Elektronikbranche vor der Ifa 2011:Der 08/15-Fernseher als Auslaufmodell

Auf der Berliner Messe stehen seit jeher Fernsehgeräte im Blickpunkt. Doch die Absatzprognosen sind trotz besserer Technik düster - die Hoffnung der Industrie ruht deshalb auch auf Tabletcomputern und Smartphones.

Varinia Bernau

Miss Ifa hat ein neues Outfit. Die Werbefigur der weltweit wichtigsten Messe für Unterhaltungselektronik trägt jetzt kein schwingendes rotes Kleidchen mehr - nun kommt sie im lachsfarbenen Hosenanzug daher. Einen Tabletcomputer aber hat sie nicht im Gepäck.

Miss IFA bei Samsung auf der IFA 2011

Miss Ifa bei Samsung auf der Ifa 2011: TV alleine reicht nicht mehr.

(Foto: obs)

Dabei sind die Dinger so ziemlich das einzige, wofür die Leute noch viel Geld auszugeben bereit sind. Für die Unterhaltungselektronik ist das Jahr bisher mager verlaufen. Auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa), die an diesem Freitag ihre Tore öffnet, hoffen die Hersteller nun, Kunden fürs wichtige Weihnachtsgeschäft zu gewinnen.

Im vergangenen Jahr wurden auf dem Messegelände unter dem Funkturm Bestellungen über insgesamt 3,5 Milliarden Euro besiegelt. Doch in diesem Jahr, in dem staatliche Schuldenkrisen die Schlagzeilen bestimmen, sind immer weniger Leute in Kauflaune. Weltweit, so Marktforscher, wird der Umsatz mit der Unterhaltungselektronik 2011 leicht auf 690 Milliarden Dollar steigen.

Geräte, mit denen sich von überall auf alles zugreifen lässt - darauf ruht die Hoffnung einer ganzen Branche. Auf Anlagen, die auf dem Musikspieler gespeicherte Lieblingssongs auch unter die Dusche bringen. Auf Fernsehern, die das Programm nach den Tipps der Facebook-Freunde sortiert.

Bis Ende des kommenden Jahres, so frohlockt der Branchenverband Bitkom, wird in jedem vierten deutschen Haushalt ein internetfähiger Fernseher stehen. Die Gerätehersteller dürften davon nur kurzfristig etwas haben. Langfristig verdienen vor allem die Entwickler von Zusatzprogrammen, den Apps. Die Karten werden neu gemischt.

Innerhalb eines Jahres ist der Durchschnittspreis für einen Flachbildfernseher um ein Zehntel gefallen, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte. Das ist schmerzlich, weil die Branche bislang den größten Teil ihres Geschäfts mit Fernsehern macht.

Ein großes Versprechen

Um ihre Kisten doch noch an den Kunden zu bringen, locken die Hersteller mit einem Versprechen: Ihre Geräte sollen ein Erlebnis bieten, das eben nur auf dem großen Bildschirm möglich ist - dreidimensionale Filme etwa. Die Bilder sollen noch etwas flimmerfreier, die Brillen noch etwas leichter werden.

So bessern die Hersteller dort nach, wo sie ihre Versprechen bislang nicht halten konnten: Zahlen der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (gfu) zufolge waren 2010 von den neun Millionen hierzulande verkauften Fernsehern nur zwei Prozent 3D-Geräte.

Die Fernsehhersteller versuchen, sich auf ihre Stärke zu besinnen: Technologien entwickeln, die niemand einfach nachbauen kann. Und das Zusammenschrauben der Geräte können andere billiger erledigen. Panasonic etwa verlagert die Produktion nach Shanghai, Philips hat seine defizitäre Fernsehsparte im April in ein Joint Venture mit einem chinesischen Monitorhersteller abgeschoben.

Auch Sonys Fernsehgeschäft dürfte in diesem Jahr Verluste machen - zum achten Mal in Folge. Einen Teil ihrer Fertigung haben die Japaner schon an das taiwanesische Unternehmen Foxconn abgetreten. Noch günstiger soll es nun im Schulterschluss mit Toshiba und Hitachi werden.

Die drei Konzerne werden die Bildschirme, wie sie in Fernsehern, in Smartphones und Tabletcomputern stecken, von Frühjahr 2012 an gemeinsam fertigen. Im September bringt Sony einen eigenen Tabletcomputer nach Europa. "Es gewinnt nicht der, der als erstes solch ein Gerät anbietet, sondern der, der das beste Gerät bietet", sagt Sony-Chef Howard Stringer mit Blick auf Apple.

Einer von drei deutschen Fernsehherstellern

Das fränkische Unternehmen Lowe ist einer von drei deutschen Fernsehherstellern, die noch hierzulande fertigen. So gut es eben geht: Von den 1000 Beschäftigten ist derzeit ein Drittel auf Kurzarbeit. Der Umsatz im vergangenen Jahr lag bei 307 Millionen Euro - ein Fünftel weniger als noch vor fünf Jahren. Nicht einmal auf jedem zehnten Fernseher in deutschen Haushalten prangt das Traditionslogo.

Auch hierzulande kaufen viele ein Gerät aus Asien. Das ist billiger. Die Strategen bei Loewe wissen, dass sie nicht all zu fest an der Preisschraube drehen dürfen, wenn sie der Premiummarke keinen Schaden zufügen wollen. Doch so ganz können sie der Versuchung wohl nicht widerstehen: Auf der Ifa zeigt Loewe Fernseher, die etwas preiswerter sind und so den Einstieg in die eher teure Welt des fränkischen Fernsehbauers erleichtern soll. Das Kalkül: Wenn die Kunden sich später einen Fernseher kaufen, dann greifen sie zu einem teureren aus dem Sortiment. Aus Verbundenheit.

Immer wieder bringt Loewe-Chef Oliver Seidl eine engere Zusammenarbeit mit dem Großaktionär Sharp ins Gespräch - und schweigt doch über Details. Der japanische Konzern ist den Franken vor sieben Jahren zu Hilfe gekommen und hält inzwischen ein knappes Drittel am Unternehmen. Flachbildschirme bezieht Loewe bereits von Sharp. Doch sicher könne man auch Entwicklungen teilen und tauschen, beim Einkauf von Komponenten günstigere Konditionen rausholen, sagte Seidl bereits im Frühjahr.

Seither sind bei Sharp selbst offenbar die Zweifel gestiegen, ob das Geschäft mit Fernsehern wirklich noch viel bringt. Im Juni hat Konzernchef Mikio Katayama angekündigt, die Fabriken umzurüsten - weg von den mittleren Maßen, hin zu ganz groß oder ganz klein. Anders lasse sich nicht mehr all zu viel verdienen. Sharp will die Herstellung von Bildschirmen, wie sie in Fernsehern steckt, herunterfahren.

Statt dessen konzentriert sich der Konzern künftig auf die Fertigung riesiger Werbeflächen, wie sie an Bahnhöfen oder Flughäfen hängen, und auf die kompakten, aber immer anspruchsvolleren Bildschirme für Smartphones und Tablet-Computer. Allein von den flachen, per Fingerstreich zu bedienenden Computern sollen in diesem Jahr weltweit drei mal so viele Geräte verkauft werden wie im Vorjahr.

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