Web.de, GMX, Google Mail und Co.:Rivalen der Inbox

Surfer nutzen lieber mehrere E-Mail-Adressen. Das könnte den etablierten Mail-Providern im Kampf gegen Facebook helfen. Wer liegt vorne?

Thorsten Riedl

Martin Moszkowicz hängt an seiner ersten E-Mail-Adresse. Der Filmproduzent hat auch heute noch eine Compuserve-Adresse auf seiner Visitenkarte stehen - fast 20 Jahre, nachdem er die Adresse von seinem damaligen Internetanbieter erhielt.

E-Mail Symbolbild

Wirkt die E-Mail bald so gestrig wie eine Briefmarke? Oder wollen Nutzer keine Inbox, in der ihre Kommunikation komplett gespeichert wird?

(Foto: iStock)

Compuserve ist längst Vergangenheit, der Dienst - zuletzt eine Tochter von AOL - wurde 2009 eingestellt. Über seine Compuserve-Mail ist Moszkowicz aber noch immer erreichbar. Ein Stück Nostalgie in der schnelllebigen Internet-Welt - eine einmal gesicherte E-Mail-Adresse geben aber auch andere Surfer so schnell nicht sauf.

Zwar hat Facebook-Gründer Mark Zuckerberg betont, die neue Kommunikationsplattform, die er plant, sei kein Ersatz für E-Mail. Neben den elektronischen Nachrichten sollen nämlich auch SMS, Chat- oder Facebook-Mitteilungen einfließen. Analysten werten die Produktankündigung aber einhellig als Angriff auf die etablierten Mail-Anbieter Google, Yahoo oder hier zu Lande GMX.

Der Traum von der Kommunikationszentrale im Internet stammt nicht von Zuckerberg. GMX beispielsweise zeigt bereits seit geraumer Zeit schon Faxe oder Nachrichten des Anrufbeantworters als Anhang einer E-Mail im Posteingang des Nutzers an. Seit dem vergangenen Jahr gibt es eine Kooperation mit Facebook. Eine Schaltzentrale, wie sie die Amerikaner erst planen, hätten GMX und Web.de schon, erklärt daher ein Sprecher.

Das Problem der etablierten E-Mail-Anbieter: die große Zahl der Nutzer von Facebook. So könnte es dem jungen Rivalen gelingen, die Kommunikation im Netz an sich zu ziehen. Die Hoffnung von Google, Yahoo & Co. liegt in der Trägheit der Masse. Internet-Nutzer wechseln ihre E-Mail-Adresse nämlich nicht mal eben so. Das zeigt eine Untersuchung des Beratungshauses Convios.

So kennen zum Beispiel 60 Prozent der Befragten Google Mail, nur noch 16 Prozent nutzen tatsächlich ein Adresse bei der Suchmaschine. Und bei der Frage, welche E-Mail-Adresse sie für private Nachrichten verwenden, antworten schließlich nur noch drei Prozent mit Google Mail. Im Schnitt gab jeder Studienteilnehmer an, drei E-Mail-Postfächer zu besitzen. Weit mehr als die Hälfte sagt, trotz sozialer Netze wie Facebook so viele Mails wie immer zu schicken.

Lesen Sie auf dem nächsten Seiten, welche Anbieter den Markt beherrschen und wie sie sich entwickeln.

Web.de, GMX und Yahoo

Web.de und GMX

United Internet kennen die wenigsten, bekannt dagegen sind die Marken des Unternehmens aus Montabaur im Westerwald: 1&1 etwa, mit denen der Konzern von Selfmade-Milliardär Ralph Dommermuth Zugänge für DSL-Anschlüsse vertreibt oder GMX.de, Web.de und seit neuestem auch Mail.com.

Neben Werbung auf seinen Mail-Portalen, verdient United Internet an Kooperationsgeschäften: Die Mitglieder bekommen beispielsweise Werbung von einer Bank. Eröffnen sie dort ein Konto, kassiert United Internet eine Provision.

