Digitalkameras:Spiegellose Alleskönner

Von Nikon bis Panasonic: Immer mehr Hersteller versuchen, die Vorteile von Kompakt- und Spiegelreflexgeräten zu vereinen. Ein Überblick über das aktuelle Sortiment der spiegellosen Systemkameras.

Frank Späth

Das Leben wird leichter - zumindest für anspruchsvolle Fotofans, die noch vor wenigen Jahren kiloschwere Ausrüstung schleppen mussten, wollten sie Bilder in technisch hoher Qualität auf die Speicherkarte bannen.

Nikon 1 V1

Nikon 1 V 1: Auch der Profiausstatter setzt auf spiegellose Systemkameras.

(Foto: Nikon)

Denn mit dem Aufkommen spiegelloser Systemkameras vor etwa drei Jahren schrumpften Gehäuse und Objektive teilweise drastisch. Inzwischen sind sie beim Format von Kompaktkameras angekommen, ohne dass der engagierte Benutzer auf Wechselobjektive und die hohe Bildqualität größerer Aufnahmesensoren verzichten muss.

Kein Wunder also, dass die Hosentaschen-Modelle für Anspruchsvolle im technik- und miniaturbegeisterten Japan inzwischen schon um die 35 Prozent Marktanteil unter den Systemkameras verzeichnen. Und ebenfalls nicht überraschend, dass mittlerweile so gut wie jeder Kamerahersteller gleich mehrere Spiegellose im Programm hat.

Mit Profiausstatter Nikon ist kürzlich einer der ganz Großen der Fotoindustrie auf den Zug aufgesprungen: Die kompakten Systemkameras Nikon 1 V1 und J1 sollen helfen, den Anschluss an die Pioniere Olympus, Panasonic und Sony zu halten.

Nikon verzichtet auf Bildsensor

Das Problem für Nikon während der Entwicklung: Die neue Garde darf das nach wie vor gut laufende Geschäft mit den hauseigenen klassischen Spiegelreflexmodellen der Einsteiger- und Mittelklasse nicht gefährden - ein Umstand, auf den die Elektronikriesen Panasonic und Sony weniger Rücksicht nehmen mussten.

Die Nikon-Ingenieure entschieden sich für eine im wahrsten Sinn des Wortes abgespeckte Lösung und verkleinerten nicht nur das Gehäuse vor allem durch das Weglassen des raumfordernden Schwingspiegels, sondern auch gleich den Bildsensor.

Der ist zwar immer noch rund dreimal so groß wie in einer typischen Kompaktkamera, aber eben auch etwa dreimal kleiner als die verbreiteten APS-C-Bildwandler der Spiegellosen von Sony und Samsung und noch rund um die Hälfte kleiner als die erfolgreichen Four-Thirds-Sensoren von Olympus und Panasonic.

Bildqualität sinkt

Und da ein kleinerer Sensor bei der gleichen Anzahl von Bildpunkten (Pixeln) weniger Licht aufnimmt, sinkt die Bildqualität - was sich vor allem beim gefürchteten Bildrauschen bemerkbar macht. Gegen die Gesetze der Physik sind eben auch ausgefeilte Algorithmen bei der Kamera-internen Bildbearbeitung machtlos.

Und auch wenn es Nikon gelungen ist, den kleinen und mit nur zehn Megapixeln vernünftig bestückten Bildwandlern der Einser-Serie möglichst viel Qualität zu entlocken: Im direkten Vergleich zu den größeren Sensoren der spiegellosen Konkurrenz muss sich die Nikon zumindest in puncto Rauschen bei hohen ISO-Empfindlichkeiten geschlagen geben.

Was Samsung, Pentax, Panasonic und Olympus bieten

Fotohersteller Pentax ist ebenfalls kürzlich ins Geschäft mit den kompakten Systemkameras eingestiegen und hat das Thema Miniaturisierung noch weiter auf die Spitze getrieben.

