Erste Mail in Deutschland:"Sie haben Post"

Die E-Mail wird 25: Am 3. August 1984 empfing die Universität Karlsruhe die erste elektronische Nachricht - auf einer überdimensionalen Waschmaschine.

Christiane Fritz

Die erste deutsche E-Mail spuckte eine überdimensionale Waschmaschine aus. So beschreibt Michael Rotert jenen Computer, vor dem er vor 25 Jahren im Keller der Universität Karlsruhe hockte. Um den Technischen Leiter der Informatik-Rechnerabteilung (IRA) surrten weitere Technik-Kaventsmänner. Während es draußen sommerte, arbeitete eine Klimaanlage daran, den Raum zu kühlen.

Erste Mail in Deutschland: Am 3. August 1984 um kurz nach zehn Uhr morgens kam die erste deutsche E-Mail an.

Am 3. August 1984 um kurz nach zehn Uhr morgens kam die erste deutsche E-Mail an.

(Foto: Foto: iStock)

Am 3. August 1984 um 10.14 Uhr mitteleuropäischer Zeit, so die offiziellen Zahlen, formierte sich die erste deutsche elektronische Nachricht aus bernsteinfarbenen Pixeln auf schwarzem Bildschirm-Hintergrund. "Wilkomen CSNET" hatte die Amerikanerin Laura Breeden mit einigen Rechtschreibfehlern in die Betreffzeile getippt.

Im Text grüßte sie vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston die wissenschaftlichen Kollegen in Deutschland: "Michael, This is your official welcome to CSNET. We are glad to have you abroad." (Michael, wir heißen dich im CSNET herzlich willkommen. Wir sind froh, dass wir dich da draußen haben.)

Drei Wochen intensive Arbeit

CSNET, das Computer Science Network, war ein in den USA entwickeltes Computernetz, das ausgewählte Universitäten des Landes verbinden sollte, um die Kommunikation unter den Forschern zu unterstützen. Auch ausländische, wissenschaftliche Institutionen konnten sich beim Netz anmelden.

Von der Ankunft der ersten elektronischen Nachricht, die den Deutschen den Zugriff auf das Netz bestätigte, war Michael Rotert allerdings wenig überrascht. "Es war nicht so, dass man den PC eingeschalten hat und die E-Mail war da", sagt der heutige Vorstandsvorsitzende des Verbands der deutschen Internetwirtschaft e.V.

Ahnung von der Materie

Drei Wochen intensive Arbeit seien jenem Augenblick vorausgegangen. Im Juli hatte man nachgefragt, ob eine Anbindung an das amerikanische Netz möglich sei. "Eine schnelle Kommunikation" und einen "Dienst für den Rest der Wissenschaft" erhofften sich die Karlsruher von CSNET. Die Anfrage schickte Rotert extra von einem Account in den Staaten, den er sich vorher besorgt hatte, "damit die Kollegen schon einmal sehen, dass wir Ahnung von der Materie haben", erinnert sich der 59-Jährige.

Bis die erste E-Mail Deutschland erreichte, mussten die Karlsruher jedoch verschiedene administrative Hürden nehmen. Wie sollte eine dauerhafte Verbindung in die USA aufgebaut werden? Weil in den achtziger Jahren Standleitungen zu teuer waren, wandten sich Rotert und der akademische Leiter der IRA, Werner Zorn, an die Deutsche Bundespost und baten darum, deren Datenservice benutzen zu dürfen.

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Die Unis stehen Schlange

Kein kostenloser Zugang

Der stand damals nämlich nur Versicherungen und Banken zur Verfügung. "Damit war sichergestellt, dass auf der untersten technischen Ebene eine Verbindung möglich war." Umsonst war der Zugang zum CSNET allerdings nicht. Die Universität Karlsruhe zahlte einen fünfstelligen Betrag. An die genaue Summe erinnert sich Rotert nicht mehr.

Ob Laura Breedens Nachricht tatsächlich die erste deutsche E-Mail war, ist Ansichtssache. Denn bereits zuvor hatten sich Rotert und die amerikanischen Kollegen Botschaften zugeschickt. Allerdings waren die noch ohne Texte. Eine wirkliche Kommunikation fand nicht statt. Sie sollten lediglich den ordentlichen Betrieb des deutschen und amerikanischen Mailservers signalisieren. Die E-Mail der US-Amerikanerin ist jedoch die erste, die an einen eigenen Internet-Mailserver ging. Germany sein Name.

"Laura Breeden versendete die E-Mail am 2. August um 12.35 Uhr US-amerikanischer Zeit", erklärt Rotert. "Sie wurde an den Server CSNET-SH weitergeleitet und landete schließlich im sogenannten SCNET-Relay, in dem die Mails zunächst gesammelt und später manuell abgeholt werden mussten. Deshalb haben wir die E-Mail in Karlsruhe erst am Folgetag um 10.14 Uhr erhalten." Damit war Deutschland anderen Ländern weit voraus. Israel, das zeitgleich die USA um den Anschluss an das CSNET bat, benötigte für seine erste E-Mail ein Jahr.

Links zu Dienst- und Forschungssoftware

Welch tragende Rolle die E-Mail in der Informationsgesellschaft spielen sollte, ahnten Rotert und sein Team damals nicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verwendeten vor fünf Jahren 47 Prozent der Bevölkerung ab zehn Jahren das Internet, um E-Mails zu empfangen oder zu versenden.

Vor 25 Jahren nutzte das IRA die Nachrichten vor allem dazu, um Links zu Dienst- und Forschungssoftware zu erhalten, die Wissenschaftler dann herunterladen konnten. "Manchmal habe ich von der Universität einen ganz schönen Anschiss bekommen", gesteht Rotert. Denn E-Mails zu versenden oder zu empfangen war teuer. 10.000 bis 30.000 Mark kamen da schon einmal zusammen. Im Monat.

Nach dem geglückten Verbindungsaufbau standen andere Institute und Universitäten bei Rotert Schlange. Auch sie wollten in das CSNET aufgenommen werden. "Wir mussten CNSET versichern, dass wir dem Rest der deutschen Wissenschaft Zugang zum Netz gewähren. Wir sollten die anderen Universitäten an den Mailserver anschließen."

Die elektronische Post von Michael Rotert spuckt heute keine überdimensionale Waschmaschine mehr aus. Nachrichten weiterleiten funktioniert heute ohne die Eingabe eines Computerbefehls: Seine E-Mails empfängt Rotert via iPhone. Gerade erreicht ihn die Nachricht eines Kölner Journalisten. Er möge ihn bitte zurückrufen, um zu erklären, wie das damals war mit der ersten E-Mail.

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