Dissident verklagt Internet-Riesen:Pekings nützliche Netzwerke

Weil Yahoo seine Daten an das chinesische Regime weitergab, sitzt ein Dissident im Gefängnis. Jetzt klagt er gegen das Unternehmen. Die Entscheidung würde einen Präzedenzfall schaffen.

Edeltraud Rattenhuber

"Vergesst nicht, dass China immer noch eine autoritäre Diktatur ist", schrieb der Dissident Wang Xiaoning im Internet - und vergaß natürlich nicht, seine Identität zu verschleiern. Denn jeder Chinese weiß, dass man für Sätze wie diesen im Gefängnis landen kann.

Doch alle Vorsicht half ihm nichts. Denn Chinas Diktatoren haben es geschafft, die großen amerikanischen Internet-Unternehmen, die in China Geschäfte machen, in ihr Überwachungssystem einzubinden. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights in China (HRIC) lieferte die Hongkonger Filiale des Internet-Providers Yahoo die Daten ihres Kunden Wang an die Schergen in Peking.

Elf Jahre im Gefängnis

Seit 2002 sitzt er wegen Subversion und Gefährdung der Staatssicherheit im Gefängnis. HRIC berichtet, er werde gefoltert und in Einzelhaft gehalten. Erst 2013 wird er wieder frei sein.

Ein US-Gesetz aus dem Jahre 1789 soll nun verhindern, dass Yahoo ungeschoren davonkommt; schließlich hat es das Vertrauen Wangs in den Schutz seiner Privatsphäre missbraucht.

Unter Berufung auf den Alien Tort Claims Act reichte eine Menschenrechtsorganisation vor einem US-Gericht im Namen Wangs Klage gegen Yahoo wegen Weitergabe vertraulicher E-Mails ein. Das Gesetz wurde bereits mehrmals angewandt, um amerikanische Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland zur Verantwortung zu ziehen.

Dabei setzen die Kläger auch darauf, dass oft schon die Negativschlagzeilen zu einer Verhaltensänderung führen können.Yahoo hätte wissen müssen, dass die Weitergabe von persönlichen Daten in China zu Festnahmen von Dissidenten führen könne, sagt Morton Sklar von der "Weltorganisation für Menschenrechte USA".

Dutzende weitere Fälle

Die Klage beruft sich auf Dutzende weitere Fälle, in denen Yahoo sich zum Büttel der chinesischen Behörden gemacht habe, unter anderem den des Journalisten Shi Tao, der 2004 in China verhaftet wurde.

Die Firma weist dagegen jede Schuld von sich. Ein Unternehmen müsse sich den Gesetzen jenes Landes unterwerfen, in dem es Geschäfte mache, sagte ein Yahoo-Sprecher. Regierungen seien auch nicht verpflichtet zu erklären, warum sie Informationen anforderten.

Die Klage gegen Yahoo kann zum Testfall werden. Denn auch andere Internet-Firmen haben sich Pekings Kontrollmechanismen unterworfen. Ob Microsoft, Google oder Yahoo - sie alle berufen sich auf die These "Wandel durch Handel". Das Internet werde China von innen heraus verändern und sie könnten dazu beitragen, behaupten sie.

Experten wie der amerikanische China-Spezialist James Mann bestreiten das. Politiker und Firmen, die von den hohen Wachstumsraten Chinas profitieren wollten, lullten damit die westliche Öffentlichkeit nur ein, sagt er.

"Jede Reform ist Betrug"

In China habe sich seit der wirtschaftlichen Öffnung politisch nichts geändert, der Westen dagegen vergesse gerne seine Werte, um China zu gefallen. Laut Menschenrechtlern liefert etwa die US-Firma Cisco jene Technologie, mit deren Hilfe Peking unliebsame Themen aus dem Internet verbanne.

"Ohne ein Mehrparteiensystem, freie Wahlen und Gewaltenteilung ist jede Reform Betrug", schrieb Wang in einem seiner Internet-Foren. Der 57-jährige Ingenieur, der schon in seiner Jugend die Mächtigen herausforderte, schickte auch E-Mails ins Ausland, in denen er die Missstände im Reformchina anprangert. Seine Frau fuhr eigens in die USA, um die Klage zu unterstützen. Was sie nach ihrer Rückkehr nach China erwartet, ist ungewiss.

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