DLD-Konferenz in München:Sie wollen nur eure Daten

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Während der Burda-Verlag einmal mehr Google angreift, zeigt sich auf dem Zukunftskongress Digital - Life - Design, dass die technische Entwicklung auch beunruhigende Seiten hat.

Johannes Kuhn

Digitale Zukunftskongresse, so die ungeschriebene Regel, sollten nicht mit einem Déjà-vu beginnen. Doch Hubert Burda ist das egal. "Das ganze Werbegeld geht zu Google", sagt der 69-Jährige Altverleger bei seiner Eröffnungsrede, "Und wir ziehen ein langes Gesicht." Es ist die resignative Reprise seiner Wutrede aus dem vergangenen Jahr, als er geklagt hatte, mit Online-Werbung nur "lausige, lausige Pfennigbeträge" zu verdienen.

Konferenzteilnehmer und Roboter: Propheten der digitalen Zukunft treffen sich vom 24. bis 26. Januar in München (Foto: Foto: Getty Images)

In Wahrheit sind Zukunftskongresse ein einziges Déjà-vu: Stets werden neue Trends ausgerufen, wird das nächste große Ding gesucht, die Magie der Veränderung beschworen. Bei der Burda-Konferenz "Digital, Life, Design" ist das nicht anders. Seit 2005 macht die Digitalbranchen-Prominenz in München halt, um bei einem Zwischenstopp vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos das Hohelied der digitalen Entwicklung zu singen.

Doch die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war: Burdas Google-Kritik steht stellvertretend für die Skepsis, die sich in den vergangenen zwölf Monaten in der deutschen Verlagsbranche breitgemacht hat. "Es ist, als wolle Deutschland überhaupt kein Internet", hatte der amerikanische Medienprofessor Jeff Jarvis die Anti-Google-Rhetorik der Verlage im Vorfeld verwundert kommentiert.

Mehr Transparenz von Google

Natürlich ist Jarvis trotzdem angereist und darf aus der ersten Reihe verfolgen, wie der Burda-Vorstandsvorsitzende Paul Bernhard Kallen bei einer Debatte Google-Justiziar David Drummond frontal angeht: "Sie kontrollieren den Markt, sie sind inzwischen etwas wie eine Infrastruktur-Unternehmen", wirft er dem Suchmaschinen-Konzern vor, "Sie sollten mit offenen Karten spielen." Das kalifornische Unternehmen verrät bislang nicht, welchen Prozentsatz des Erlöses es den einzelnen Seitenbetreibern auszahlt, die Google-Anzeigen auf ihrer Webpräsenz zeigen.

Drummond, ganz freundlicher Gast, verspricht, künftig über größere Transparenz nachzudenken. Im Vorraum können derweil 200 Veranstaltungsgäste mit ihren neuen Google-Handys vom Typ Nexus One spielen, die das Unternehmen verlost hat.

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So bleibt der kurze Disput eine Episode, und die Prediger der neuen Geschäftsmodelle und des wunderbaren Technikfortschritts übernehmen wieder die Diskursherrschaft. Zum neuesten Trend ernennt die Branche in diesem Jahr ortsbasierte Dienste.

Diese nutzen aus, dass immer mehr Menschen über ihr Smartphone ständig mit dem Internet verbunden sind. Bei Applikationen wie Foursquare hinterlassen sie freiwillig ihre GPS-Koordinaten, damit Freunde wissen, wo sie sich aufhalten. Foursquare wiederum kann anhand der Daten perfekt Werbekampagnen örtlicher Geschäfte, Bars oder Restaurants platzieren.

Noch weiter gehen die Gedankenspiele zur Gesichtserkennungssoftware in Handys. Können wir bald Informationen über fremde Menschen auf der Straße erhalten, wenn wir ihr Gesicht mit dem Sucher unserer Smartphone-Kamera anpeilen? Die Technik und die notwendigen Daten sind vorhanden. "Wenn es Google nicht macht, macht es eine andere Firma", prophezeit Buchautor David Kirkpatrick.

Keine Identität ohne Datenspur

Debatten über Datensparsamkeit oder die ethischen Grenzen der neuen Möglichkeiten finden bei der DLD-Konferenz (Digital - Life - Design) nur am Rande statt. Längst ist es Konsens, dass nur der eine Online-Identität formen kann, der möglichst viele Daten hinterlässt, auch wenn er dabei in Kauf nimmt, dass er für immer die Kontrolle über die veröffentlichten Informationen verliert.

Für die Stärkung der Reputation im Internet rät dann auch Philipp Pieper vom Kontextsuchen-Anbieter Proximic, Inhalte über sich veröffentlichen, "die unerwünschte Infos auf die dritte Seite der Suchergebnisse verdrängen".

Bei solchen Ideen regt sich dann bei den Zuhörern doch Widerstand. Ein Vertreter der digitalen Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation meldet sich aus dem Publikum mit einem Gedankenspiel zur unreflektierten Datenverschwendung zu Wort: Was würde es für den Einzelnen bedeuten, wenn es in ein paar Jahren intelligente Suchroboter gäbe, die aus dem Datenwust die peinlichsten Momente im Leben einer Person extrahieren könnten?

Derlei Zukunftsskepsis kann inmitten des Technologie-Optimismus durchaus eine befreiende Wirkung haben: Für einen Moment brandet Applaus auf.

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