Außerdem zahlen fast zwei Millionen Mail-Kunden für ihr Postfach und erhalten dann zum Beispiel mehr Speicher oder können SMS- und Faxnachrichten versenden. Wie hoch die Zahl der Nutzer der Gratisdienste liegt, verrät der börsennotierte Konzern nicht. Seit kurzem lassen sich Facebook-Nachrichten im Mail-Eingang zeigen.

Yahoo Mail

Der E-Mail-Dienst von Yahoo - kurz: Y! Mail - existiert seit 1997, also kurze Zeit nach Gründung des Internetkatalogs 1995 und ein Jahr nach dem Börsengang. Damals gab es einen harten Schlagabtausch zwischen Microsoft, AOL und Yahoo. Alle drei kämpften um die Vormachtstellung im Internet und ein E-Mail-Angebot gehörte einfach dazu.

Google hat den Mächtigen von einst inzwischen den Rang abgelaufen, zumindest was die Suche im Internet angeht. Die Deutschen nutzen nämlich noch weitaus lieber die Mail-Dienste von Microsoft und Yahoo, als die von Google. Das liegt auch daran, dass Yahoo nach dem Markteintritt von Google sein Angebot deutlich ausgebaut hat.

Mit dem weltweit größten Handyhersteller Nokia hat Yahoo im Frühjahr einen Pakt geschlossen. Die E-Mails von Yahoo sollen auf den finnischen Geräten leicht abzurufen sein. Der Vorstoß richtet sich gegen Apple und Google.

Google Mail, Freenet und T-Online

Google Mail

Bis die Internetsuchmaschine Google den E-Mail-Markt vor fünf Jahren erweitert hat, mussten Nutzer von Mail-Diensten im Netz in Megabyte rechnen. Ihre Postfächer hatten ein Fassungsvermögen von maximal 20 Megabyte - das entspricht gerade mal einem halben Dutzend Lieder in digitaler Form.

Ein Postfach bei Google dagegen fasste gleich zu Beginn ein Gigabyte, inzwischen sogar ein Vielfaches davon. Weltweit heißt der Dienst Gmail, in Deutschland wegen Problemen mit der Marke Google Mail.

Wie auf seiner Suchmaschine verdient Google bei seinem Mail-Programm mit Werbung. Eine Software analysiert den Text der E-Mails und blendet passende Reklame ein. Wer zum Beispiel von einem Freund eine Nachricht bekommt, das als Stichwort "Ferienwohnungen" enthält, dem zeigt Google auch mögliche Urlaubsziele. Manche finden das unheimlich.

Freenet

Freenet kauft im Großhandel Kapazitäten von Netzbetreibern und verkauft diese weiter unter der Marke Mobilcom-Debitel.

Das war mal genau andersherum: Ende der neunziger Jahre nämlich gründete die Telefongesellschaft Mobilcom die Tochter Freenet für die Vermarktung von Internetzugängen. Wer sich über Freenet in das Netz einwählte, landete automatisch auf der Freenet-Startseite und konnte sich dort auch eine E-Mail-Adresse sichern.

Nach einer wechselvollen Geschichte und vielen Streitereien ging Mobilcom vor drei Jahren in Freenet auf. Unter einem neuen Vorstandsvorsitzenden ist das Unternehmen auf der Suche nach seiner Strategie. Wie die meisten anderen E-Mail-Anbieter sorgt die Freenet-Mail-Adresse für viele Klicks auf das Freenet-Portal - und das bringt dem Unternehmen Einnahmen durch Onlineanzeigen.

T-Online

Lange Zeit bekamen nur Kunden des Onlinedienstes der Deutschen Telekom eine Adresse bei T-Online. Inzwischen kann sich jeder bei dem Mail-Dienst anmelden. Gegen Aufpreis lassen sich nun auch SMS oder Faxe direkt über das Web-Portal versenden.

Von 2000 bis 2006 war T-Online als eigenständiges Unternehmen an der Börse notiert. Seither gehört es wieder zum ehemaligen Staatsbetrieb. Heute ist T-Online nur noch einer von vielen Produktnamen in einem Geschäftsbereich der Telekom.

