Drohnen für Freizeitpiloten:Blick über die Hecke

A Boy With A Quadcopter Drone

Mit Kameras ausgestattete Drohnen für den Freizeitgebrauch sind zum Massengeschäft geworden.

(Foto: Getty Images)

Drohnen für den Privatgebrauch entwickeln sich zum Massengeschäft. Womöglich bringt 2015 auch der Kamerahersteller GoPro eigene Fluggeräte auf den Markt. Können wir den fliegenden Augen bald nicht mehr entkommen?

Von Lutz Knappmann

Es sind Aufnahmen von beklemmender Schönheit: Über einen hohen, weißen Wall schwebt die Kamera aus der Garage hinaus, hinweg über die Dächer einer US-Kleinstadt bei Buffalo, die über Nacht meterhoch im Schnee versunken ist. Kein Durchkommen für Fußgänger und Autofahrer. Ein Anwohner hat das Naturschauspiel mit seiner ferngesteuerten Drohne gefilmt. Ruhige Bilder, perfekt belichtet und in bester HD-Qualität.

Aufnahmen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren, als Drohnen allenfalls ein Spielzeug für reiche Technikfreaks waren - und eine unheimliche Waffe des Militärs. Mittlerweile sind sogenannte Quadro-Copter, kleine ferngesteuerte Flugobjekte mit vier Propellern, schon für 300 Euro und weniger zu kaufen. Das Internet ist voll von Luftaufnahmen spektakulärer Wasserfälle, großer Demonstrationen und kleiner Indiskretionen.

Drohnen mit eingebauter Videokamera entwickeln sich zum Massenphänomen - und mit ihnen die Diskussion über die Folgen für die Privatsphäre. Welche Regeln gelten noch, wenn Mauern kein Hindernis mehr für Kameras sind?

GoPro will eigene Kameradrohnen bauen

Die Kommerzialisierung der Freizeitdrohnen dürfte kommendes Jahr noch einen weiteren Schub bekommen: Denn nun ist durchgesickert, dass die Kamerafirma GoPro offenbar plant, eigene Drohnen für den Massenmarkt zu bauen. 500 bis 1000 Dollar könnten diese Fluggeräte kosten, berichtet das Wall Street Journal. GoPro selbst hat sich zu den Gerüchten bislang nicht geäußert. Doch für die US-Firma wäre der Schritt konsequent: GoPro-Kameras sind schon jetzt sehr beliebt bei Extremsportlern wie bei Hobby-Abenteurern. Sie werden festgeschnallt auf dem Motorradhelm oder am Kopf des Fallschirmspringers - überall dort, wo es sich lohnt, den Freunden im Internet anschließend zu beweisen: "Schaut her, was ich mich getraut habe." 2,8 Millionen Kameras verkaufte GoPro nach eigenen Angaben allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres.

Beim Videoportal Youtube dauert es nur ein paar Sekunden, um einen Eindruck zu bekommen, warum die Nachricht von den GoPro-Plänen bei vielen Menschen Unbehagen auslöst: Schon die erste Suchabfrage fördert einen 30-Sekünder zutage, der zeigt, wie ein junger Mann seine Drohne übers Dach eines Wohnhauses schweben lässt und dabei - was für ein Zufall - eine Frau filmt, die sich oben ohne in der Sonne rekelt. Mehr als 1,6 Millionen Mal haben die Nutzer das Video bislang abgerufen. Vieles deutet darauf hin, dass die Szene gestellt ist. Aber im Grunde ist das egal, denn der Clip beweist auch so: Die Nachfrage nach voyeuristischem Material ist riesig - und Drohnen eröffnen ganz neue Möglichkeiten. Die Vorstellung eines Masseneinsatzes erinnert deshalb an die viel zitierte Dystopie "The Circle" von US-Autor Dave Eggers, in der Live-Kameras so unsichtbar wie allgegenwärtig sind und die Devise herrscht: wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.

Das Grundstück des Nachbarn ist wohl tabu

Doch tatsächlich sind den fliegenden Hobbyspionen hierzulande Grenzen gesetzt: Fliegen darf die Drohnen zwar im Grunde jedermann. Das Luftverkehrsgesetz schreibt eine Genehmigung erst dann vor, wenn die Drohne mehr als fünf Kilo wiegt oder zu kommerziellen Zwecken eingesetzt wird. Allerdings müssen Hobby-Piloten ihr Fluggerät in Sichtweite und in einigen Bundesländern auch unterhalb von 100 Metern Flughöhe halten.

Sie müssen einen Mindestabstand zu Flugplätzen beachten und Flugverbotszonen meiden, etwa über militärischen Anlagen. Außerdem sollten sie sich vergewissern, ob ihre Haftpflichtversicherung mögliche Schäden abdeckt, die sie mit der Drohne anrichten.

Vor allem aber müssen sie Datenschutz und Privatsphäre beachten. Das Grundstück des Nachbarn ist nach Ansicht von Juristen tabu - es sei denn, der stimmt den Luftaufnahmen zu. "Eine Drohne mit Kamera ist ein ernst zu nehmender Rechtseingriff", warnt etwa der Rechtsanwalt Jens Ferner in seinem Online-Blog Ferner-Alsdorf.de.

Was tun, wenn die Nachbarsdrohne über der Terrasse schwebt?

"In Deutschland gibt es dazu noch keine wirklichen Urteile", sagt der Anwalt Markus Kompa. "Da wird sich juristisch in den kommenden Jahren noch viel tun." Grundsätzlich aber gelte das Hausrecht "auch nach oben", so Kompa. Ohnehin zu respektieren ist das Recht am eigenen Bild: Ohne Zustimmung dürfen Bilder, auf denen eine Privatperson zu erkennen ist, nicht veröffentlicht werden. Egal womit sie aufgenommen wurden.

Gleiches gilt bei Verletzung der Intimsphäre: ob Handykamera oder Drohne, die rechtlichen Folgen können gravierend sein. Was aber tun, wenn die Nachbarsdrohne dennoch über der Terrasse schwirrt? Darf man sie womöglich abschießen? Das Gesetz lässt nach Ansicht der Juristen zwar Selbsthilfe zu, bei der Gegenstände beschädigt werden, falls rechtzeitig keine andere Hilfe verfügbar ist. Ob der beherzte Schuss aus der Flinte verhältnismäßig ist, dürfte anschließend aber längere Diskussionen auslösen. Und so rät Anwalt Ferner in seinem Blog Drohnenpiloten wie Nachbarn zum Naheliegenden: Reden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: