Es gibt derzeit viel Wahlkampf in Europa. Den besten Wahlkampf für Europa macht der Europäische Gerichtshof. Gewiss: Ein Gericht soll keinen Wahlkampf machen, es soll nach Recht und Gesetz urteilen. Aber die Urteile, die dieser Gerichtshof neuerdings fällt, sind die beste Werbung für Europa, die es derzeit gibt - für ein Europa der Bürger und der Bürgerrechte.
Das abgekaute Sprüchlein, dass die EU ein "Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit" sei, wird hier zum Spruch; zu einem Leitspruch, der Substanz hat: Vor einem Monat, in seinem Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung, hat das EU-Gericht die EU-Staaten, also Staatsmacht, in die Pflicht genommen, den Datenschutz zu achten. Nun, in seinem Urteil gegen Google, nimmt es die Internet-Macht, nimmt es Google und Co. in die Pflicht.
Google ist nicht der Pontius Pilatus des Internets
Das Google-Urteil stellt sich dem gängigen Gerede vom Internet als einem rechtsfreien Raum entgegen: Das Internet ist natürlich kein rechtsfreier Raum, es ist allerdings einer, in dem die Rechtsdurchsetzung besonders schwierig ist. Diese Schwierigkeit packt das Gericht an. Das Urteil stellt also fest, dass das Persönlichkeitsrecht und das Datenschutzrecht auch im Internet gelten und dort Stärkung brauchen.
Das Urteil stellt klar, was klargestellt werden musste. Erstens: Eine Suchmaschine betreibt Datenverarbeitung; also gelten für sie die Regeln für Datenverarbeitung. Zweitens: Für Suchmaschinen, die in Europa ihr Geschäft machen, gilt europäisches Recht, auch wenn die Server in den USA stehen. Drittens: Google ist nicht der Pontius Pilatus des Internets; Google kann also nicht einfach seine Hände in Unschuld waschen, wenn es auf Internet-Seiten mit falschen oder kompromittierenden Daten verweist. Viertens: Google ist verantwortlich für solche Links; es muss solche Links löschen. Fünftens: Wenn Google das nicht tut, müssen die Datenschutzbeauftragten und die Gerichte dem betroffenen Bürger helfen.
Über die Sanktionsmechanismen, wenn Google und Co. sich weigern, lässt sich der EU-Gerichtshof noch nicht aus. Aber: Die Sanktionen muss man nicht neu erfinden, die gibt es schon. Sie bestehen in hohen und höchsten Bußgeldern und Geldstrafen. Wie gut das funktioniert, haben deutsche und europäische Konzerne erfahren, wenn sie von US-Behörden und -Gerichten wegen Korruption belangt wurden.