Süddeutsche Zeitung

Druckerhersteller in der Corona-Krise:In der Tinte

Im Home-Office sind sie plötzlich wieder wichtig geworden: die Drucker fürs Zuhause. Doch trotz des Corona-Booms geht es den Herstellern nicht gut.

Von Viktoria Spinrad

Die Hausaufgaben für die Kinder, die Studie für die Arbeit, die Bewerbung bei einem neuen Arbeitgeber: Wer in den vergangenen Monaten zu Hause etwas drucken wollte, hatte es nicht leicht. Wegen der Nachfrage und der Lieferengpässe sind manche Modelle ausverkauft - trotz eigens eingerichteter Frachtflüge aus Fernost. Wer Pech hat, muss Monate warten, ehe die Online-Bestellung vom Juli ankommt. Bei all dem Andrang müssten sich die Hersteller doch vor lauter Glück ins Fäustchen lachen?

Die Nachfrage für den sogenannten Consumer-Bereich ist tatsächlich stark gestiegen. Beim größten deutschen Marktforschungsinstitut GfK spricht man von teils zweistelligen Wachstumsraten. Der Hersteller Canon teilt mit, dass 14 Prozent mehr Tintenpatronen verkauft wurden, HP spricht auf Anfrage gar von einer "Renaissance des Druckens" zu Hause. Druckerfirmen, die Gewinner der Krise?

Es hilft, zu verstehen, was die Unternehmen auf dem umkämpften Markt umtreibt. Da immer mehr am Bildschirm gelesen, über Netzwerke geteilt und immer weniger gedruckt wird, ist der Markt seit Jahren im leichten Sinkflug. Wie die Analysten des internationalen Marktforschungs- und Beratungsunternehmens IDC ermittelten, wurden 2019 in Westeuropa 1,25 Millionen weniger Geräte verkauft als im Vorjahr. Das entspricht einem Minus von 6,3 Prozent. Ein Trend, der sich in Zeiten von Digitalisierung und steigendem Umweltbewusstsein so schnell nicht umkehren lassen dürfte.

Billigere Drittanbieter

Dazu kommt, dass billigere Drittanbieter von Tinten den Markt aufmischen - den Marktführer HP und seine Konkurrenten Canon, Epson und Brother in einer Art Katz-und-Maus-Spiel unter Druck setzen. Und die Unternehmen stechen sich gegenseitig aus, übernehmen kleinere Firmen. So kaufte HP Samsungs Druckersparte, jetzt ist es ein Überlebenskampf zwischen den vier großen. Auf dem Tintenmarkt sei die Hürde mittlerweile so hoch, "dass kein anderer mehr reindrängen würde", sagt Phil Sargeant, Druckerexperte bei IDC.

Inmitten dieser Gemengelage erfreuen sich die Hersteller nun eines Runs auf ihre Tintenstrahldrucker - und können sich doch nicht so richtig freuen. Tatsächlich ist die Stimmung zerknirscht. Unterm Strich ist der deutsche Druckermarkt laut IDC um knapp 17 Prozent eingebrochen. Der Grund für die scheinbar paradoxe Situation: Die meisten Hersteller erwirtschaften den Großteil ihres Umsatzes mit großen Druckern in Firmen, also dem sogenannten B2B-Bereich. Einem Zweig, in dem in den vergangenen Monaten vielerorts alles andere als reges Treiben herrschte. Wo normalerweise E-Mails, Designentwürfe und auch Zeitungsseiten zur Vorabansicht die Drucker in Büros und Universitäten zum Rattern brachten, herrschte in den vergangenen Monaten gespenstische Stille.

Das ist schlecht für die Hersteller, die umso mehr verdienen, je mehr gedruckt wird. Wie genau abgerechnet wird, hängt vom Rahmenvertrag zwischen dem Unternehmen und dem Hersteller beziehungsweise dem Zwischenhändler ab. Usus ist, dass im Rahmen sogenannter "Managed Print Services" (MPS) die Drucker in Unternehmen aller Art eine automatische Meldung herausgeben, bevor die Tintenpatronen oder die Laserkartuschen ganz aufgebraucht sind und automatisch nachbestellt werden. Gezahlt wird pro gedruckter Seite. "Das ist der goldene Markt", sagt IDC-Analyst Phil Sargeant.

