachigen Web:

Netzwertig: Späte Quittung für Facebook

Sascha Lobo: Wem Google+ wirklich Konkurrenz macht

Richard Gutjahr: Google plus vs. Facebook minus

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*In einer früheren Version war zu lesen, dass Google Plus nun für Google-Nutzer geöffnet wurde. Dies war leider eine Fehlinformation, die wir zu entschuldigen bitten.

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