Das Internetportal betreibt die Telefongesellschaft als reines Informationsangebot, natürlich mit zahlreichen Werbelinks. Früher gab es wie bei AOL eine eigene Software für den Internetzugang und die E-Mail-Nutzung. Heute kennen sich die Kunden besser im Netz aus und nutzen vorwiegend die Webseite zum Abrufen ihrer Nachrichten.

Hotmail, AOL und die Anderen

Hotmail

Der Softwarekonzern Microsoft hat bislang kein glückliches Händchen in Punkto Internet bewiesen. Mitte der neunziger Jahre schickte Microsoft-Gründer Bill Gates seinen Kollegen zwar schon eine Mail und ordnete höchste Priorität für den Kampf ums Internet an. Bislang sind die Erfolge aber punktuell.

Dafür hat der weltweit größte Softwarehersteller Milliarden ins Netz versenkt - etwa durch den Kauf von Hotmail. Zwei Jahre nach dem Weckruf von Gates kaufte Microsoft den E-Mail-Dienst für 400 Millionen Dollar. Das war ein stolzer Preis für etwas mehr als zehn Millionen Nutzer - doch das Thema musste besetzt werden.

Durch Attacken von Spammern und Hackern geriet die Seite mehrfach in die Schlagzeilen. Inzwischen heißt das Mail-Programm von Microsoft offiziell Windows Live Hotmail. Unter diesem Logo greift der Konzern im Netz an - wieder einmal.

AOL

"Sie haben Post": Gesprochen von einer Frauenstimme hat das Eingangssignal von AOL für elektronische Nachrichten Kultstatus. In den achtziger Jahren wurde die Firma gegründet und brachte "America online" - kurz: AOL. In Deutschland hat der Internetpionier dazu auch seinen Beitrag geleistet, etwa mit der Kampagne mit Tennisstar Boris Becker in den Neunzigern und der Frage: "Bin ich schon drin?"

E-Mail spielte in der AOL-Software, die früher per CD eigens auf den Rechner gespielt werden musste, stets eine wichtige Rolle. Nach der misslungenen Fusion mit dem Medienkonzern Time Warner ist AOL nur Schatten seiner selbst.

Das Deutschlandgeschäft hat das Unternehmen aufgegeben. Den E-Mail-Zugang hingegen gibt es noch über das Internet. Haupteinnahmequelle ist Werbung. Fast die Hälfte der Klicks auf AOL kommt noch durch E-Mail-Nutzer. Im Tohuwabohu um Facebook ist untergegangen, dass auch AOL am Wochenende seinen Maildienst renoviert hat. Das Projekt mit dem bedeutungsschweren Namen Phoenix ist aber wenig mehr als ein Facelift.

Die Anderen

Für Branchenkenner handelt es sich um klangvolle Namen: Compuserve, Netscape oder Lycos. Einst zählten diese Unternehmen in ihren Bereichen im Internet zu den Führenden. Heute existieren sie nicht mehr oder sind als Teilbereich in einem Unternehmen aufgegangen.

Netscape beispielsweise wurde auf dem Höhepunkt seines Erfolges von AOL gekauft, Compuserve ebenso. AOL schloss sich mit Time Warner zusammen - und kämpft heute selbst um seine Stellung im Netz.

Die Ex-Größen haben E-Mail-Zugänge angeboten, weil das einfach dazu gehörte. Zum Teil sind die Kunden über ihre alten Adressen noch erreichbar. Netscape bietet heute innerhalb seines Angebots Internet Service kostenpflichtige E-Mail-Adressen an. Der Marktanteil der Pioniere aber ist verschwindend gering.

Der größte Teil der E-Mail-Adressen, der in der Statistik unter Sonstiges aufgelistet wird, gehört Nutzern mit eigenen Internetadressen. So lässt sich das Abschalten des E-Mail-Zuganges am ehesten kontrollieren.

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