Süddeutsche Zeitung

Ex-Spione bei Apple:Schweigt stille, plaudert nicht

Geheimhaltung ist Teil von Apples Geschäftsmodell. Um sie zu gewährleisten, beschäftigt der Konzern viele ehemalige Spione.

Von Helmut Martin-Jung

Der Satz kam immer ganz beiläufig daher, in Wahrheit war er freilich genau kalkuliert: There's one more thing - eines hätten wir noch. Und die Apple-Fangemeinde jubelte, denn sie wusste: Wenn Steve Jobs, der 2011 gestorbene Apple-Gründer, das bei einer Präsentation sagte, dann gab es eine Überraschung. Ein großer Teil des Apple-Nimbus baut auf diesem Überraschungseffekt auf, den auch Nachfolger Tim Cook ab und an gerne einsetzt. Dem Unternehmen kann man daher fast nichts Schlimmeres antun, als etwas auszuplaudern. Wenn schon, dann will das Unternehmen selber die Nachricht wohldosiert in die richtigen Kanäle träufeln und so den Hype um das nächste Produkt anheizen.

Doch wegen des bis ins Groteske gesteigerten Interesses an Apple-Produkten wird es immer schwerer, Geheimhaltung durchzusetzen. Eine ganze Branche lebt davon, Gerüchte rund um die Produkte des Konzerns zu verbreiten. Ein Leak, also die Information über ein neues Apple-Gerät, ist für sie Gold wert.

Wie sehr sich Apple darum bemüht, undichte Stellen zu vermeiden, ist jetzt bekannt geworden - ausgerechnet durch eine undichte Stelle. Der US-Website The Outline wurde eine Tonaufnahme einer internen Besprechung bei Apple zugespielt. Das einstündige Meeting, Titel: "Stoppt die Geheimnisverräter - Geheimhaltung bei Apple", wurde demnach von Apple-Sicherheitschef David Rice geleitet, einem früheren Mitarbeiter der NSA und der Navy. Zahlreiche Mitarbeiter, viele davon Ex-Geheimdienstler, beschäftigten sich demnach damit, undichte Stellen zu stopfen und die Missetäter zu überführen.

Für die Arbeiter in den chinesischen Apple-Fabriken gebe es viele Anreize für Leaks, wird Rice zitiert, in manchen Fällen sei Arbeitern ein ganzer Jahreslohn dafür geboten worden, ein Apple-Produkt aus der Fabrik zu schmuggeln. Arbeiter versteckten Teile auf der Toilette, klemmten sie sich zwischen die Zehen, würfen sie über Zäune und spülten sie die Toilette hinunter, um sie später aus der Kanalisation zu fischen.

Neue Geräte werden in Räumen mit Türen aufbewahrt, deren Code sich ständig ändert

Besonders begehrt sind die Gehäuse der Geräte: Denn wenn man das Gehäuse vor sich habe, wisse man schon ziemlich genau, wie das fertige Produkt aussehe. Die Fabriken in China hat Apple durch rigide Kontrollen aber offenbar immer besser im Griff. 2016, zitiert The Outline aus dem Mitschnitt, habe es erstmals mehr Leaks aus US-Standorten gegeben als aus der Lieferkette.

Dabei sind die Sicherheitsmaßnahmen äußerst streng. Prototypen sind an Tische gekettet; neue Geräte werden in Räumen mit Türen aufbewahrt, deren Code sich alle paar Minuten ändert. Passieren aber kann trotzdem immer was. So wie 2010, als ein Apple-Mitarbeiter versehentlich den Prototypen eines iPhones 4 in einer Bar liegen ließ. Das Gerät fand schließlich seinen Weg zum Blog Gizmodo, und das ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen - obwohl Steve Jobs selber dort anrief, um die Veröffentlichung zu verhindern.

Wie die Indiskretion des Anti-Leak-Meetings öffentlich wurde, ist nicht bekannt. Alle wissen jetzt aber, dass ihnen Ex-Geheimdienstler auf den Fersen sein werden, sollten sie etwas ausplaudern. Ganz unrecht kann Apple dieses Leak daher nicht sein.

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Quelle:
SZ vom 26.06.2017/mri
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