Unternehmerin Fatoumata Ba:Die Frau, die Afrika umkrempelt

Innovationskonferenz DLD

Fatoumata Ba wurde jetzt mit dem "Aenne Burda Award" ausgezeichnet.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

In Kenia wird seit 2007 vieles per Handy gezahlt, in Angola ordert man seine Ziegen digital. Unternehmerin Fatoumata Ba erklärt in München der digitalen Elite, was Afrika anders macht.

Von Bernd Graff

Längst ist es ein Winterritual geworden: Jahr für Jahr im Januar zieht Hubert Burdas "DLD Munich" allen Glamour, den die Digitalwelt aufzubieten hat, nach München. Stephanie Czerny, die Geschäftsführerin des dreitägigen Innovationshappenings "Digital Life Design", bringt eine nestwarme Mütterlichkeit in dieses jahreszeit- und vielleicht auch themenbedingt kalte Sonderbiotop der Superchecker und Mover, der abgebrühten Techies und nassforschen Entrepreneurs. Denn wenn die Visionen und Zukunftsverheißungen der schönen neuen Digitalwelt wie Blasen unter dem Konferenzdach baumeln, dann rüttelt Steffie Czerny das Haus aus dem Dämmer einer vielleicht allzu großen Selbstverliebtheit. Da ist auf sie Verlass.

Trotzdem ist dieser "DLD", immer gelegen vor dem "World Economic Forum" in Davos, wohin denn auch viele der DLD-Anreisenden weiterziehen, nicht einfach nur eine sich charmant bietende Gelegenheit, die Davos-Themen schon mal in München vorzubesprechen und die eigene Performance vor begeisterungsfähigem Publikum zu testen. Czerny hat ein Händchen dafür, neben einem Pulk an Speaker-Stars - in diesem Jahr kam die Chefangestellte von Facebook, Sheryl Sandberg, die sich nach massiver Kritik erstaunlich reumütig und geläutert gab -, weniger bekannte, dafür aber umso beeindruckendere Persönlichkeiten der globalen Digitalwelt einzuladen, die mit ihren Projekten immer wieder überraschen. Sie sind Vordenker und Unternehmer, die das diesjährige Konferenzmotto: "Optimismus und Mut" tatsächlich ausstrahlen und leben. Es sind Menschen wie Fatoumata Ba.

Die Senegalesin ist nicht einmal dreißig Jahre alt, aber sie ist bereits jetzt eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Afrikas. Sie hat 2013 das unfassbar erfolgreiche Jumia gegründet, so etwas wie ein afrikanisches Amazon für den gesamten Raum der Subsahara mit seinen rund 900 Millionen Einwohnern. Doch, das wird im Gespräch mit ihr sehr schnell deutlich, es ist eben ein dezidiert auf die besonderen Bedingungen dieser Großregion zugeschnittener Versandhandel. Und diese sind nicht nur wirtschaftlicher Natur.

Den Kontinent bewohnen heute 1,3 Milliarden Menschen, dreimal mehr als vor 30 Jahren. In 30 Jahren werden es voraussichtlich 2,2 Milliarden sein. Derzeit sind 40 Prozent der afrikanischen Bevölkerung unter 15 Jahre alt, der Kontinent ist der jüngste der Welt, doch nicht nur seine technologischen, logistischen und kommerziellen Infrastrukturen sind, milde formuliert, ausbaufähig.

In Afrika kommt ein Laden auf 60 000 Verbraucher

So kommt laut Ba in den USA ein Ladengeschäft auf 400 Verbraucher, in Afrika ist das Verhältnis 1:60 000. Nahrungsmittel finden oft nicht zum Verbraucher, weil sie nicht transportiert werden können und schon beim Erzeuger verrotten. Außerdem entfallen 75 Prozent der Warenkosten auf den Transport eines Produkts zum Kunden. In Europa und den USA liegen sie bei unter sechs Prozent. Die Zahl der afrikanischen Internetnutzer ist dagegen mit lediglich zwei Prozent Weltanteil immer noch verschwindend gering. Das sind - ebenfalls milde gesagt - herausfordernde Voraussetzungen, um in diesen Ländern einen Onlinehandel aufzuziehen.

Doch Fatoumata Ba setzt darauf, dass Afrika sich gerade wandelt und dabei nach ganz anderen als europäischen oder US-amerikanischen Modellen verfährt. Von den 30 weltweit am schnellsten, gerade auch ökonomisch wachsenden Städteregionen befinden sich 21 in Afrika, vor allem in den Großregionen von Nigeria, Südafrika, Kenia, Ghana, Senegal und Uganda.

Nirgendwo auf der Welt schreitet aber auch die Digitalisierung schneller voran als in Afrika. Auch nicht in China. So verdoppelte sich die Zahl der Internetnutzer allein in Nigeria von 50 auf 100 Millionen - in nur drei Jahren zwischen 2015 und 2018. Fast niemand von ihnen hat einen Festnetzanschluss (ein Prozent), alle nutzen Smartphones und/oder Tablets. Und Digitalisierung erfasst hier alles, vom Bestellen zum Bezahlen, vom Ausbilden zum Arbeiten. Alles läuft über das mobile Netz, völlig unabhängig von bekannten Akteuren wie etwa Banken.

Bas Schwerpunkt: Die nächste Generation digitaler Unternehmerinnen

Ba nennt das: Der Kontinent "leapfrogged". Dieses auch gerne vom DLD-Set aufgegriffene Buzzwort meint: Das Überspringen von Instanzen und Evolutionsschritten in der Entwicklung. In Afrika laufen alle Kommunikation und nahezu jeder Handel über Apps: In Kenia zahlt man seit 2007 vieles bargeldlos mit "M-Pesa", in Angola kann man seit 2016 mit der "Tupuca"-App lebende Tiere, etwa Ziegen, vor seine Haustür in Luanda, der Hauptstadt, ordern. In Südafrika konkurrieren die Lieferservices "Mr D Food" und "Uber Eats" miteinander, eine Tochter des US-Taxidienstes. Bas "Jumia Food" liefert Nahrungsmittel in die Stadtgroßräume von elf Ländern.

Möglich wurde dies, weil Ba von Anfang an gezielt auf "Small and medium-sized Enterprises" (SME) setzte und solche Unternehmen förderte. So stattete sie 2015 in Nigeria 120 Einzelpersonen mit Zugang zu ihren Onlinekatalogen aus, damit sie als Reseller in ihren Communities arbeiten konnten. Mittlerweile sind allein dort 45 000 SME-Kleinunternehmen angesiedelt, afrikaweit sind es eine halbe Million, die mittelbar Jumia-Waren vertreiben.

Inzwischen hat Fatoumata Ba mit "Janngo" eine Tech-Plattform gegründet, die andere Unternehmer darin berät, ihre Waren und Services, vor allem im Gesundheitswesen, online anzubieten. Schwerpunkte sind hier die Ausbildung und Förderung von Frauen, die Unterstützung bei Unternehmensgründungen bieten. Ba will und fördert Afrikas systematischen Wandel, vor allem im Umgang mit den kontinentalen Ressourcen. So exportiert Nigeria zwar Rohöl, um dann aber wieder raffiniertes Öl teuer einzuführen, genauso verhält es sich mit Leder und Lederwaren, mit Baumwolle und Kleidung. Das alles sind unter dem Strich bislang Minus-Geschäfte.

Inzwischen investiert die erfolgreiche Unternehmerin auch in Europa, am Wochenende wurde Fatoumata Ba mit dem Aenne Burda Award ausgezeichnet.

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