Enthüllungsplattform:Wer ist Wikileaks?

Sie bringt Geheimnisse ans Licht, doch ihre Arbeitsweise bleibt geheim: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Online-Plattform Wikileaks und ihren Gründer Julian Assange.

Johannes Kuhn

Was steckt hinter Wikileaks?

Julian Assange

Wikileaks-Gründer Julian Assange: "Positive Reformen" durch Veröffentlichung geheimer Informationen.

(Foto: Andreas Gaufer, CC-BY)

Die Enthüllungsplattform Wikileaks besteht seit 2006 und ist eher ein loser Verbund als eine Organisation. Fünf ehrenamtliche Mitarbeiter und 800 bis 1000 Freiwillige, vom Informatiker bis zum Journalisten, sorgen dafür, dass brisante Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen. Die Helfer kennen sich untereinander nicht mit echtem Namen, die Kommunikation findet über verschlüsselte Chats statt. Einzig der australische Wikileaks-Gründer Julian Assange und ein Deutscher, der sich Daniel Schmitt nennt, vertreten Wikileaks öffentlich.

Wie erhält Wikileaks Dokumente?

Auf dieser Internet-Seite können Informanten anonym Dateien hochladen. Diese unterziehen die Wikileaks-Mitarbeiter dann einer Prüfung und sorgen dafür, dass bei der Veröffentlichung in den Dateien keine Informationen zur Herkunft wie das Erstellungsdatum mehr zu finden sind. Die einzige Postadresse ist ein anonymes Postfach an der Universität von Melbourne.

Wie finanziert sich Wikileaks?

Die Kosten für Verwaltung und Server belaufen sich auf jährlich 200.000 Dollar. Wikileaks finanziert sich durch Spenden - ein Prinzip, dass lange Zeit durchaus Risiken in sich trug: Noch Ende 2009 war die Plattform vom Netz gegangen, um auf den drohenden finanziellen Kollaps hinzuweisen. Dies und die öffentlichkeitswirksame Enthüllung eines Kriegsvideos aus dem Irak haben dafür gesorgt, dass die Zukunft der Seite derzeit gesichert ist.

Was treibt die Wikileaks-Verantwortlichen an?

Wikileaks-Kopf Assange argumentiert immer wieder, dass die Veröffentlichung geheimer Informationen "positive Reformen" bewirken können. Je mehr Informationen im Umlauf seien, desto eher würden sich die gegenwärtigen Zustände zum Besseren ändern.

Wer ist Julian Assange?

Julian Assange ist gebürtiger Australier, lebte aber bereits in verschiedenen Ländern wie China und den USA. Bereits mit 16 Jahren tauchte er mit einem C64-Computer in die Hackerlandschaft der achtziger Jahre ein. Seinen damaligen Künstlernamen "Mendax" entlehnte er einer noblen und idealistischen Figur einer Ode von Horaz.

Seitdem Wikileaks an Bekanntheit gewonnen hat, meidet der studierte Physiker Länder wie Australien oder die USA, weil er dort mit seiner Verhaftung rechnet. Seine Vision des Journalismus hat der von Beobachtern als exzentrischer und leicht paranoider Nerd beschriebene 39-Jährige im Gespräch mit dem Guardian einmal so formuliert: "Journalismus sollte mehr wie eine Wissenschaft sein. Fakten sollten so weit wie möglich nachprüfbar sein. Wenn Journalisten langfristig Glaubwürdigkeit für ihre Profession behalten möchten, müssen sie in diese Richtung gehen. Sie müssen mehr Respekt gegenüber ihren Lesern zeigen."

Wie sicher sind Wikileaks-Quellen?

Ist Wikileaks neutral?

Trotz des Weltverbesserungs-Anspruchs möchte Wikileaks eine neutrale Plattform sein, die keine Position bezieht, sondern nur Dokumente veröffentlicht. Allerdings wurde das Irak-Video unter dem Namen "Collateral Murder" veröffentlicht - eine Einordnung, die deutlich den kriegskritischen Standpunkt erkennen lässt. Auch das Weiße Haus argumentiert nach den jüngsten Afghanistan-Enthüllungen in diese Richtung: "Wikileaks ist keine objektive Nachrichtenorganisation, sondern eine Organisation, die gegen die US-Politik in Afghanistan ist", heißt es in einer Presseerklärung.

Gefährden die Wikileaks-Dokumente Menschenleben?

Der Guardian und die New York Times bieten ihre eigenen Datensätze zum Download an und verlinken nicht auf Wikileaks. Der Grund: Auf der Enthüllungsseite sind beispielsweise die Namen von Übersetzern zu lesen, deren Namen damit auch möglichen Gegnern in Afghanistan bekannt sind. Die beiden Zeitungen haben diese Namen entfernt. Ob Wikileaks die Daten über den Kriegseinsatz in Afghanistan editiert hat, ist bislang nicht klar. Auf der Wikileaks-Seite ist zu lesen, dass 15.000 Seiten der Dokumente auf Wunsch der Quelle erst später veröffentlicht werden. Als Grund wird "Schadensminimierung" genannt. Das ist eine Abkehr von der bisherigen Wikileaks-Politik, Dokumente in vollem Umfang ins Netz zu stellen.

Warum arbeitet Wikileaks mit etablierten Medien zusammen?

Wikileaks hat angekündigt, künftig häufiger mit etablierten Medien zusammenzuarbeiten. Der Grund liegt in der stärkeren Aufmerksamkeit. "Man denkt, je größer und wichtiger ein Dokument ist, desto wahrscheinlicher wird jemand darüber berichten", erläuterte Wikileaks-Kopf Assange im Oktober 2009 in einem Interview, "Das stimmt nicht: Es geht um Angebot und Nachfrage. Kein Angebot sorgt für hohe Nachfrage, es hat einen bestimmten Wert." Übersetzt: Wenn alle Zugang zu den Materialen haben, fehlt häufig die Exklusivität, um das Interesse bei Journalisten zu wecken.

Sind Wikileaks-Quellen sicher?

Derzeit sitzt der US-Geheimdienst-Analyst Bradley Manning in Militärhaft, weil er verdächtigt wird, das umstrittene Irak-Video Wikileaks zugespielt zu haben. Manning hatte in einem Chat damit geprahlt, das Material weitergegeben zu haben. Wikileaks unterstützt den 22-Jährigen, erklärt aber, kein Wissen über seine Quellen zu besitzen, da diese auch für die Verantwortlichen der Seite erst einmal anonym sind. Aufzeichnungen eines Chat-Programms zufolge soll er jedoch direkt Kontakt zu Assange gehabt haben; Wikileaks bezeichnet die vom US-Magazin Wired.com veröffentlichten Transkripte als Fälschung.

Wie reagiert die US-Regierung auf Wikileaks?

Das Weiße Haus hat die Veröffentlichung in einer Mitteilung stark verurteilt. Bereits im Jahr 2008 bezeichneten US-Militärgeheimdienste die Seite in einem internen Bericht als "potentielle Bedrohung der Sicherheit der Streitkräfte" und diskutierten eine mögliche Sabotage. Wikileaks-Gründer Assange reist inzwischen nicht mehr in die USA und fühlt sich nach eigenen Angaben von westlichen Geheimdiensten verfolgt. Er lebt derzeit hauptsächlich auf Island.

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