Edward Snowden:Whistleblower berichtet über US-Hackerangriffe auf China

Edward Snowden Prism, Internet-Überwachung

Whistleblower Snowden beim Interview mit der britischen Tageszeitung "Guardian" 

(Foto: REUTERS)

Er deckte den Spionage-Skandal um das Spähprogramm "Prism" auf, nun behauptet Edward Snowden im ersten Interview nach seinem Untertauchen, der US-Geheimdienst NSA habe sich seit 2009 in Computer in Hongkong und China eingehackt. Weltweit sollen die USA mehr als 61.000 Ziele attackiert haben.

Er ist der derzeit wohl bekannteste Whistleblower der Welt, Edward Snowden. Der 29-Jährige ist der Enthüller des US-Überwachungsprogramms "Prism". Nun wendet er sich im ersten Interview nach seinem Abtauchen an die Öffentlichkeit - und erhebt schwere Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst NSA (National Security Agency). Im Gespräch mit der South China Morning Post wirft er der NSA vor, sie habe sich seit 2009 in Computer sowohl in Hongkong als auch auf dem chinesischen Festland eingehackt. Im Interview berichtet der Whistleblower von mehr als 61.000 Hacker-Angriffen der NSA - weltweit.

Ein Ziel sei die Chinesische Universität Hongkong gewesen - aber auch Studenten, Beamte und in der Stadt ansässige Unternehmen. Dabei sei es nicht um Militärspionage gegangen. Der South China Morning Post zufolge ließen sich die von dem Computerexperten vorgelegten Dokumente jedoch nicht verifizieren.

Snowden sagte, er gebe diese Informationen preis, um die "Scheinheiligkeit" der US-Regierung zu offenbaren, die behaupte, im Unterschied zu ihren Gegnern keine zivilen Einrichtungen auszuspähen.

Das Interview wurde an einem unbekannten Ort geführt, Auszüge aus dem Gespräch wurden auf der Internetseite der South China Morning Post veröffentlicht. Snowden sagte, dass er seine Familie nicht kontaktiert hätte. Und dass er Angst um die Sicherheit seiner Familie und seine eigene habe. "Ich werde mich niemals sicher fühlen."

Außerdem sagte er in dem Interview: "Ich bin nicht hier, um mich der Justiz zu entziehen, sondern um Verbrechen aufzudecken." Er wolle die "Gerichte und Menschen in Hongkong" über sein Schicksal entscheiden lassen, fügte Snowden hinzu. Und weiter: "Ich bin weder Verräter noch Held. Ich bin ein Amerikaner."

Der Whistleblower war in den vergangenen vier Jahren NSA-Mitarbeiter und hatte als solcher Zugang zu vertraulichen Dokumenten über die systematische Überwachung von Internetnutzern. Diese Informationen reichte Snowden an die Washington Post und den britischen Guardian weiter.

Er baut auf das Rechtssystem der autonom regierten chinesischen Sonderverwaltungsregion. "Ich habe viele Gelegenheiten gehabt, aus Hongkong zu fliehen, aber ich bleibe lieber und kämpfe vor Gericht gegen die US-Regierung, weil ich Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit Hongkongs habe", sagte Snowden.

"Wenn Uncle Sam dich haben will, bekommt Uncle Sam dich"

Er muss damit rechnen, dass die USA ihn wegen Geheimnisverrats anklagen und eine Auslieferung beantragen. "Meine Absicht ist, die Gerichte und das Volk in Hongkong mein Schicksal entscheiden zu lassen", sagte der Amerikaner, der sich laut Zeitung an einem "geheimen Ort" in der ehemaligen britischen Kronkolonie aufhält, die 1997 an China zurückgegeben worden war.

Er fühle sich in Hongkong sicher und hoffe auf ein freies und gerechtes Verfahren, sagte Snowden den ersten Auszügen aus dem Interview zufolge. Er wolle so lange bleiben, bis er aufgefordert werde, die Wirtschaftsmetropole zu verlassen.

Mehrere mit dem Auslieferungsrecht vertraute Anwälte vertreten allerdings die Meinung, dass Snowden in Hongkong die Abschiebung drohe: "Die Haltung der hiesigen Justiz scheint zu lauten, wenn Uncle Sam dich haben will, bekommt Uncle Sam dich", sagte Rechtsanwalt Kevin Egan, der ähnliche Fälle in Hongkong bearbeitet hat

Zwischen Hongkong und den USA besteht ein Auslieferungsabkommen, nicht aber zwischen den Vereinigten Staaten und China. Die große Unbekannte in diesem Spiel ist die Regierung in Peking, die Entscheidungen der relativ autonomen Behörden in Hongkong blockieren kann.

Unterdessen hat der Chef der NSA die Überwachungsprogramme seiner Behörde als wichtiges Instrument bei der Terrorabwehr verteidigt. Sie spielten eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Terrorgefahren. Auf diese Weise seien "Dutzende" Anschläge in den USA und im Ausland vereitelt worden, sagte General Keith Alexander am Mittwoch bei einer Anhörung im Kongress in Washington. So sei beispielsweise durch die Überwachung ein Anschlag auf das New Yorker U-Bahn-System im Jahr 2009 verhindert worden. Erst durch die Auswertung von Internetdaten durch das Prism-Programm seien die Geheimdienste den Plänen auf die Spur gekommen.

Der NSA-Chef betonte während der Anhörung, dass sich seine Behörde der Einhaltung des Rechts und dem Schutz der Privatsphäre "zutiefst verpflichtet" fühle. Die Überwachungsprogramme seien "strikten Richtlinien" unterworfen und stünden unter "rigoroser Aufsicht".

Die US-amerikanische Regierung gerät wegen der Überwachungsprogramme zunehmend unter Druck. Die US-Bürgerrechtsgruppe American Civil Liberties Union (ACLU) reichte Klage gegen das systematische Sammeln von Telefondaten ein und warf den Behörden Verfassungsbruch vor.

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