Dating:So will Facebook Tinder Konkurrenz machen

Dating: Nach den Freundschaften möchte sich Facebook nun auch noch um Liebe und Sex kümmern.

Nach den Freundschaften möchte sich Facebook nun auch noch um Liebe und Sex kümmern.

(Foto: Artem Beliaikin/unsplash)
  • Die Dating-Funktion von Facebook startet in den USA und 19 anderen Ländern. Nach Europa soll sie Anfang 2020 kommen.
  • Facebook muss sich das Vertrauen der Nutzer aber erst wieder erarbeiten.

Von Philipp Bovermann

Auf Facebook gebe es 200 Millionen Singles, sagte Firmengründer Mark Zuckerberg im vergangenen Jahr auf der Entwicklerkonferenz F8, als fühle er sich für all diese einsamen Herzen verantwortlich: "Hier gibt es ganz klar etwas zu tun." Kurz darauf gab die Aktie der Match Group, zu der unter anderem die App Tinder gehört, um fünf Prozent nach. Zuckerberg hatte eine Dating-Funktion für Facebook angekündigt.

Nun ist sie da, nach einer anfänglichen Testphase nun offiziell in den USA und 19 anderen Ländern. In Europa soll sie Anfang kommenden Jahres starten. Sie könnte der Social-Media-Plattform neuen Auftrieb geben, wenn es auf Facebook plötzlich nicht mehr nur darum geht, "Likes" zu sammeln, also "gemocht" zu werden - sondern auch darum, begehrt zu werden.

Zunächst hat Facebook aber erst einmal ein Problem. Das Unternehmen weiß, dass die Nutzer beim Dating möglicherweise lieber einem anderen Dienst vertrauen. Einem, der die intimen Details, die man, so Gott will, mit anderen einsamen Nutzern austauscht, nicht irgendwann für Werbekunden auswertet. Oder sie plötzlich auf frei zugänglichen Servern herumliegen, so wie jüngst die Handynummern von mindestens 200 Millionen Nutzern. Um ein bisschen Vertrauen aufzubauen, hat Facebook die neue Dating-Funktion in einen eigenen, abgeschotteten Container verlagert, als App-in-der-App, ohne Werbung und offenbar auch ohne Analyse der sensiblen Nutzerdaten für mögliche Werbekunden.

Wer mitmachen will, muss sich dafür ein komplett neues Profil zulegen, nur den Namen und das Alter zieht Facebook aus seiner Haupt-App. Anschließend lädt man bis zu neun Fotos hoch und beantwortet eine Reihe von Fragen, um es potenziellen Interessenten zu erleichtern, das Eis zu brechen. Etwa, wie man sich einen perfekten Tag vorstellt. Man kann auch Inhalte verlinken, die man bereits auf Facebook oder Instagram gepostet hat, ohne dass jemand außerhalb von Facebooks Dating-Welt etwas davon mitbekäme. Komplett außerhalb des Social Media-Kosmos von Facebook bewegt man sich also eben doch nicht - aber das tut man bei anderen Dating-Apps ja auch nicht.

Aus der normalen Freundesliste können die Nutzer ihren "heimlichen Schwarm" wählen

Tinder und Bumble beispielsweise nutzen ebenfalls Facebooks Daten. Deshalb zeigt Tinder an, wie viele gemeinsame Facebook-Freunde man mit der Person hat, deren Foto man sich gerade anschaut. Verhindern, dass man über die eigene Ex-Freundin, den eigenen Ex-Freund stolpert, kann man bei diesen Apps allerdings nicht - und somit auch nicht, dass umgekehrt Freunde und Kollegen interessiert das eigene Profil studieren. Facebooks Dating-Funktion allerdings lässt sich so einstellen, dass man nur außerhalb des eigenen Netzwerks von Freunden und deren Freunden datet. Umgekehrt lassen sich auch bestimmte Menschen in den gesonderten Dating-Container hineinholen. Aus der normalen Facebook-Freundesliste kann man jemanden als "Secret Crush" auswählen, einen "heimlichen Schwarm". Der kriegt dann eine Benachrichtigung, dass jemand ihn anschwärmt, in der aber nicht steht, wer der heimliche Verehrer ist. Erst wenn beide sich gegenseitig als "Secret Crush" markiert haben, enthüllt das Programm, um wen es sich jeweils handelt - also so wie auf Tinder, wenn man ein "Match" hat.

Auch innerhalb von Gruppen, denen man auf Facebook beigetreten ist und in Veranstaltungen, die man besucht hat, kann man heimlich schwärmen und "matchen". Man kann sich beim Dating also innerhalb der sozialen Strukturen bewegen, wie sie sich auf Facebook abbilden - indem man bestimmten Teilen seines Netzwerks aus dem Weg geht, andere aktiv aufsucht. Das könnte ein entscheidender Vorteil für Facebook sein: Andere Apps bieten zwar auch Verknüpfungen zu Facebook. Aber nicht die Infrastruktur eines kompletten sozialen Netzwerks, das sich im Alltag ständig verändert.

12 Milliarden

So lautet der Wert in US-Dollar, auf den die Analysten des Finanzunternehmens Nomura Instinet den weltweiten Markt für Onlinedating im Jahr 2020 schätzen. Ihre Überlegung: Rund die Hälfte der Internetnutzer sind Singles. Ein Fünftel dieser Gruppe wird Onlinedating ausprobieren, glauben die Analysten. Das macht über 300 Millionen Menschen weltweit. Von diesem Potenzial hat bislang vor allem die Match Group profitiert, die Dating-Apps betreibt, unter anderem Tinder. Ihr Aktienkurs hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verfünffacht.

So wie auch die meisten anderen Dating-Apps schlägt einem Facebook mögliche Kandidaten vor. Diese Vorschläge kommen nicht zufällig aus dem Blauen, sondern stammen von Algorithmen, die berechnen, wer zu wem passen könnte. Bei Facebook ermitteln sie sich laut Aussage des Unternehmens auf der Grundlage von "deinen Vorlieben, Interessen, und anderen Dingen, die du auf Facebook tust". Das klingt, gelinde gesagt, nach einer sehr soliden Datengrundlage. Eine Studie der Stanford University zeigte, dass Facebooks Algorithmen die Antworten ihrer Nutzer besser vorhersagen können als der eigene Ehepartner, sobald man über 300 Likes abgegeben hat. Und darum geht es beim Dating schließlich: Jemanden zu finden, der einen versteht. Der zu einem passt. Jemanden, dem man vertraut.

Doch was springt dabei für das Unternehmen heraus? Da der Dating-Bereich von Facebook werbefrei ist, wirft er wohl keine direkten Gewinne ab. Allerdings könnte das soziale Netzwerk, zum Dating-Spielplatz umfunktioniert, wieder interessanter für viele Menschen werden: Laut einer Untersuchung des PEW Research Center haben 2017 fast die Hälfte der US-amerikanischen Nutzer eine zumindest zeitweilige Pause von Facebook eingelegt. Die Jüngeren nutzen häufig lieber Instagram. Sie könnten die Funktion ausprobieren, um mit ihren Instagram-Fotos auf Datingtour zu gehen - und dabei die klassische, blaue Facebook-App entdecken, die besonders wertvolle Daten abliefert. In sie ist das Dating eingebettet.

Davon abgesehen: Wenn auch nur drei Prozent der rund 2,4 Milliarden Facebook-Nutzer sich zum Dating anmelden, zieht der Social-Media-Gigant am bisherigen Marktführer Tinder vorbei. Ob sich das Unternehmen dann noch an sein Versprechen erinnert, die Daten nicht für Werbung zu nutzen?

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