EU-Reaktionen auf US-Spionage:Im Zweifel gegen Datenschutz

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Ein notwendiges Signal: Das EU-Parlament in Straßburg zieht Konsequenzen aus der NSA-Affäre. (Foto: AFP)

An der Vertragstreue der USA bestehen überaus berechtigte Zweifel, sobald es um den Datenschutz geht. Es ist daher ein wichtiges Zeichen, dass das Europaparlament die Aussetzung des Swift-Abkommens über den Austausch von Bankdaten fordert. Entscheidend ist, dass endlich ein eigener europäischer Datenspeicherplatz Realität wird.

Ein Kommentar von Javier Cáceres, Brüssel

Wer sich darüber wundert, wie verhalten bisher die europäischen Reaktionen auf die Spionageattacken der US-Amerikaner ausfielen, der findet eine Erklärung in einer Episode, die in Brüssel die Runde macht. Vor ein paar Wochen, als die Enthüllungen um den Whistleblower Snowden und die NSA noch richtig frisch waren, setzten sich Vertreter der Europäischen Union und der US-Regierung an einen Tisch.

Die Amerikaner gaben sich nonchalant: Man habe kein Problem damit, über solche unappetitlichen Dinge wie Spionage zu sprechen. Aber dann solle man auch über das reden, was die Europäer treiben. Danach war es, wie Teilnehmer berichten, im Raum doch eher ruhig. Zumindest wenn man zum Maßstab nimmt, was es an aufbrausenden, öffentlichen Reaktionen so gegeben hat. Merke: Die EU hat ein Così-fan-tutte-Problem.

Denn wer wollte schon den Amerikanern von Angesicht zu Angesicht sagen: Dass wir's so ähnlich treiben wie ihr, das stimmt gar nicht? Und dennoch: Jenseits der Doppelzüngigkeit, die in der Debatte herrscht, täten die Europäer gut daran, den Amerikanern zu signalisieren, dass diese sich ungehörig viel herausnehmen.

So gesehen war es ein notwendiges und überfälliges Signal, das das Europaparlament am Mittwoch ausgesendet hat. Die Abgeordneten fordern, dass die Europäische Kommission das Swift-Abkommen mit den Vereinigten Staaten über den Austausch von Finanztransaktions-Daten aussetzt; als Reaktion darauf, dass die USA im großen Stil die Bankdaten von EU-Bürgern ausspähen.

An der Vertragstreue der USA bestehen überaus berechtigte Zweifel

Verträge taugen nur dann etwas, wenn man sich auf das, was einander versprochen wird, auch verlassen kann. Das ist im Falle des Swift-Abkommens offenkundig nicht der Fall. Die Kommission versteckt sich zwar hinter der Behauptung, die Enthüllungen über den Zugriff der US-Behörden auf die Bankdaten von EU-Bürgern seien noch nicht bewiesen. Doch richtig dementieren wollten die Vereinigten Staaten nicht, dass sie den Inhalt des Abkommens kreativ ausgelegt haben. Hinzu kommt: Völlig undokumentiert ist das, was Snowden den Medien zugespielt hat, auch nicht. Das Gegenteil ist der Fall. An der Vertragstreue der USA bestehen daher überaus berechtigte Zweifel.

Ob ebendiese Zweifel auch an diesem Donnerstag oder Freitag beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel in deutlicher Sprache artikuliert werden, ist eher zweifelhaft. Dabei hat die Debatte gerade neue Nahrung erhalten durch die Berichte über die US-Geheimdienstaktivitäten in Frankreich. Es spricht da Bände, dass Frankreichs Präsident François Hollande das Thema zwar mit seinen Kollegen in Brüssel anschneiden will, dass er aber nicht einmal den Versuch unternommen hat, ein Sätzlein in die Schlussfolgerungen aufzunehmen.

"Kreativität kann nur gedeihen, wenn die Privatsphäre geschützt ist"

Absehbar ist auch, dass der EU-Gipfel unter einem weiteren, datenschutzrechtlichen Aspekt enttäuschend sein wird. Die Vorlage, die das Europaparlament zu Wochenanfang lieferte, als es seine Position zu einer neuen Datenschutzverordnung vorlegte, nehmen die Staats- und Regierungschefs nicht auf. Ursprünglich war angedacht, dass sie sich darauf verständigen, den Gesetzgebungsprozess noch 2014 abzuschließen. Nun soll es bloß heißen, dass es rasch geschehen soll. Das ist zu wenig.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht bleibt nur zu hoffen, dass die Staats- und Regierungschefs der europäischen digitalen Wirtschaft einen spürbaren Impuls verleihen. Vor allem muss die Europäische "Cloud" endlich Realität werden, ein eigener europäischer Datenspeicherplatz. Wie sagte Snowden so schön? "Wirtschaftlicher Erfolg einer Gesellschaft hängt maßgeblich von kreativem Output ab. Kreativität kann nur gedeihen, wenn die Privatsphäre geschützt ist."

© SZ vom 24.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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