Englische Pokalbegegnung im Live-Stream:Provinzgekicke vor Millionen Zuschauern - Facebook entdeckt den Fußball

Der englische Amateurklub Ascot United spielt normalerweise vor weniger als 100 Zuschauern - nun können es Millionen werden: Ein amerikanischer Brauereikonzern zeigt die Pokalbegegnung des Provinzklubs im Live-Stream auf Facebook. Ein Modell für die Zukunft?

Johannes Kuhn

Die britische Kleinstadt Ascot ist wohl einer der wenigen Orte in Großbritannien, in dem die Bewohner bei einem Derby nicht an Fußball, sondern an Pferderennen denken: Mehr als 300.000 Menschen kommen jedes Jahr zur traditionellen Pferderennwoche vor die Tore Londons, auch die königliche Familie ist gerne zu Gast.

Englische Pokalbegegnung im Live-Stream: Den FA Cup wird Ascot United wohl nicht gewinnen - Aufmerksamkeit beschert eine Facebook-Live-Übertragung jedoch allemal.

Den FA Cup wird Ascot United wohl nicht gewinnen - Aufmerksamkeit beschert eine Facebook-Live-Übertragung jedoch allemal.

(Foto: AP)

Für Fußballfanatismus war Ascot bislang nicht bekannt: Zum letzten Spiel des unterklassigen Klubs Ascot United kamen gerade einmal 88 Fans. Am Freitag könnte United allerdings sogar das Pferderennen in den Schatten stellen - im Internet zumindest: Weil das FA-Cup-Spiel gegen Wembley FC als erstes Fußballmatch live bei Facebook übertragen wird, könnten theoretisch mehrere hundert Millionen Menschen per Live-Stream dabei sein.

Hinter der Aktion steckt der Brauereikonzern Budweiser, auf dessen britischer Fanseite das Spiel zu sehen sein wird. Der US-Konzern hatte sich die Namensrechte am englischen Pokal für umgerechnet 27,5 Millionen Euro gesichert und präsentiert nun das erste Spiel PR-trächtig auf dem 700 Millionen Mitglieder zählenden Freundschaftsportal. "Das ist die größte Sache, die dem Klub bislang passiert ist", gab der United-Vorsitzende Mike Harrison zu Protokoll, "der ganze Ort dreht durch". Der Verein rechnet mit 500 bis 800 Zuschauern in seinem Mini-Stadion, das sowieso nur 1200 Plätze hat.

Die Pokalübertragung ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass Live-Übertragungen im Netz längst nicht mehr einzig auf den Seiten von Fernsehsendern stattfinden: Den Live-Stream der britischen Königshochzeit zeigten zahlreiche Medienportale, in Deutschland unter anderem Bild.de, Welt Online und Spiegel Online. Bild.de bietet zudem bereits seit einigen Monaten Partien der türkischen Fußballliga kostenpflichtig im Stream an, ab dieser Saison zeigt das Portal die Ligaspiele des spanischen Klubs Real Madrid kostenlos.

Auf dem Weg zur Unterhaltungsplattform

Auch YouTube, die weltgrößte Videoseite, experimentiert mit Live-Übertragungen. Auf dem Portal zeigen derzeit verschiedene Anbieter Cricket-Spiele, Vorrennen zum America's Cup oder Live-Bilder aus Mekka. Deutsche Nutzer der Google-Tochter haben auf diese Videos bislang allerdings noch keinen Zugriff. Hierzulande wird derzeit diskutiert, ob für solche Angebote eine Rundfunk-Sendelizenz notwendig ist. Dies wäre laut Rundfunkstaatsvertrag der Fall, wenn Videoangebote "linear gesendet" werden und zeitgleich "von mehr als 500 Nutzern" verfolgt werden.

Dass sich Facebook immer mehr zur Unterhaltungsplattform wandelt, zeichnet sich bereits länger ab. Theoretisch kann jedes Unternehmen, jede Institution mit eigener Fanseite dort bereits heute eine Live-Übertragung anbieten. Was oftmals im Wege steht, ist allerdings die Rechtefrage: Attraktive Inhalte wie Filme, Serien oder Sportübertragungen werden meist national und nicht global lizenziert.

Sprich: Sie dürfen nur dort übertragen werden, wo der Anbieter auch die Rechte hat. Im Falle des Pokalspiels profitierte Budweiser davon, dass die TV-Verträge für den FA Cup noch nicht für die Vorqualifikation der Amateurvereine gelten.

Kosten für Fans: Ein "Gefällt mir"

Budweiser möchte mit der Aktion offensichtlich neue Fans gewinnen: Wer das Spiel am Freitag um 19.45 Uhr Ortszeit verfolgen möchte, muss über 18 Jahre sein und "Gefällt mir" auf der Fanseite der Brauerei anklicken. Mittelfristig könnten Bewegtbilder für Facebook neben erfolgreichen Online-Spielen allerdings eine echte Einnahmequelle werden: Der Filmverleih Warner Bros. bietet amerikanischen Facebook-Mitgliedern seit März testweise Hollywood-Filme wie "Inception", "Harry Potter" oder "The Dark Knight" als Stream an.

Die kosten allerdings mehr als ein "Gefällt mir": Für jeden Streifen ist je ein Dollar fällig - zahlbar in Facebook Credits, der Währung des sozialen Netzwerk. Für jede Transaktion erhält das Zuckerberg-Unternehmen 30 Prozent Provision.

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