Massaker in El Paso:Das Netz darf keine Plattform für Massenmörder sein

Der Rechtsterrorist von El Paso kündigte seine Tat auf 8chan an. Die Seite ist einer der widerlichsten Orte des Internets - aber nur ein Symptom. Der Hass wurzelt woanders: beim US-Präsidenten.

Kommentar von Simon Hurtz

Niemand tötet, weil er sich in einem rechtsradikalen Forum herumtreibt, wo Hass auf Frauen, Muslime und Minderheiten geschürt wird. Das Netz ist nicht schuld, dass Menschen sterben. Aber, das hat der Terroranschlag in El Paso einmal mehr gezeigt, es kann dazu beitragen, dass sich Menschen radikalisieren.

Zum dritten Mal in diesem Jahr hat ein Massenmörder seine Tat bei 8chan angekündigt. An der Webseite zeigt sich, was passiert, wenn die radikalste Form der Meinungsfreiheit Wirklichkeit wird: Der Terrorist von Christchurch wurde auf 8chan wie ein Held gefeiert, sein Livestream mit einem Liveticker begleitet, jeder Kopfschuss bejubelt. Zwar löschten die Betreiber das Manifest, das der rechtsradikale Mörder von El Paso veröffentlichte - das hinderte die Nutzer aber nicht, binnen Stunden Dutzende Kopien hochzuladen, um die Botschaft des Mörders zu verbreiten.

Auf 8chan wird Terror zum Spiel. Selbst Gründer Fredrick Brennan bezeichnet die Plattform als Megafon für Mörder und fordert dazu auf, die Seite abzuschalten. Sie ist einer der widerwärtigsten Orte des Internets. Genauer gesagt: Sie war es. Derzeit ist 8chan offline. Cloudflare-Chef Matthew Prince hat den Vertrag mit 8chan mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Sein Unternehmen schirmt viele große Webseiten vor Hackern ab und bewahrt sie vor sogenannten DDoS-Attacken, mit denen Angreifer Server lahmlegen. Ohne Cloudflares Schutz wurde 8chan zum Abschuss freigegeben.

Es gibt keinen Grund, 8chan hinterherzutrauern. Aber es ist problematisch, dass ein einzelnes Unternehmen so große Macht hat. Prince sollte nicht allein bestimmen können, welche Seiten und Plattformen existieren. Die wichtigste Kommunikations-Infrastruktur der Welt darf nicht von einzelnen Unternehmen kontrolliert werden. Über solch grundlegende Dinge müssen Richter urteilen.

8chan ist nur das Symptom

Dennoch ist die Entscheidung von Cloudflare richtig: Private Unternehmen müssen nicht jedem ein Mikrofon unter die Nase halten, der eine Meinung hat - erst recht keinen Terroristen und ihren Fans. Solange es in den USA keine Gesetze gibt, die verhindern, dass Menschen sich im Netz zu Massenmorden anstacheln, muss Cloudflare diese Verantwortung übernehmen.

Das ist aber keine Lösung, sondern bekämpft nur das Symptom. Erstens wird 8chan vermutlich bald wieder online sein. Die Betreiber werden auf einen neuen Server umziehen und ein anderes Unternehmen finden, das den Hass schützt. Auch die rechtsradikale Seite "The Daily Stormer", von der sich Cloudflare 2017 losgesagt hatte, bietet Nazis mittlerweile wieder ein Zuhause.

Zweitens ist 8chan selbst nicht das alleinige Problem. Das Forum ist ein Ort, an dem keine Regeln gelten, wo niemand die Abscheulichkeiten moderiert, die sich ins Netz ergießen. Das viel größere Problem sind die Menschen, die sich auf 8chan austoben. Der Hass in ihren Köpfen verschwindet nicht, wenn man eine ihrer Spielwiesen abmäht.

Donald Trump schürt den Hass ganz bewusst

Es hilft, einzelnen extremistischen Einpeitschern die Plattform zu entziehen. Das zeigen die Beispiele von Milo Yiannopoulos oder Alex Jones. Seit diese Idole der Rechten nicht mehr auf Twitter, Facebook und Youtube zündeln dürfen, haben sie ein Großteil ihres Einflusses verloren. Das gilt aber nicht für ihre Anhänger. Deren Hass sitzt tief und wurzelt in der Mitte der Gesellschaft. In den USA sind rechtsradikal motivierte Morde und Terroranschläge eine viel größere Gefahr als die Bedrohung durch Islamisten. Fast alle Täter sind weiß und männlich, sie eint der Hass auf Fremde.

Das Netz tötet nicht. Menschen mit Waffen töten. Das Netz formt auch keine Terroristen, es erleichtert aber die Vernetzung und beschleunigt die Radikalisierung. Das Manifest des Rechtsterroristen von El Paso beginnt mit den Worten: "Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas." Donald Trump spricht immer wieder von einer "Invasion". Im vergangenen Jahr hat er rund 2000 Facebook-Anzeigen schalten lassen, in denen dieses Wort auftauchte.

Am Sonntag sagte der US-Präsident, dass Hass keinen Platz in der amerikanischen Gesellschaft habe. Er lügt.

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