Pentax Q

Das Foto täuscht: Die Pentax Q passt locker auf die Handinnenfläche.

(Foto: Pentax)

Die Pentax Q passt - trotzt Wechselbajonett - locker auf eine Handinnenfläche und ähnelt mehr einer Spion- als einer waschechten Fotokamera. Sozusagen die digitale Wiedergeburt der legendären Minox. Ihr Sensor ist noch kleiner als derjenige der Nikon und entspricht dem Niveau besserer Kompaktkameras - mit den genannten Schwächen in der Bildqualität, wenn das Licht knapp wird.

In Sachen Sensorgröße am anderen Ende der Skala rangiert Sony mit seinen NEX-Modellen. Die kompakten Spiegellosen belichten auf einen APS-C-Sensor und damit auf eine Größe, die auch in den meisten Spiegelreflexmodellen zum Einsatz kommt.

Das hat gerade bei wenig Licht Vorteile und so konnte Sony mit der neuen NEX-7 den Coup landen, mit 24 Megapixeln gleich den Auflösungsrekord unter den Spiegellosen aufzustellen - auch wenn hier die schiere Zahl an Bildpunkten bei hohen ISO-Werten ebenfalls zu Bildrauschen führt.

Zudem ist die NEX-7, neben der Nikon 1 V1, die einzige unter den ultrakompakten Modellen ohne Spiegel, die zusätzlich zum Rückseitenmonitor einen hochauflösenden elektronischen Sucher bietet und damit das Arbeiten in hellem Licht und mit der Kamera am Auge vereinfacht.

Zwischenlösung in Sachen Sensorgröße

Auch Samsung hat sich für seine spiegellose NX-Serie für den großen APS-C-Sensor entschieden. Das neue Topmodell NX200 arbeitet mit mehr als 20 Megapixeln, bis zu 12 800 ISO und schnellem Autofokus sowie großem Amoled-Rückseitenmonitor.

Panasonic und Olympus setzen seit jeher auf eine Zwischenlösung in Sachen Sensorgröße. Ihr Micro-Four-Thirds-Bildwandler ist etwas kleiner als APS-C und hatte in frühen Generationen durchaus mit Rauschproblemen zu kämpfen. Doch inzwischen zeigt sich die aktuelle Palette mit der neuen Lumix GX1 und der Olympus PEN E-PM1 ausgereift und weitgehend frei von störenden Farbsprengeln bei hohen ISO-Empfindlichkeiten.

Nur Canon fehlt

Für die untereinander kompatiblen Four-Thirds-Systeme gibt es inzwischen eine große Anzahl an modernen Autofokus-Objektiven, diverse Adapter schaffen darüber hinaus den Anschluss an fast jedes jemals hergestellte Wechselobjektiv der Welt.

In einem wichtigen Punkt haben die spiegellosen Kamerazwerge längst zur klassischen Spiegelreflex-Technik aufgeschlossen: der Autofokus-Geschwindigkeit und -Präzision. Denn die neuartigen Kontrastsysteme zur Schärfemessung nutzen den Bildsensor selbst zur Fokussierung, das macht sie bauseitig weniger aufwendig und fehleranfällig - und so behaupten gleich mehrere Spiegellos-Anbieter von ihren jüngsten Modellen, sie seien in puncto Autofokus die schnellsten der Welt.

Nachdem Foto-Riese Nikon endlich ins neue Marktsegment eingestiegen ist, fehlt nur noch ein wichtiger Kamerahersteller mit einer Spiegellosen: Canon. Branchenkenner rechnen Anfang nächsten Jahres mit einer ultrakompakten Systemkamera von Canon. Für welche Sensorgröße sich der Marktführer bei Spiegelreflexkameras letztlich entscheiden wird, ist aber derzeit noch unklar.

Der Autor ist Chefredakteur der Fachzeitschrift Photographie.

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