Teurer als Chanel N°5

Wer sich einen Drucker kaufen will, findet sich in einem unübersichtlichen Dschungel aus Modellen wieder. Bei der Orientierung hilft der Grundsatz: Je günstiger das Gerät, desto teurer ist tendenziell jede gedruckte Seite. Diese Folgekosten sind nicht zu unterschätzen: Ein typisches Kombi-Paket mit Tintenpatronen ist - hochgerechnet auf den Literpreis - mit mehr als 2000 Euro nicht nur teurer als Blut (etwa 250 Euro), sondern auch mehr als doppelt so teurer wie Chanel N°5 (1050 Euro). Besser bedient ist man bei den Tintenstrahldruckern mit Flatrate-Modellen, Druckern mit austauschbaren Druckköpfen und Flaschenbehältern. "Letztere arbeiten sehr, sehr günstig", sagt Michael Wolf von Stiftung Warentest. Die Verbraucherorganisation hat kürzlich 162 Drucker verglichen, mit einem ernüchternden Ergebnis: Wegen der hohen Kosten und durchschnittlichen Qualität bekam keiner der 13 getesteten Tintenstrahl-Multifunktionsdrucker ein "gut". Wolf empfiehlt, im Zweifel auch Patronen von Fremdanbietern auszuprobieren: Das Risiko, dass der Drucker - wie von den Herstellern oft behauptet - dadurch kaputtgehe, sei "nicht sehr hoch". Wohl könne es aber passieren, dass der Drucker die Patrone schlichtweg nicht akzeptiert - zur Erkennung des Originals dienen Chips auf den Patronen. Wer selten druckt und eher auf Texte als auf Hochglanzfotos angewiesen ist, sollte sich ohnehin überlegen, ob auch für Zuhause nicht ein Laserdrucker besser geeignet ist. Wo Tinte schnell austrocknet, kann Toner, also feines Pulver, höchstens verkleben, wenn es feucht gelagert wird. Ansonsten ist es deutlich ergiebiger. Eine Kartusche reicht für etwa 2500 bis 3000 Seiten. Zudem kann man hier den Druckerstecker ziehen, ohne dass beim Anschalten jedes Mal Reinigungsvorgänge starten, die die Farbe weiter aufbrauchen. Sowohl Tintenpatronen als auch Toner haben eins gemeinsam: Beide gelten als Sondermüll, landen aber oft im Restmüll oder in der Natur. Dafür drohen - je nach Bundesland - Bußgelder von bis zu 1000 Euro. Die leeren Kartuschen sollte man zum Recyclinghof bringen oder zu Sammelboxen im Supermarkt oder im Elektrogeschäft. Viele Hersteller bieten eigene Entsorgungskonzepte an, bei denen die zurückgeschickten Tintenpatronen recycelt werden (z.B. HP Instant Ink, Epson EcoTank). Nachhaltige Drucker sind zudem mit dem Umweltzeichen "Blauer Engel" gekennzeichnet. Eine Alternative sind runderneuerte Drucker (z.B. www.afbshop.de). Man kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass es für den eigenen Bedarf reicht, im nächstgelegenen Copy-Shop zu drucken. Franziska Nieß, Viktoria Spinrad

Was sich in den vergangenen Jahren als Umsatztreiber etabliert hat, wird den Herstellern nun zum Verhängnis. Wird nichts gedruckt, werden Aufträge verschoben oder gar storniert, weil man im Unternehmen den Gürtel enger schnallen muss, versiegt eine wichtige Einkommensquelle für die Hersteller. Laut IDC wurden in Deutschland im zweiten Quartal fast ein Drittel weniger Laserdrucker verkauft als im Vorjahr. Dieser Einbruch macht die Euphorie dank Home-Office und Homeschooling wieder zunichte. Bei Brother spricht man insgesamt von einem leichten Minus für die Monate März bis Mai. Und der Sprecher von Epson sinniert über "des einen Freud, des anderen Leid". Trotz Corona genieße man in etwa eine schwarze Null.

Schwarze Null ist eine Leistung

Eine schwarze Null ist in Corona-Zeiten schon eine Leistung. Die Druckerunternehmen wissen ja, was anderswo los ist. Zum Beispiel in der Modebranche mit ihren teils exorbitanten Einbrüchen. So könnte man auch sagen: Wenn das Glas halb voll ist, dann war der Umzug des Arbeitsplatzes in die heimischen Wohn- und Schlafzimmer das weiche Kissen, auf das die Hersteller fallen konnten.

Dessen scheinen sie sich auch bewusst zu sein. Brother betont, dass man weder Personal abbauen noch Kurzarbeit anmelden musste - "wir suchen sogar aktiv Personal." Und bei Canon denkt man - trotz teilweiser Kurzarbeit - über die Krise als Impuls für Veränderungen nach. Stichworte: Digitalisierung, papierloses Büro, Workflow-Management.

Trends, die genau wie Nachhaltigkeit bei den Herstellern längst angekommen sind - und nun beschleunigt werden dürften. "Es wird ein digitaler Schub kommen", prophezeit Nils Britze vom Branchenverband Bitkom. Kein Wunder, in einer Zeit, in der es gilt, auch von zu Hause aus Zugang auf Kundendaten zu haben. Um sich anzupassen, haben viele Hersteller in den vergangenen Jahren Anbieter von digitalem Dokumentenmanagement aufgekauft. Mittlerweile gehören vernetzte Drucker und Cloud-Lösungen zum Standardrepertoire. "Praktisch kein Unternehmen kauft nur noch den Drucker", sagt ein Sprecher von Epson.

Einen Vorteil haben Unternehmen wie seines: Es gibt bereits eine Stammkundschaft. Gerade in Deutschland, das in Sachen Geschäftsbeziehungen als recht treu gilt. Doch auch der Markt mit den Digital-Lösungen ist ein umkämpfter, zumal mit jedem Lösungspaket möglichen Datenschutz-Problemen vorgebeugt werden muss. Wie schwierig es ist, allein mit diesem Service Geld zu verdienen, zeigt sich am Beispiel Google: Der Tech-Gigant hat angekündigt, seinen Druckerdienst Cloud Print zum Jahresende einzustellen.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2020/mri
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