Elektrosmog:Gespräche mit verminderter Strahlung

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Nur wenige Hersteller bieten Schnurlostelefone an, die ihre Sendeleistung dem Bedarf anpassen.

Christa Eder

Über elektromagnetische Strahlung macht sich die Bevölkerung immer noch große Sorgen. Bei der alljährlichen Umfrage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zur Wahrnehmung des Mobilfunks gaben im vergangenen Jahr 30 Prozent der 2500 Befragten an, sie seien im Hinblick auf Mobilfunk "besorgt", zehn Prozent behaupteten gar, sie seien "gesundheitlich beeinträchtigt" - obwohl die Wissenschaft die Beschwerden nicht nachvollziehen kann.

Seit Anfang des Jahres gibt es schnurlose Telefone wie dieses von Orchid, die weniger stark strahlen. (Foto: Foto: Hersteller)

Dabei konzentriert sich die Besorgnis überwiegend auf Mobilfunkmasten und Handys. Eine weitaus höhere Strahlenbelastung für den Körper geht jedoch im Innenraum von Schnurlostelefonen mit der DECT-Technik (Digital Enhanced Cordless Telefone) aus. Erst langsam kommen strahlungsarme Modelle auf den Markt.

"Das Signal, das ein DECT-Telefon sendet, ist in dem Raum mit der Basisstation immer stärker als das einer Mobilfunkantenne auf dem Nachbardach", erklärt Hans Ulrich-Raithel, Vorstand des Umweltinstituts München.

Vor dem Mobilfunk stünden an zweiter Stelle sogar W-LAN-Anlagen, die drahtlosen Zugang zum Internet ermöglichen. Das bestätigt Otto Petrowicz, der an der TU München einen Forschungsverbund zur Verträglichkeit von Strahlen koordiniert.

"W-LAN sendet mit etwa 100 Milliwatt. Eine Handy-Antenne strahlt mit einer weitaus geringeren Stärke, wenn sie, was normalerweise der Fall ist, 50 oder 100 Meter entfernt ist."

Seit Anfang des Jahres gibt es strahlungsarme Schnurlostelefone der Hersteller Orchid, AEG, Hagenuk, Swissvoice und Topcom im Handel; auch Restbestände alter Geräte ohne DECT werden verkauft. Im Unterschied zu den handelsüblichen DECT-Anlagen, die 24 Stunden bei voller Leistung senden, egal ob man telefoniert oder nicht, sind diese Telefone im Stand-By-Modus strahlungsfrei.

Sie senden also nach dem Auflegen auf die Basisstation nicht mehr, nur während des Telefonierens. Bei den modernen Geräten beträgt die Leistung dann, wie bei einem normalen DECT-Telefon, 250 Milliwatt.

Ende Oktober jedoch präsentiert die chinesische Firma Orchid eine verbesserte Version ihres Modells. Sie kann auch beim Gespräch mit ungefähr 75 Prozent weniger Leistung senden, mit etwa 60 Milliwatt.

Voraussetzung ist allerdings ein guter Empfang. Eine Betondecke zwischen Basisstation und Hörer lässt die Leistung wieder auf 250 Milliwatt steigen.

Um die Belastung der Strahlung für den Körper zu vergleichen, nutzen Techniker den so genannten SAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate). Das ist der Anteil der Sendeleistung, den das Gewebe aufnimmt. Erlaubt sind 2000 Milliwatt pro Kilogramm für den Kopf und 80 Milliwatt pro Kilogramm für den ganzen Körper.

Bei DECT-Telefonen liegt der SAR-Wert für den Kopf bei 100 Milliwatt, also um ein Vielfaches unter dem zugelassenen Wert. Dennoch hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Industrie aufgefordert, strahlungsarme Schnurlostelefone zu entwickeln.

"Auch wenn es bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis über gesundheitliche Beeinträchtigungen unterhalb geltender Grenzwerte gibt, sollte aus Vorsorgegründen die Exposition so weit wie möglich verringert werden", begründet das Dirk Daiber vom BfS.

"Nach unseren Erkenntnissen ist es technisch kein Problem, strahlungsarme Schnurlostelefone zu entwickeln."

Der Blaue Engel wird ignoriert

Die Aufforderung des BfS blieb bei den meisten Unternehmen bislang ungehört. Große Anbieter wie T-Com, Siemens und Philips sehen die Vorsorgeforderungen erfüllt und verweisen unisono darauf, dass die gesetzlichen Richtwerte unterschritten werden.

Dahinter steckt Kritikern zufolge auch eine Befürchtung: Durch die Produktion strahlungsarmer Geräte könnte die Industrie den Verdacht nähren, herkömmliche Schnurlostelefone seien gesundheitsschädlich.

Aus dem selben Grund verzichten Handyhersteller seit Jahren darauf, das Umweltsiegel Blauer Engel für Geräte zu beantragen, deren Strahlung die Kriterien des BfS erfüllt.

Mobiltelefone können sich im Gegensatz zu DECT-Apparaten beim Gespräch selbst regeln: Bei gutem Empfang auf bis zu zwei Milliwatt.

Die neuen strahlungsarmen Schnurlostelefone kommen den Vorsorgevorstellungen des BfS schon recht nahe: "Das ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Daiber. Auch Strahlenmediziner Andreas Kappos vom Ausschuss Gesundheit und Umwelt der Bundesärztekammer hält die strahlungsarmen Telefone für einen Gewinn.

"Elektromagnetische Strahlung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Jede Reduzierung ist daher zu begrüßen." Doch man könnte noch mehr herausholen, sagt Ulrich-Raithel: "Schnurloses telefonieren würde auch mit einer weitergehenden Leistungsregelung funktionieren.

Wenn die Basisstation im gleichen Raum ist, reichen zwei Milliwatt beim Gespräch völlig aus. Und es gibt keinen Grund, dass ein Telefon 24 Stunden am Tag strahlt."

© SZ vom 27.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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