E-Books vs. gedruckte Bücher:Blätter, die haften bleiben

Autoren als Verleger ? Selbst publizieren übers Netz

E-Books: schlechterer Aufbau von Erinnerungen beim Lesen als bei gedruckten Büchern.

(Foto: dpa-tmn)

Tippen, wischen und schon vergessen? Laut der aktuellen Studie einer Universität aus Norwegen sollen gedruckte Bücher einprägsamer sein als E-Books.

Von Johannes Boie

Elizabeth George ist eine ziemlich erfolgreiche amerikanische Krimiautorin, aber falls sie doch mal eine Ausrede benötigen sollte, warum sich der eine oder andere Leser nicht so gut an ihre Kurzgeschichten erinnert, dann kann sie künftig sagen: Ach, der hat das bestimmt auf einem Kindle gelesen. Daran muss es liegen.

Sie könnte sich auf eine Studie norwegischer Wissenschaftler berufen, die jetzt in Italien vorgestellt wurde. Das Ergebnis: Wer auf einem Kindle liest, dem elektrischen Lesegerät des Internet-Händlers Amazon, erinnert sich deutlich schlechter an die Geschichte als Leser, die den gleichen Text in einem herkömmlichen Buch lasen. Die Forscher testeten das an zwei Gruppen mit je 25 Teilnehmern. Alle sollten nach der Lektüre 14 Ereignisse der Handlung nach ihrer zeitlichen Reihenfolge ordnen.

Den Lesern der gedruckten Ausgabe gelang das deutlich besser. Anne Mangen von der norwegischen Stavanger Universität, die die Studie leitete, glaubt, dass der Aufbau von Erinnerungen beim Lesen auf dem Kindle deswegen schlechter sei, weil die einzelnen Seiten so wenig tastbar seien. Im Gegensatz dazu fühlten die Hände des Lesers beim Blättern in einem Buch, an welcher Stelle er gerade sei.

Andere Studien scheinen diese Annahme zu bestätigen. Mangen und ihre Kollegen hatten zuvor bereits 72 Zehntklässler einen Text entweder gedruckt oder digital lesen lassen. Auch dabei schnitten die Leser, die Papier unter den Händen hielten, im Nachhinein besser ab. Das Fazit könnte an dieser Stelle lauten: Gedruckte Lektüre ist also gut fürs Hirn des Lesers, elektronische weniger.

Texte auf Bildschirmen sind Alltag

Sollte das stimmen, wäre das Resultat mit "tragisch" noch zurückhaltend umschrieben. Marktforscher rechnen mit bist zu 60 Millionen verkauften E-Books im laufenden Jahr, hält der Boom an, dann könnten mit ihnen zum Ende der Dekade eine Milliarde Euro pro Jahr umgesetzt werden. In der Arbeitswelt, an Universitäten und zunehmend auch in Schulen sind Texte auf Bildschirmen Alltag.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Viele Fragen bleiben offen: Welchen Einfluss hat es, ob zum Spaß oder in der Schule gelesen wird? Welchen die Umgebung? Welchen die Art der Lektüre? Welche Rolle spielt es, ob ein Text als simple PDF-Datei auf dem Kindle vorliegt oder als schön gestaltetes elektrisches Buch? Und wie wirkt sich die Erfahrung des Lesers mit einem elektrischen Lesegerät auf Konzentration und Erinnerung aus? In Mangens Studie hatten sich nur zwei der 25 Kindle-Leser schon vor dem Experiment länger mit dem Gerät befasst. Bedrucktes Papier hingegen kennen alle Studienteilnehmer.

Exakt auf diese Detailfragen beziehen sich Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Sie kommen gar zu dem Urteil, dass das Lesen auf einem klassischen Tablet wie einem iPad für das Gehirn einfacher sei, zumindest konnten sie einen positiven Effekt bei der Hirnaktivität nachweisen. Gleichzeitig zeigte die Befragung ihrer 30 Versuchspersonen, dass es die allermeisten Probanden bevorzugten, Texte von Papier zu lesen. Vielleicht aus Gewohnheit. Immerhin im Fazit sind sich die deutschen Forscher mit ihren norwegischen Kollegen einig: Bis zu einem endgültigen Urteil muss noch viel geforscht werden.

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