Süddeutsche Zeitung

Digitalwährung:Dieser Mann arbeitet an einem besseren Bitcoin

  • Zooko Wilcox hat eine Kryptowährung erschaffen, durch die anonyme Zahlungen möglich werden.
  • Ermittler können Zahlungen über Bitcoin zurückverfolgen, zumindest in einigen Fällen.
  • Auch für US-Banken, die digtale Währungen aufmerksam verfolgen, sind anonyme Zahlungswege interessant.

Von Hakan Tanriverdi

Am Ende der "Zeremonie" packt Zooko Wilcox, 43, den Vorschlaghammer aus und lässt ihn auf den Rechner krachen. Fünf weitere Forscher, weltweit verteilt, gehen ähnlich radikale Wege. Drei Jahre lang forschte Wilcox gemeinsam mit ihnen an einer digitalen Währung, die ein zentrales Problem löst, an dem Bitcoins scheiterten: der Wahrung der Privatsphäre. Was Wilcox als Zeremonie bezeichnet, kann man auch Geburt einer neuen Kryptowährung nennen. Sie heißt Zcash, ihr Kurs steht nach anderthalb Jahren bei circa 380 Euro.

Die sechs Computer errechneten, jeder für sich, ein Bruchstück eines geheimen digitalen Schlüssels. Hätten Hacker Wilcox und seine fünf Kollegen gleichzeitig abgehört, wäre es ihnen möglich gewesen, an diesen Schlüssel zu kommen. "Anschließend hätten sie Zcash fälschen können", sagt Wilcox.

Teilweise Show, teilweise (berechtigte) Paranoia

Normalerweise reicht es aus, einen Rechner aus- und einzuschalten, um sämtliche Daten aus dem Arbeitsspeicher zu löschen, dort, wo der Schlüssel errechnet wird. Der Vorschlaghammer, analoger Widerstand, war also teilweise Show und teilweise, wahrscheinlich berechtigte, Paranoia. So argumentiert es sich leichter, sollten später kritische Nachfragen kommen. Seht her, der Rechner ist Schrott. Spaß hat es auf jeden Fall gemacht, wenn man sich die Videos anschaut, in denen Wilcox mit einem Zauberhut und Hammer drauflos drischt.

Währungen wie Zcash - und auch Monero - werden derzeit verstärkt wahrgenommen. Denn Bitcoin galt jahrelang zwar als anonymer Weg, um zum Beispiel Drogen im Darknet zu kaufen, einem Teil des Internets, der nur mit speziellen Browsern besucht werden kann. Doch das stimmte nicht: So erzählen Ermittler am Telefon, dass Bitcoin-Zahlungen sorgfältig in der Blockchain vermerkt werden, einer Art Datenbank zur Buchhaltung.

Mit dem Projekt "Titanium" forscht EU nach illegalem Zahlungsverkehr

Damit könne es Ermittlern gelingen, dem Geld zu folgen und es auf echte Menschen zurückzuführen. Ein EU-weites Projekt namens Titanium, Ende 2017 eingeführt, forscht genau daran. Diese fehlende Anonymität ist es auch, die große Teile der Gesellschaft ausschließt - zum Beispiel Ärzte. Die Zahlungen sollten schon geheim bleiben. Aus diesem Grund dachte auch Satoshi Nakamoto, die Person oder Gruppe hinter Bitcoin, seit August 2010 darüber nach, Privatsphäre in Bitcoin zu integrieren.

"Damals gab es keinen guten Weg, um die Authentizität und Echtheit von verschlüsselten Daten zu überprüfen", sagt Wilcox. Heute ist das möglich. Die zugrunde liegende Technik beschreibt ein Co-Investor dem Fortune Magazin so: "Es ist so, als ob man in einem Restaurant eine Rechnung erhält. Die individuellen Gerichte sind geschwärzt, das Restaurant kann dich aber nicht betrügen." Das soll mathematisch beweisbar sein.

Kooperation mit US-Bank JP Morgan Chase

Wilcox denkt bereits seit 1996 über "Crypto-Coins" nach, die dezentral und weltweit ausgerollt werden können, ohne Bank als Vermittler. Er hatte bereits mit der Idee einer solchen Währung abgeschlossen: "Ich habe es anfangs abgelehnt, etwas wie Zcash zu entwickeln. Ich dachte, das wäre ein Nischenprodukt für Menschen, die sich um ihre Privatsphäre sorgen." Erst dann sei ihm aufgefallen, dass Privatsphäre ein soziales Gut sei, kein individuelles. "Es funktioniert nur, wenn alle davon profitieren können." Mittlerweile kooperiert Wilcox auch mit der US-Bank JP Morgan Chase. Diese verwendet Prinzipien von Zcash, um den Geldfluss auf der konzerneigenen Blockchain zu schützen.

Auch die nächste Zeremonie ist bereits geplant, ein besonderes Update steht an. Dieses Mal sollen Hunderte Menschen mitmachen, nicht nur sechs. Anschließend mit dem Hammer auf den Rechner einzuprügeln, das ist allerdings optional.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2018
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