E-Mail-Überwachung:Moderner Postraub

Noch streiten Politiker über den Bundestrojaner. Doch eine andere digitale Spürmaßnahme ist längst Gesetz: die E-Mail-Überwachung - sehr zum Ärger der Provider und letztendlich auch der Kunden.

Mirjam Hauck

Der US-Kongress hat im September ein Gesetz beschlossen, das es dem US-Geheimdienst NSA (National Security Agency) erlaubt, E-Mails und Telefonate von Ausländern ohne richterlichen Beschluss auszuwerten und zu überwachen. Auf den ersten Blick irritiert den europäischen Betrachter, dass staatliche Stellen seine Kommunikation mit amerikanischen Freunden oder Geschäftspartnern systematisch mithören und -lesen. In Deutschland hat kein staatliches Organ diese weitgehenden Befugnisse.

E-Mail-Überwachung: Nach einem Richterbeschluss dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft E-Mails lesen.

Nach einem Richterbeschluss dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft E-Mails lesen.

(Foto: Foto: ddp)

Aber auch hierzulande werden E-Mails geschnüffelt und gelesen: Das Telekommunikationsgesetz und die Telekommunikations-Überwachungsverordnung, die seit 2005 in Kraft ist, erlauben und regeln die Überwachung von E-Mail-Konten und Mailservern. Nach einem Richterbeschluss müssen die Provider der Staatsanwaltschaft Zugang zu den Postfächern gewähren und die gesamten Daten der E-Mail-Kommunikation an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Die Provider speichern die Daten auf einem speziellen System und über eine verschlüsselte Verbindung greifen die Behörden dann darauf zu.

Infrastruktur für 60.000 Euro

Die Kosten dafür müssen die Provider zu deren Ärger selbst tragen "Der Aufbau der gesetzlich geforderten Infrastruktur vor zweieinhalb Jahren hat uns etwa 60.000 Euro gekostet", sagt Nadja Elias, Pressesprecherin von GMX. Die zu United Internet gehörende Firma betreut derzeit etwa 8 Millionen E-Mail-Kunden.

Lorenz Kappei, Justitiar der 1&1 Internet AG und damit Kenner der quantitativen Folgen der Überwachungsvorgänge auch bei GMX und Web.de, ergänzt: "Derzeit können wir bei der E-Mail-Überwachung für eine Stunde gerade 17 Euro abrechnen." Wegen einer fehlenden gesetzlichen Regelung zahlt die öffentliche Hand einen Aufwand wie bei einer Zeugenentschädigung - zu leisten haben die Überwachung aber hochqualifizierte Informatiker. Die bei Deutschlands größtem Internetdienstleister "Behördenteam" genannte Überwachungsabteilung besteht derzeit aus fünf Leuten.

Die Antwort auf die Frage, wie hoch die jährliche Zahl der richterlich genehmigten E-Mail-Überwachungen das eigene Haus, also GMX und Web.de, betreffen, verweigert die GMX-Sprecherin Elias mit Verweis auf das Telekommunikationsgesetz. Eine anbieterübergreifende Studie habe aber eine Verneunfachung innerhalb von zwei Jahren ergeben.

Moderner Postraub

Die Deutsche Telekom, die derzeit nach eigenen Angaben 13 Millionen Kunden mit einem T-Online-Mailkonto betreut, führt bei der E-Mail-Überwachung einfach die Pflichten aus, die der Gesetzgeber ihr auferlegt, erklärt deren Sprecher Ralf Sauerzapf. Zu den Kosten, die dem Unternehmen aus den Maßnahmen entstehen, wollte er sich nicht äußern.

Den Aufwand geben die Anbieter in der einen oder anderen Form an ihre Kunden weiter: Entweder als Gebühr oder mit mehr Werbung. Letztlich zahlen alle E-Mail-Nutzer also dafür, dass die Polizei bei einigen von ihnen mitliest.

Auch die Vorratsdatenspeicherung kostet

Die vorraussichtlich ab Januar 2008 geltende Vorratsdatenspeicherung wird den Mailkonten-Anbietern weitere Kosten bescheren. Und das Misstrauen der Benutzer jederzeit potentiell ins Raster von Fahndern zu geraten. Denn das neue Gesetz beschränkt die Mitlese-Erlaubnis nicht auf schwere Straftaten, und wird, so glauben Kritiker, wohl auch bei vermuteter Alltagskriminalität wie Steuerhinterziehung zur Anwendung kommen.

Sie erinnern dann an die Girokontenabfrage, die einst als Waffe gegen die organisierte Kriminalität eingeführt, heute dem massenhaft Checken von Sozialhilfeempfängern dient. Insofern ist es nicht zwingend, in Richtung USA zu schauen, um sich an gruseligen E-Mail-Überwachungspraktiken zu weiden - auch Deutschland hat viel zu bieten.

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