"Facebook at work":Auf der Suche nach dem Wow-Effekt

People pose with laptops in front of projection of Facebook logo in this picture illustration taken in Zenica

Weniger prokrastinieren, mehr mit Kollegen chatten. Das will zumindest Facebook.

(Foto: Dado Ruvic/Reuters)

Viele Unternehmen verbieten ihren Angestellten, Facebook in der Arbeitszeit zu nutzen. Nun entwickelt der US-Konzern eine neue Plattform für den Büro-Alltag. Doch was passiert mit den Daten?

Von Pascal Paukner

Zu den viel zu selten gewürdigten Errungenschaften des digitalen Zeitalters zählt es, in kurzer Zeit Antworten auf die großen Fragen des Alltags finden zu können. Gerade vergessen, wie man einen Krawattenknoten bindet? Auf der Ratgeberseite erklärt es jemand. Wie war das mit dem perfekten Lidschatten? Da gibt's doch diese Anleitung auf Youtube. Besonders leicht haben es Büroangestellte: Wer auf der Suche nach Zerstreuung bei der Arbeit ist, der findet unzählige Anleitungen, wie man alles Mögliche macht, aber nicht: arbeiten. Bored at work, heißt das Phänomen im Angelsächsischen.

Bislang spielte Facebook bei solchen Überlegungen zumeist die wichtigste Rolle. Wer sich über den Beziehungsstatus des Großcousins informieren, die neuesten Fotos von Kim Kardashian oder das süßeste Katzenvideo angucken kann, kommt auch ohne Arbeit ganz gut durch den Tag.

Bald schon allerdings könnte sich die Rolle des weltgrößten sozialen Netzwerks im Berufsalltag erheblich verändern. Das Unternehmen plant, einen neuen Dienst für Unternehmen einzuführen, berichtet die Financial Times. Neben das alte, private Facebook soll ein berufliches Facebook namens "Facebook at work" treten.

Mit Kollegen chatten

Nutzer dieses separaten Dienstes sollen mit Kollegen chatten, Informationen mit Geschäftspartnern austauschen und gemeinsam Dokumente bearbeiten können, heißt es in der Zeitung unter Berufung auf anonyme Informanten. Derzeit befinde sich das Angebot in der Testphase. Es werde sowohl intern bei Facebook eingesetzt als auch bei ausgewählten Testfirmen. Damit verdichten sich die Gerüchte, wonach Facebook sich schon bald grundlegend weiterentwickeln wird. Das Unternehmen wird in eine Branche einsteigen, die lange Zeit in Lethargie vor sich her wirtschaftete.

Kollaborations-Software für Gruppen und soziale Netzwerke für Unternehmen gibt es schon lange. Sonderlich sexy oder gar innovativ waren die Angebote nur selten. Bei Business-Netzwerken wie Linkedin oder Xing waren viele Menschen lange nur, weil kürzlich noch selbsternannte Internet-Experten durch die Lande tingelten, die den Leuten erzählten, man könne schon bald keinen Job mehr finden, wenn man nicht jede erfolgreiche IHK-Fortbildung der letzten 20 Jahre auf seinem Online-Profil hinterlegt habe.

Angebote wie die Online-Textbearbeitung von Google werden zwar in vielen Unternehmen eingesetzt, meist kommt dann aber doch wieder der Kollege mit einem Word-Dokument um die Ecke. Ähnlich verhält es sich mit etablierten Firmennetzwerken wie Yammer, Chatter oder Hip Chat. Sie gewinnen zuletzt zwar an Popularität, ein Wow-Effekt stellte sich bei der Nutzung aber selten ein. Das ändert sich nun.

Der Durchbruch in den Massenmarkt könnte bevorstehen

Die Branche erlebt derzeit einen radikalen Umbruch. Es könnte der Durchbruch in den Massenmarkt sein. Firmenmanager interessieren sich zunehmend für die Frage, wie der technische Fortschritt der vergangenen 15 Jahre auch endlich bei der Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter umgesetzt werden kann. In vielen Firmen ist der Geist der Neunzigerjahre noch erstaunlich lebendig: Endlose E-Mail-Konversationen wechseln sich mit Marathon-Meetings ab.

Nun soll alles anders werden. Verantwortlich dafür ist ein Mann namens Stewart Butterfield. Sein Online-Dienst Slack könnte, wenn es so weitergeht, zum wichtigsten Start-up des Jahres werden.

Slack muss man sich wie einen großen Chatroom für Unternehmen vorstellen. Mitarbeiter können dort Kanäle einrichten, um sich über Projekte auszutauschen. Zudem kann man seinen Kollegen ziemlich unkompliziert eine Nachricht oder Datei zukommen lassen. Der berufliche Austausch fällt erheblich leichter als mit der doch schon etwas antiquierten E-Mail.

Investoren beziffern den Wert des Start-ups schon jetzt auf mehr als eine Milliarde Dollar. Im Silicon Valley gibt es längst Unternehmen, die in Stellenangeboten damit werben, dass bei ihnen dieses Kommunikationswerkzeug zum Einsatz kommt. Slack als neuer Anreiz in dem an Anreizen nicht armen Arbeitsmarkt für Informatiker in Kalifornien. Das verdeutlicht, wie wichtig die Angelegenheit ist. Es geht um mehr als eine Spielerei.

Ein Hype, der Zuckerberg aufgeschreckt hat

Auch Firmen wie Google, Apple und Microsoft setzen den Dienst angeblich intern ein. Kurzum: Es herrscht ein ziemlicher Hype, der offenbar auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg aufgeschreckt hat. Dessen erklärtes Ziel ist es schließlich, die Informationen der Welt zu organisieren. Und in den meisten Unternehmen fallen bekanntlich ziemlich viele Informationen an. Facebook kann also schlecht darauf verzichten, wenn es weiterwachsen will. Dem Bericht in der Financial Times zufolge wird das soziale Netzwerk deshalb auch zumindest am Anfang kein Geld für das neue Angebot verlangen. Der Plan scheint eher darin zu bestehen, möglichst schnell möglichst viele Nutzer zu gewinnen.

Geld verdienen ließe sich später noch mit Werbeeinblendungen oder kostenpflichtigen Zusatzfunktionen. Außerdem könnte Facebook ganz nebenbei einen der größten Wachstumshemmer beseitigen: Nach wie vor gibt es viele Unternehmen, die den Dienst für ihre Mitarbeiter komplett gesperrt haben, weil sie eine sinkende Produktivität befürchten. Wenn diese Sperren fallen, dann steigen Zugriffe und Verweildauer und damit die Werbeeinnahmen. So lautet zumindest das Kalkül.

Offen ist bislang, wo Facebook bei dem neuen Angebot den Schwerpunkt legen wird. "Es gibt einen Unterschied zwischen einem sozialen Geschäftsnetzwerk und einem sozialen Netzwerk in deinem Geschäft", warnte Benedict Evans, einer der einflussreichsten Branchenbeobachter, anlässlich der neuen Informationen auf Twitter. Und es stimmt ja auch: Eine gute Xing-Alternative ist nicht zwangsläufig eine gute Alternative zur Online-Bürosoftware Google Docs.

Ob Facebook das schafft, beide Welten zu vereinen, ist offen. In den vergangenen zehn Jahren hat das Unternehmen immer wieder große Projekte vorgestellt, die sich dann im Nachhinein als Flop herausstellten. Zumindest in Europa dürfte auch nicht jeder Chef begeistert davon sein, wenn sämtliche Protokolle der internen Kommunikation seines Unternehmens auf Servern von Facebook lagern - und damit dem Zugriff der amerikanischen Behörden ausgeliefert sind.

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