Umweltschutz:EU stellt Aktionsplan zur Müllvermeidung vor

Junge Afrikaner demontieren Sperrmuell und Elektroschrott auf der groessten Elektromuelldeponie in A

Auf einer Deponie in Ghana schrauben junge Männer Elektroschrott auseinander. Manches davon kommt aus Europa.

(Foto: Thomas Imo/photothek)
  • EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius präsentierte am Mittwoch in Brüssel einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.
  • Der Aktionsplan sieht unter anderem vor, dass nicht-verkaufte haltbare Güter wie Kleidung nicht vernichtet werden darf.
  • Außerdem will Sinkevičius im kommenden Jahr Gesetzesvorschläge einbringen, die Kunden ein Recht auf Reparatur sichern.
  • Der Aktionsplan ist wichtiger Teil des Grünen Deals, des ehrgeizigen Klimaschutzprogramms der Kommission.

Von Björn Finke, Brüssel

Handys landen nach zwei Jahren im Müll, weil der Austausch des erschöpften Akkus zu teuer wäre. Bleiben Modeketten auf Kleidung sitzen, wird diese manchmal verbrannt. Fast alle Einkäufe sind verpackt - im Jahr 2017 entfielen daher auf jeden Europäer 173 Kilo Verpackungsmüll, ein trauriger Rekord. Doch die EU-Kommission sagt der Verschwendung und Vermüllung nun den Kampf an. Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius klagt, es gebe "nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird unser Verbrauch ein Niveau erreichen, als hätten wir drei davon".

Damit es nicht so kommt, präsentierte der litauische Politiker am Mittwoch in Brüssel einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Hinter dem Begriff steckt die Idee, dass möglichst viel recycelt und Müll vermieden wird. Das senkt den Rohstoff- und Energieverbrauch sowie den Ausstoß an Treibhausgasen. Bereits vor fünf Jahren hatte die Behörde ein erstes Aktionsprogramm aufgelegt. Im Nachfolgeplan kündigt sie unter anderem ein Verbot an, nicht-verkaufte haltbare Güter wie Kleidung zu vernichten.

Firmen sollen Kunden über die Lebensdauer ihrer Geräte informieren

Außerdem will Sinkevičius im kommenden Jahr Gesetzesvorschläge einbringen, die Kunden ein Recht auf Reparatur sichern. Hersteller sollen verpflichtet werden, Geräte so zu konstruieren, dass sie länger halten, einfacher zu reparieren und besser zu recyceln sind. Batterien und Bauteile sollen simpel auszutauschen sein, Betriebssysteme problemlos zu aktualisieren. Die Behörde will dafür die vorhandene Ökodesign-Richtlinie ausweiten und wenn nötig weitere Gesetze vorbereiten.

Unternehmen sollen zudem über die durchschnittliche Lebensdauer ihrer Geräte informieren: Das hilft im Elektro-Fachmarkt bei der Auswahl. Sinkevičius - mit 29 Jahren der jüngste Kommissar - hofft auch darauf, dass sich neue Geschäftsmodelle durchsetzen, bei denen Verbraucher keine Geräte kaufen, sondern eine Dienstleistung. Der Kunde würde dann die Waschmaschine in seinem Keller nicht erworben haben; sie bliebe im Besitz des Herstellers oder Händlers. Die Firmen würden eine Nutzungsgebühr oder Miete erhalten und hätten ein Interesse an einer langen Lebensdauer des Geräts.

Bereits im Spätsommer will die Behörde per Gesetz ein einheitliches Ladegerät für Handys und Tabletrechner etablieren. Sinkevičius sagt, wenn alle Handys das gleiche Ladekabel nutzen könnten, müssten beim Kauf der Telefone nicht mehr extra ein Kabel und ein Ladeblock mit in der Packung sein: Das schont Rohstoffe und vermeidet Müll.

Der Aktionsplan ist wichtiger Teil des Grünen Deals

Daneben gibt die Kommission das Ziel aus, dass bis 2030 alle Verpackungen zu vernünftigen Kosten recycelbar sein sollen. Für Branchen wie die Textil- und Bauwirtschaft, in denen sehr wenig wiederverwertet wird, will die Behörde eigene Strategien entwickeln. Der Einsatz von Akkus an Stelle von Wegwerf-Batterien soll gefördert werden. Die Kommission verlangt auch, dass Anbieter ökologischer Produkte bei öffentlichen Ausschreibungen, etwa bei Aufträgen von Gemeinden, stärker zum Zuge kommen. Hier will Brüssel verbindliche Ziele vorschreiben.

Der Aktionsplan ist wichtiger Teil des Grünen Deals, des ehrgeizigen Klimaschutzprogramms der Kommission. "Ohne eine Kreislaufwirtschaft können wir die Klimaschutzziele nicht erreichen", sagt Sinkevičius. Die EU will bis 2050 klimaneutral werden; Europa soll dann die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre nicht mehr erhöhen. Doch nach Berechnungen der Behörde ist die Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen für die Hälfte des Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Den Rohstoffverbrauch zu senken, mindere zudem die Abhängigkeit Europas von Lieferanten auf anderen Kontinenten, sagt der Umweltkommissar.

Bereits am Dienstag hat die Behörde ihre Industrie- und Mittelstandsstrategie präsentiert - auch in diesen Papieren waren die Herausforderungen des Grünen Deals ein zentrales Thema. Der Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft kommt gut an: BEUC, der europäische Dachverband der Verbraucherzentralen, nennt das Arbeitsprogramm "äußerst wichtig für den grünen Umbau" der Wirtschaft; die Brüsseler Unternehmerlobby Business-Europe sieht eine "Win-win-Situation" für Umwelt und Firmen. Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini sagt, das Programm sei "das Ehrgeizigste, was die Kommission jemals vorgelegt hat", um die schlechte Ökobilanz von Produkten wie Handys zu verbessern. Die SPD-Europaparlamentarierin Delara Burkhardt spricht von einem "Meilenstein", ihre CDU-Kollegin Hildegard Bentele vom "richtigen Weg". Wie schnell dieser Weg beschritten wird, hängt allerdings davon ab, ob die Mitgliedstaaten den Enthusiasmus der Abgeordneten teilen und die nötigen Gesetze rasch beschlossen werden.

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